Apothekenverband: Warum Reden bei E-Rezept-Störungen hilft

Es ist fatal, dass Apotheken bei vielen Prozessen, die sie betreffen, nicht mit einbezogen werden, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Apothekenverbands.

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Anke Rüdinger in der Apotheke

(Bild: Anke Rüdinger)

Lesezeit: 8 Min.

Seit Januar 2024 sind Arztpraxen dazu verpflichtet, E-Rezepte auszustellen – ganz rund läuft es allerdings nicht. Von Internetstörungen, wie zuletzt im Netz der Deutschen Glasfaser, bleibt das E-Rezept ebenfalls nicht verschont. Apotheken müssen die digitalen Verordnungen schon seit September 2022 verarbeiten, fühlen sich bei den Prozessen rund um die digitale Verordnung jedoch nicht gehört und haben sich mit Verbesserungsvorschlägen an das Bundesgesundheitsministerium gewandt. Wir haben mit Anke Rüdinger, die Vorstandsmitglied des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) und Leiterin des "Digital Hub" der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände (ABDA) ist, über aktuelle Hürden und Wünsche gesprochen.

(Bild: Anke Rüdinger)

heise online: Seit wann nehmen Sie E-Rezepte an?

Anke Rüdinger: Schon das ganze vergangene Jahr. Mit dem Einlöseweg über die elektronische Gesundheitskarte hatten wir seit Juli deutlich mehr E-Rezepte. Seit Jahresbeginn geht es jetzt natürlich richtig los.

Was läuft gut beim E-Rezept, was eher nicht so gut?

Im Prinzip läuft es besser als befürchtet. In meiner Apotheke haben wir jetzt doch deutlich mehr elektronische Verordnungen als Muster-16-Verordnungen und die überwiegende Anzahl dieser Verordnungen können problemlos versorgt werden. Aber es gibt auch die eine oder andere Schwierigkeit, die mitunter auch sehr viel Aufwand bedeutet. Wir haben nach wie vor große Probleme mit Freitextverordnungen. Ärzte tragen in das Freitextfeld beispielsweise Dosierungsangaben für Medikamente ein, dabei ist das Feld gar nicht dafür gedacht. Auch fehlerhafte Berufsbezeichnungen machen den Apotheken zurzeit viel Mehraufwand, weil Retaxationen befürchtet werden. Zudem lassen sich einige Austauschregelungen aus dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz mit dem E-Rezept nicht darstellen.

Signaturen beim E-Rezept

Für die Einzelsignatur eines Dokuments, etwa einem E-Rezept, muss der Arzt immer wieder seinen elektronischen Heilberufeausweis (HBA) in das Kartenlesegerät in der Arztpraxis stecken und dabei eine PIN eingeben.

Mit der Stapelsignatur können mehrere Dokumente signiert werden. Dazu muss sich der Arzt ebenfalls mit dem HBA und der PIN anmelden, kann aber direkt einen Stapel gesammelter Dokumente signieren.

Bei der Komfortsignatur bleibt der HBA im Kartenterminal. So lassen sich in einem Zeitraum von 24 Stunden bis zu 250 Dokumente signieren, ohne die PIN immer wieder eingeben zu müssen. Die Rezepte werden dabei sofort signiert und in die Telematikinfrastruktur übermittelt. Kassenärztliche Vereinigungen empfehlen diese Form der Signatur, allerdings müssen bestimmte Herausforderungen an Hard- und Software erfüllt sein.

Vor allem die Stapel-Signatur bereitet uns große Probleme, da Ärzte dabei die E-Rezepte über einen gewissen Zeitraum sammeln, um sie dann im Stapel zu signieren. Da E-Rezepte von den Apotheken erst vom Fachdienst abgerufen werden können, wenn sie vom Arzt signiert wurden, können die Versicherten in solch einem Fall ihr Medikament nicht direkt erhalten und wir müssen sie vertrösten. Das behindert die Arzneimittelversorgung und die Arbeit in den Apotheken sehr. Die Komfort-Signatur, die unter anderem auch auf Wunsch der Apotheken entwickelt worden ist, bietet dafür eine einfache Lösung und wird von den Kassenärztlichen Vereinigungen empfohlen. Es sollte in unser aller Interesse sein, dass die Prozesse möglichst einwandfrei laufen.

Liegt es auch an der Software?

Die vielen verschiedenen Praxisverwaltungssysteme (PVS) in den Arztpraxen setzen die Vorgaben in unterschiedlicher Qualität um, das ist bei unseren Warenwirtschaftssystemen in den Apotheken genauso. Von Ärztinnen und Ärzten erfahren wir, dass ihre PVS die Stapel-Signatur empfehlen, mitunter auch deshalb, weil sie die Komfortsignatur gar nicht programmiert haben. Wir versuchen in solchen Fällen immer, mit den umliegenden Arztpraxen Lösungen zu finden. Das kostet zunächst erstmal Zeit, aber die muss man sich nehmen, damit die Prozesse im Nachhinein für alle besser ablaufen.

Haben Sie den Eindruck, dass es manchmal zu TI-Störungen kommt, die gar nicht erfasst werden?

Unsere Apotheke war von einer solchen Störung noch nicht betroffen, aber es gibt Kolleginnen und Kollegen, die davon berichten. Aber es gab andere Probleme. So konnten wir im vergangenen Jahr an einem Sonnabend E-Rezepte einer Krankenkasse nicht mit der eGK abrufen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Krankenkasse ihre Server gewartet hat. Den Verantwortlichen war einfach nicht bewusst, dass Apotheken auch an Samstagen arbeiten und deshalb Zugriff auf das Versichertenstammdatenmanagement haben müssen, das für den Einlöseweg mit der elektronischen Gesundheitskarte nötig ist.

Auch Internetausfälle passieren immer mal wieder. In Zeiten des E-Rezepts ist das dann natürlich etwas dramatischer. Wir empfehlen den Apotheken als Backup einen LTE-Router, damit sie über das Mobilfunknetz weiter auf das Internet zugreifen können. Es kann aber auch sein, dass der Konnektor ausfällt oder es zu anderen Problemen kommt.

Für Apotheken gibt es keine Lösung, wenn die Telematikinfrastruktur ausfällt?

Insgesamt ist die Fallback-Lösung das Muster-16-Rezept. Aber speziell für Apotheken gibt es keine Lösung. Diese sollte am besten mit allen am Prozess Beteiligten überlegt werden. Da würde ich mir mehr Miteinander wünschen. Auch für die Heimversorgung und die Pflegedienste braucht es neue Wege. Aktuell soll dort das Muster-16-Rezept oder ein Ausdruck des E-Rezepts genutzt werden, weil die Heime noch nicht an die TI angeschlossen sind und die anderen Wege für Apotheken logistisch nicht machbar ist. Es kann keiner von den Apotheken verlangen, dass sie Heime anfahren, dort sämtliche Krankenkassenkarten einsammeln und dann in die Apotheke zurückfahren, E-Rezepte abrufen und anschließend die elektronische Gesundheitskarte wieder zurückbringen. Prinzipiell haben die Versicherten ohnehin ein Anrecht auf den Papierausdruck der elektronischen Verordnung in der Arztpraxis.

Ein weiteres Problem ist, dass die derzeitige Fallback-Lösung, also das Muster-16, in absehbarer Zeit nicht mehr in großen Mengen verarbeitet werden kann, weil das Personal dafür nicht mehr da sein wird. Für die Abrechnung der E-Rezepte wird viel weniger Manpower benötigt als für die Muster-16-Rezepte. Das heißt, wir müssen uns längerfristig eine neue Lösung überlegen. Aktuell würden wir bei Störungen oder Konnektor-Ausfällen den Arzt kontaktieren und ihn bitten, für die Zeit der Störung wieder das Muster-16-Formular zu benutzen.

Die Apotheken fordern auch, dass die Retaxationsfrist verkürzt wird. Warum?

Aktuell können E-Rezepte auch nach 12 Monaten noch retaxiert werden, das heißt, dass Krankenkassen das Geld für die an die Versicherten abgegebenen Arzneimittel von der Apotheke bis dahin noch zurückverlangen können. Das passiert etwa aufgrund formaler Fehler. Bei hochpreisigen Arzneimitteln kann das sehr unangenehm werden. Da derzeit aber gar nicht in Gänze überblickt werden kann, welche Fehler bei den E-Rezepten auftreten können, fordern wir eine Verkürzung der Retaxationsfrist für elektronische Verordnungen auf vier Wochen, welche technisch durchaus machbar ist.

Was ist aus dem Referenzvalidator geworden?

Wir hatten einen Referenzvalidator entwickelt, dieser kann von der Gematik im E-Rezept-Fachdienst allerdings nicht umgesetzt werden. Unsere Forderung ist daher, eine strikte Validierung der Verordnungen nach dem Vorbild unseres Validators. Dadurch soll sichergestellt werden, dass keine formal fehlerhaften Verordnungen aus den Artpraxen in den Fachdienst gestellt werden können. Es war auch immer das Versprechen an die Apotheken, dass es mit dem E-Rezept nicht mehr zu formal falsch ausgestellten Rezepten kommt und der Prozess einfacher werden soll. Wenn mit den elektronischen Verordnungen nur noch strukturierte und standardisierte Daten übermittelt werden, wäre das für die Apotheken eine enorme Erleichterung. Momentan ist das aber noch nicht durchgängig der Fall.

Wenn der E-Rezept-Fachdienst das nicht leisten kann, dann müssen das die Praxisverwaltungssysteme umsetzen. Wichtig ist, dass die Praxisverwaltungssysteme keine formal falsch ausgestellten Rezepte in den E-Rezept-Fachdienst übermitteln. Es ist erstaunlich, dass PVS zertifiziert werden, die dies nicht gewährleisten.

Was sind Ihre Wünsche für bessere Prozesse beim E-Rezept?

Es ist wichtig, dass sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und nicht hier eine Lösung und dort eine Lösung gedacht wird, die dann nicht zusammenpassen, sondern dass eine gemeinsame Lösung erarbeitet wird. Es ist fatal, dass die Apotheken bei vielen Prozessen, die sie betreffen, nicht in die Planung mit einbezogen werden.

Ich würde mir wünschen, dass Ärzte noch mehr Unterstützung bei der Implementierung der elektronischen Verordnung erhalten, zum Beispiel von den Kassenärztlichen Vereinigungen, gern auch gemeinsam mit den Apothekern. Meiner Erfahrung nach fällt auch vielen Arztpraxen der Umstieg auf die E-Rezepte schwer, weil Prozesse und Abläufe geändert werden müssen. Wir Apotheken können dabei unterstützen. Miteinander reden hilft.

(mack)