EU-Gremien auf Konvergenzkurs bei Product Placement

Die Novelle der EU-Fernsehrichtlinie soll bis Mai stehen und Produktplatzierungen etwa in Serien oder Spielfilmen erlauben, waren sich die Kultur- und Medienminister mit Medienkommissarin Vivane Reding in Berlin einig.

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Die umstrittene Novelle der EU-Fernsehrichtlinie soll bis zum Frühjahr stehen und Produktplatzierungen etwa in Serien oder Spielfilmen erlauben, waren sich die Kultur- und Medienminister der Europäischen Union mit Medienkommissarin Vivane Reding bei ihrem informellen Gipfeltreffen am Rande der Berlinale am gestrigen Montag in Berlin einig. Hauptstreitpunkt war die Forderung des EU-Parlamentes, alle 20 Minuten im laufenden Programm etwa mit der Einblendung eines Logos oder einem anderen Signal auf die gekennzeichnete "Schleichwerbung" hinzuweisen. Eine solche Vorschrift erschien den Ministern als eher kontraproduktiv, da sie ihrer Ansicht nach zusätzliche Werbeeffekte mit sich bringen könnte.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) betonte erneut, dass sich Deutschland ursprünglich für ein vollständiges Verbot der Produktplatzierung stark gemacht habe. Die Ende vergangenen Jahres im Ministerrat und im Parlament festgezurrte Kompromisslinie will nun Product Placement zunächst offiziell untersagen. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen von diesem Verbot, durch welche die Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene die bezahlte Platzierung von Produkten wie Autos, elektronische Gadgets oder Lebensmittel insbesondere in fiktionalen Sendungen und Sportübertragungen doch erlauben können. Neumann hatte daraufhin bereits angekündigt, diese Möglichkeit der Richtlinie in Deutschland umzusetzen. An ARD und ZDF richtete er nun einen Appell zur freiwilligen Zurückhaltung beim Einsatz dieser bald legalisierten umstrittenen Werbeform. Ein entsprechender Verzicht könnte seiner Meinung nach " ja ein Markenzeichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein."

Keinen Streit mehr gibt es in Brüssel laut Neumann und Reding bei der prinzipiellen Liberalisierung der Werbezeiten und -arten in audiovisuellen Mediendiensten. Die EU-Abgeordneten haben sich hier dafür ausgesprochen, dass Sender künftig alle 30 Minuten Werbeblöcke schalten dürfen. Es soll auch möglich sein, Sportsendungen mit Einzelwerbespots ohne zeitliche Vorgaben zu unterbrechen. Bei anderen Programmen sollen sie die Ausnahme bleiben.

Übereinstimmung zwischen den EU-Gremien herrscht darüber hinaus bei der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf neue audiovisuelle Mediendienste und den Einsatz von Instrumenten der Ko- und Selbstregulierung. Neumann verwies darauf, dass erst Anfang des Jahres die europäische Empfehlung zum Schutz Minderjähriger und der Menschenwürde in Kraft getreten sei, bei der die Stärkung der Medienkompetenz eine große Rolle spiele. Zusätzliche Regelungen seien daher verzichtbar. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hatte dagegen im Vorfeld des Treffens eine bessere Absicherung des Jugendschutzes und des Schutzes der Menschenwürde im Internet gefordert.

Grundsätzlich ist in den noch leicht unterschiedlichen Entwürfen von Parlament, Rat und Kommission vorgesehen, dass auf dem EU-Markt für audiovisuelle Angebote das Herkunftslandprinzip gilt. Jeder Sender oder Dienstleister unterliegt damit nur der Rechtsaufsicht seines Heimatlands. Die Mitgliedstaat müssten damit aber auch grundsätzlich Produkte und Angebote aus anderen EU-Staaten auf dem heimischen Markt zulassen. Mögliche Probleme bei grenzüberschreitenden Programmen sollen durch ein neues Konsultationsverfahren zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten gelöst werden, auf das sich der Rat jetzt geeinigt hat.

Reding betonte bei dem informellen Gipfel, dass sich alle gesetzgeberischen Instanzen in Brüssel nun "in der großen Linie einig" seien. Noch nie seien Parlament und Kommission bei einer Richtlinie so nah beieinander gewesen wie in der Novelle der Fernsehrichtlinie. Die Kommissarin will bis Ende Februar einen konsolidierten Text ihres Entwurfs vorlegen, im Rat soll ein formeller Standpunkt im Mai beschlossen und dann zügig mit den Abgeordneten abgestimmt werden.

Noch gibt es aber auch zahlreiche kritische Stimmen. So mahnt der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco, dass der Geltungsbereich der neuen EU-Fernsehrichtlinie nicht auf audiovisuelle Mediendienste ausgeweitet und sich die Gesetzgeber bei der Regulierung von Internet-Angeboten zurückzuhalten sollte. Verbandsgeschäftsführer Harald Summa warnte in diesem Zusammenhang von einer "höchst bedenkliche Tendenz in Europa, dem Internet die Regeln des klassischen Fernsehens überstülpen zu wollen". Das sei verfehlt und vertreibe eine dynamische Industrie, die für Wachstum und Beschäftigung sorge, aus Europa.

Die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Grietje Bettin, sieht zudem mit dem eingeschlagenen Kurs "amerikanische Verhältnisse im Fernsehen" auf die Zuschauer in Europa zukommen. Neumann habe sich leider für mehr Werbeunterbrechungen und mehr Werbezeit pro Stunde ausgesprochen, was die Grünen genauso wie jegliche Produktplatzierungen als "unhaltbar" ansehen. "Wieder einmal geht die Bundesregierung auf die Interessen der Lobby ein und verliert die Zuschauer aus dem Blick", beklagte Bettin. Neumann könne sich auf jeden Fall nicht mehr damit brüsten, Rundfunk in erster Linie als Kulturgut und nicht allein als Wirtschaftsgut zu verstehen. Die Grüne appellierte ferner an den CDU-Politiker, auf eine Konkretisierung des Rechts auf Kurzberichterstattung hinzuwirken. Es könne nicht angehen, dass Informationen über große Ereignisse im Fernsehen exklusiv im Pay-TV ausgestrahlt würden.

Zu den Diskussionen um die neue Fernsehrichtlinie der EU siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)