Edit Policy: Trump, Twitter, Faktenchecks und die Meinungsfreiheit

Seit Twitter auch Trumps Tweets genauer auf Verstöße gegen die eigenen Nutzungsregeln prüft, tobt der US-Präsident. Sind Faktenchecks und Hinweise unzulässig?

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Edit Policy: Bandbreite in der Pandemie – Hält das Internet?

(Bild: asharkyu/Shutterstock.com/Diana Levine)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Felix Reda
Inhaltsverzeichnis

US-Präsident Donald Trump hat es auf Twitter abgesehen. Die Plattform, die bis vor Kurzem noch massiv davon profitiert hat, dass Trump sie für allerlei offizielle Verlautbarungen nutzt, hat begonnen, ihre Moderationsregeln auch auf ihren berüchtigten Vielnutzer im Weißen Haus anzuwenden.

Trump reagiert mit Einschüchterungsversuchen, die sicher auch von seinem massiven politischen Versagen – in der Coronakrise und durch die gewaltsame Niederschlagung zivilgesellschaftlicher Proteste – ablenken sollen. Gleichzeitig offenbart der Konflikt zwischen Trump und Twitter die Doppelmoral des US-Präsidenten im Umgang mit Online-Plattformen.

Kolumne: Edit Policy

(Bild: 

Volker Conradus, CC BY 4.0

)

In der Kolumne Edit Policy kommentiert der ehemalige Europaabgeordnete Felix Reda Entwicklungen in der europäischen und globalen Digitalpolitik. Dabei möchte er aufzeigen, dass europäische und globale netzpolitische Entwicklungen veränderbar sind, und zum politischen Engagement anregen.

Auslöser der Kontroverse war die Entscheidung Twitters, einen Tweet von Donald Trump mit einem Faktencheck zu versehen, in dem er vor den angeblichen Gefahren einer Briefwahl warnte. Die Empörung über diesen Tweet ist nur vor dem Hintergrund zu erklären, dass es seit vielen Jahren zum Wahlkampfarsenal der Republikaner gehört, Anhänger*innen der Demokraten, insbesondere Angehörigen von ethnischen Minderheiten, die Teilnahme an Wahlen durch verschiedene bürokratische Hürden gezielt zu erschweren.

Trump quittierte Twitters Faktencheck mit einem Dekret, in dem er androhte, Plattformen wie Twitter unmittelbar für die Inhalte ihrer Nutzer*innen haftbar zu machen. Rechtliche Bindungskraft hat dieses Dekret kaum, da der Präsident die Gesetze zur Haftungsbegrenzung von Plattformen überhaupt nicht ändern kann. Die Botschaft an die Plattformen ist aber klar: Wer Trumps Selbstinszenierung auf sozialen Medien behindert, dessen Geschäftsmodell ist in Gefahr.

Offensichtlich unbeirrt von diesen Drohgebärden hat Twitter in den letzten Tagen in zwei weiteren Fällen Inhalte von Trump und seinem Wahlkampfteam moderiert. Zunächst hat die Plattform einen Warnhinweis vor einem offensichtlich gewaltverherrlichenden Tweet eingeblendet, in dem Trump gedroht hat, auf Demonstrierende schießen zu lassen. Dabei bediente er sich der Wortwahl eines Polizeipräsidenten in den Sechziger Jahren, der Gewalt gegen Mitglieder der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung gerechtfertigt hatte. In einem weiteren Fall sperrte Twitter ein Video von Trumps Kampagnenteam, in dem sie sich das Gedenken an den von Polizisten ermordeten Afro-Amerikaners George Floyd zueigen zu machen versuchten, wegen einer mutmaßlichen Urheberrechtsverletzung.

Mit seinem Dekret, das die Haftungsbegrenzung von Plattformen infrage stellt, versucht Trump den Mythos fortzuschreiben, Soziale Netzwerke wären politisch voreingenommen und würden einseitig die Meinungen von Republikanern unterdrücken. Er begründet das Dekret damit, Twitter und co. würden Inhalte willkürlich sperren, ohne dass es dafür eine Grundlage in ihren Geschäftsbedingungen gebe, und somit die Meinungsfreiheit einschränken. Die Realität sieht anders aus.

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Lange Zeit hat Twitter mit zweierlei Maß gemessen und Aussagen Trumps stehen gelassen, die offensichtlich gegen Twitters selbst gesetzte Regeln oder sogar gegen Gesetze verstoßen. Behutsame Schritte seitens Twitter, nun auch nur annähernd vergleichbare Maßstäbe an die Tweets von Donald Trump anzulegen, wie an die aller anderen Menschen, interpretiert der US-Präsident als persönlichen Angriff. Besser hätte er die eigene Privilegiertheit kaum demonstrieren können – wenn Trump von den Plattformen nicht explizit bevorzugt und von allen Verhaltensregeln freigestellt wird, sieht er sich diskriminiert.