Emotet: Arbeit am Berliner Kammergericht nach Monaten weiter eingeschränkt

Ein Dreivierteljahr nach dem Trojaner-Angriff auf die Berliner Justizinstitution kann ein Großteil der Richter neue Laptops nur als Schreibmaschinen verwenden.

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Emotet: Arbeit am Berliner Kammergericht nach Monaten weiter eingeschränkt

(Bild: DanielFox/Shutterstock.com/heise online)

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Das Berliner Kammergericht leidet nach wie vor massiv unter der Emotet-Attacke im September 2019 und der darauf folgenden weitgehenden Infektion des IT-Systems. Neun Monate nach dem Trojaner-Angriff sei ein Großteil der rund 150 Richter weiterhin nur eingeschränkt arbeitsfähig, schreibt der Tagesspiegel. Sämtliche Richter haben laut dem Präsidenten des Kammergerichts, Bernd Pickel, zwar neue Computer bekommen. Diese könnten wegen fehlender VPN-Verbindungen jenseits des Büros aber nur als "Schreibmaschinen" genutzt werden.

Schon vor der Corona-Pandemie sollen gut zwei Drittel der Richter mit ihren Notebooks von zu Hause aus gearbeitet haben, berichtet der Tagesspiegel. Während der Pandemie dürfte sich dieser Anteil deutlich vergrößert haben. Ohne über VPN abgesicherte Tunnel dürften sich die Justizmitarbeiter aber nicht in das Landesnetz einloggen, so haben sie auch keinen Zugriff auf Fachverfahren der Berliner Justiz.

Das Gericht hat demnach 500 zusätzliche VPN-Lizenzen beim IT-Dienstleistungszentrum für die Verwaltung (ITDZ) angefordert, die noch im laufenden Quartal bereitgestellt werden sollten. Pickel sprach von noch laufenden Verhandlungen, während es vom ITDZ hieß, die verschlüsselten Verbindungen würden "sukzessive in den kommenden Wochen ausgerollt".

Ein Streitpunkt sind die Kosten: "Allein für die Beschaffung der Geräte und Bereitstellung sowie Betrieb der sicheren Zugänge werden mehrere Millionen Euro fällig", sagte Pickel. Angesichts anlaufender Konjunkturprogramme sollen im Entwurf für den 2. Nachtragshaushalt, über den das Berliner Abgeordnetenhaus derzeit berät, aber bereits etwas mehr als zehn Millionen Euro zusätzlich für die Justiz insgesamt eingeplant sein.

Im Oktober hatte sich Pickel noch zuversichtlich gezeigt, dass "das Faxen dann auch hoffentlich bald ein Ende" habe. Im Januar war aber bekannt geworden, dass die Trojaner Emotet und Trickbot weitgehend ungehindert in den infizierten Systemen wüten und Daten abziehen konnten. Die Aufräumarbeiten dürfte dies nicht erleichtert haben.

Die künftige IT-Struktur für das Gericht soll eigentlich ohne USB-Sticks als weiteres Einfalltor für Schadsoftware auskommen. Doch bislang fällt es vielen der dortigen Richter noch schwer, fürs Homeoffice benötigte Daten ohne solche Hilfsmittel aufs Notebook zu laden und Grundanforderungen an Datenschutz und IT-Sicherheit nachzukommen.

Die laufende, über das ITDZ koordinierte Initiative, Systeme zwischen den einzelnen Gerichten zu vereinheitlichen und die Mitarbeiter mit neuer Hard- und Software auszustatten, bringe das Haus aber deutlich voran. 550 Rechner und das gesamte zuvor in Eigenleistung verwaltete Rechenzentrum mussten entsorgt werden.

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Auch das selbstgestrickte Fachverfahren zur "Automation des Landgerichts, der Amtsgerichte und des Kammergerichts" (Aulak), das an Microsoft Word 95 angehängt war und als potenzielle Angriffsfläche für Schadsoftware gilt, soll inzwischen zugunsten eines aktuelleren Programms ausgemistet worden sein. Am Amtsgericht Tiergarten sei das Verfahren noch in Betrieb, aber zumindest in einer moderneren Version. Die meisten Rechner der ordentlichen Gerichtsbarkeit liefen in Berlin aktuell noch unter Windows 7, obwohl der allgemeine offizielle Support dafür am 14. Januar ausgelaufen ist. Qualifizierte IT-Mitarbeiter zu finden und zu halten, falle den Behörden auf aufgrund dieser Bedingungen schwer.

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(anw)