EU-Einigung: Apple, Samsung & Co. haften für Sorgfalt in der ganzen Lieferkette

Laut einer neuen EU-Richtlinie müssen große Unternehmen tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt vermeiden.

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Container in einem Hafen

(Bild: Travel mania/Shutterstock.com)

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Unterhändler des EU-Parlaments, des Ministerrats und der Kommission haben sich am Donnerstagmorgen auf ein Lieferkettengesetz verständigt. Die neue Richtlinie zu einer gründlichen Prüfung der Nachhaltigkeit verpflichtet große Unternehmen, ihre negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt wie Kinderarbeit, Sklaverei, Arbeitsausbeutung, Umweltverschmutzung, Entwaldung, übermäßiges Wasserverbrauch oder die Schädigung von Ökosystemen abzumildern. Das bezieht sich auf ihre eigene wirtschaftliche Tätigkeit, die ihrer Tochtergesellschaften und die ihrer Geschäftspartner. Sie müssen entsprechende Prüfprozesse in ihre Richtlinien und Risikomanagementsysteme integrieren und dabei ihren Ansatz, ihre Prozesse und ihren Verhaltenskodex darlegen.

Der Übereinkunft zufolge wird der Finanzsektor vorübergehend vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Auch Unternehmen in diesem Bereich müssen aber einen Plan verabschieden, damit ihr Geschäftsmodell der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius entspricht.

Das Gesetz gilt prinzipiell für EU-Unternehmen und deren Muttergesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem weltweiten Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro. Eingeschlossen werden auf Drängen des EU-Parlaments auch Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro, wenn mindestens die Hälfte davon in Branchen wie Textil, Land- und Forstwirtschaft, Gewinnung und Großhandel mit Bodenschätzen oder Herstellung verwandter Produkte oder im Bauwesen erzielt wird. Dies gilt ferner für Unternehmen aus Drittstaaten und Muttergesellschaften mit entsprechendem Umsatz in der EU.

Aufsichtsbehörden werden in der Lage sein, Untersuchungen einzuleiten und Sanktionen gegen Firmen zu verhängen, die sich nicht an die Vorschriften halten. Es drohen Geldstrafen von bis zu 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes und das öffentliche Anprangern unfairer Geschäftspraktiken. Die Volksvertreter haben auch dafür gesorgt, dass Unternehmen für die Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten haftbar gemacht werden können und ihre Opfer Anspruch auf Schadensersatz haben. Die Einhaltung der Vorgaben kann ferner als Teil der Vergabekriterien für öffentliche Aufträge herangezogen werden.

Bei Apple, Samsung & Co. wurden in den vergangenen Jahren mehrfach Missstände in den Lieferketten aufgedeckt. Große Hersteller von Smartphones und anderer vernetzter Geräte sicherten daher bereits mehrfach zu, höhere Standards etwa beim Abbau von Zinn in Afrika und Südostasien einzuführen. Dass kontrollierte Wertschöpfungsketten von der Mine bis zum fertigen Mobiltelefon möglich sind, demonstrierten Zulieferer wie AVX mit Tantal-Kondensatoren für das Fairphone schon seit Längerem. Der Bochumer Staatsrechtler Markus Kaltenborn betonte: Gerade am Beginn der Lieferkette – etwa in Bergwerken und auf den Plantagen – "werden Menschenrechte häufig mit Füßen getreten und massive Umweltschäden verursacht".

Mit Blick auf den Klimaschutz hätte die Richtlinie ambitionierter ausfallen können, moniert Clara Brandi, Professorin am Institut für internationale Wirtschaftspolitik der Uni Bonn: Aber hier und in vielen anderen Teilen wie der Beschäftigtenzahl gehe der EU-Ansatz deutlich über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus. Der Industrieverband BDI kritisiert, der Kompromiss bedrohe "Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Diversifizierung der europäischen Wirtschaft".

(mho)