EU-Kommission stellt Aktionsplan zur inneren Sicherheit vor

Die EU-Regierung will einerseits den Datenschutz stärken, Ermittlern anderseits aber den Zugriff auf private Datenbanken erleichtern.

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Die EU-Kommission hat einen umfangreichen Aktionsplan (PDF-Datei) zur Umsetzung des Stockholmer Programms zur Neuausrichtung der Sicherheitspolitik vorgestellt. Die für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft zuständige Kommissarin, Viviane Reding, rückte dabei am heutigen Dienstag in Brüssel Vorhaben zur Stärkung des Datenschutzes in den Vordergrund. Alle Einrichtungen in der EU müssten die Regeln auf diesem Gebiet beachten, betonte die Luxemburgerin. Die europäische Datenschutzrichtlinie sei aber inzwischen 15 Jahre alt. Bei ihrer Verabschiedung habe es "noch kein Internet gegeben", meinte sie. Die Bestimmungen seien daher "an die moderne Welt" anzupassen. Darüber hinaus solle es auch eine allgemeine Vereinbarung mit den USA zum Datenschutz geben.

Reding führte weiter aus, dass sie mehr Rechtssicherheit für Beschuldigte in Strafverfahren und einen besseren Rechtsschutz bei Online-Transaktionen und Reisebuchungen im Rahmen der Implementierung des Fünfjahresplans anstrebe: "Mithilfe dieser ehrgeizigen Vorschläge sollen bürokratische Hindernisse abgebaut werden, die den Bürgern das Leben erschweren und für unsere Unternehmen mit zusätzlichen Kosten und rechtlicher Unsicherheit verbunden sind." Konkret solle etwa ein gemeinsames EU-Vertragsrecht und ein Standard für Verbraucherschutzregeln geschaffen werden, um den grenzüberschreitenden Internet-Handel zu vereinfachen. Es gehe aber nicht allgemein um die Harmonisierung der Rechtssysteme der Mitgliedsstaaten, vielmehr sei die Kooperation durch das Schlagen von Brücken zu verbessern.

Außerdem soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung sowie beim Grenz- und Katastrophenschutz gestärkt werden. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström erklärte, organisierte Kriminalität noch wirkungsvoller bekämpfen und Cybercrime sowie Identitätsdiebstahl im Internet deutlicher unter Strafe stellen zu wollen. Erstmals solle eine EU-weite Linie zur Inneren Sicherheit entwickelt werden. Dabei werde man etwa sondieren, wie Bank- und Passagierdaten gemäß der geltenden Datenschutzbestimmungen am effektivsten zur Terrorismusbekämpfung und Strafverfolgung verwendet werden könnten. Auch eine Überprüfung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung sehe das Programm vor.

Insgesamt enthält der Plan rund 170 Initiativen, die auf 59 Seiten nur mit Überschriften ohne Erläuterungen aufgelistet sind. Er kündigt eine Mitteilung über die Machbarkeit eines Programms zur Auswertung von Überweisungsinformationen des Finanznetzwerks SWIFT für 2011 genauso an wie eine Mitteilung zur "Verbesserung der Verfolgbarkeit von Nutzern vorausbezahlter Kommunikationsdienste" für das Jahr darauf. Verschiedene Mitgliedsstaaten des EU-Rats drängen schon seit Längerem darauf, eine Identifikationspflicht für Mobiltelefonierer mit Prepaid-Karten gemäß der Bestimmungen hierzulande einzuführen. Ebenfalls 2012 will die Kommission ein Grünbuch zur Verwendung "kommerzieller Informationen" durch Strafverfolger präsentieren. Damit sollen Ermittler einfacher auf Datenbanken von Unternehmen zugreifen können.

Neu anstoßen will die Kommission die Debatte über den Informationsaustausch zwischen Mitgliedsstaaten und Europol über "gewalttätige reisende Rechtsverletzer" im Zusammenhang mit "größeren Veranstaltungen", obwohl sich im Rat dazu bislang keine gemeinsame Linie finden ließ. Damit zeichnet sich 2012 ein neuer Vorstoß für eine zentrale Datenbank über Unruhestifter, Randalierer und Hooligans ab. Schon im kommenden Jahr stehen der EU ferner Gesetzesvorschläge für ein Ein- und Ausreisesystem sowie ein Vorzugsprogramm für "registrierte Reisende" ins Haus.

Für die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch ist der Plan laut einer ersten Analyse (PDF-Datei) nach wie vor eng verknüpft mit einem frühen Entwurf für das Stockholm-Programm aus der Feder der EU-Innenminister unter Führung des damaligen deutschen Ressortchefs Wolfgang Schäuble (CDU). Er enthalte den darin skizzierten Versuch, den "digitalen Tsunami" für die Sicherheitsbehörden nutzbar zu machen und umfangreiche Datenbestände zu durchsieben. Die Initiative bringe allenfalls "etwas mehr Freiheit und Gerechtigkeit, aber viel mehr Sicherheit". Würde es die Kommission mit dem Datenschutz ernst meinen, solle sie zunächst Vorhaben wie die zum Transfer von Passenger Name Records (PNR) aus dem Programm streichen und andere eingeführte Befugnisse im Anti-Terror-Kampf auf den Prüfstand stellen. (keh)