EU-Kommission verabschiedet Pläne für Ausbau der Schengen-Überwachung

Komplexe Datenbanken wie das Schengen-Informationssystem II, das Visa-Informationssystem sowie das Fingerabdruckverzeichnis EURODAC sollen den Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus verbessern.

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Die EU-Kommission hat Ende vergangener Woche ein Maßnahmenpaket angenommen, mit dessen Hilfe die innere Sicherheit in der Union erhöht werden soll. Kern der verabschiedeten Strategie ist die mittel- und langfristige Weiterentwicklung der drei zentralen europäischen Datenbanken im Bereich der computergestützten Grenzkontrollen im Schengen-Raum. Dreh- und Angelpunkt ist das Schengen-Informationssystem (SIS), das bis 2007 massiv zum SIS II erweitert werden und künftig etwa auch biometrische Daten wie digitale Gesichtsbilder und Fingerabdrücke enthalten soll. Dazu kommen das Visa-Informationssystem (VIS) und die Datenbank der Fingerabdrücke von Asylbewerbern und illegalen Einwanderern (EURODAC). Letztere arbeitet erstmalig EU-weit mit einem "Automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungssystems" (AFIS), mit dem die biometrischen Merkmale der Kontrollierten mit bereits gespeicherten entsprechenden Daten abgeglichen werden können.

Darüber hinaus hat die Kommission einen Vorschlag des EU-Rates für einen Beschluss gut geheißen, der Sicherheitsbehörden wie der europäischen Polizeibehörde Europol den Zugang zum Visa-Informationssystem für Datenabfragen "zum Zwecke der Prävention, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten" gewähren will. Vor allem die Terrorfahndung – aber auch die Jagd auf andere Schwerverbrecher – soll dadurch verbessert werden. Den Sicherheitskräften der 25 Mitgliedsstaaten müssten "umfassende und aktuelle Informationen" zur Verfügung stehen, brach Justizkommissar Franco Frattini eine Lanze für das Vorhaben.

Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen haben den Vorstoß zur verstärkten Kontrolle im Schengen-Raum, der nun vom Rat diskutiert und verabschiedet werden kann, als weit über das Ziel hinausschießend kritisiert. Die Vereinigung Statewatch etwa warnt vor der Installation einer "panoptischen Überwachungsmaschine", mit der ein biometrisches Register aller Einreisenden ähnlich dem US-VISIT-Programm geschaffen werde. Gemäß Statewatch soll SIS II neue Alarmhinweise etwa zu "gewalttätigen Unruhestiftern" oder "Terrorismusverdächtigen" enthalten, die untereinander sowie mit Charakteristika über "Familien-" oder "Clan-Mitglieder" verknüpft werden können. Auch der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hatte sich jüngst über die großen Missbrauchmöglichkeiten der SIS-Datenbank besorgt gezeigt (PDF-Datei). Seiner Ansicht nach handelt es sich bei den Plänen um einen "fundamentalen Wandel" in der Sicherheitsarchitektur, bei dem insbesondere die sensiblen biometrischen Daten ausreichend zu schützen seien.

Laut Frattini sollen die Bedenken abgewogen werden. Er versprach eine "strikte Wahrung der Grundrechte" und insbesondere des Datenschutzes. Dem Kommissar zufolge ist eine Debatte erforderlich über die Frage, wie ein sorgsam ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den angestrebten Zielen und dem Schutz der Grundrechte, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt sind, erreicht werden kann. Gleichzeitig kündigte er aber auch an, dass die AFIS-Methodik von EURODAC schon bald auf die anderen zentralen Datenbanken ausgedehnt werden solle.

Das EU-Parlament, in dem eine vertiefte Diskussion über die neuen Data-Mining-Techniken geführt werden könnte, hat in Fragen der Inneren Sicherheit bislang nach wie vor fast keine Mitspracherechte. Bürgerrechtler beklagen daher, dass bei der Erweiterung der Schengen-Datenbanken keine Überprüfung durch die Abgeordneten – geschweige denn durch die Zivilgesellschaft – stattfinde und normale demokratische Spielregeln außer Acht gelassen würden. Sie fürchten, dass die auf einer gemeinsamen technischen Plattform entwickelten Datenbanken nur formell getrennt operieren und Geheimdiensten mehr nützen könnten als den Strafverfolgern. (Stefan Krempl) / (jk)