Erste Chimäre geboren: Ein Mischwesen aus zwei Affenembryonen kam zur Welt

Ein Makakenbaby mit grün leuchtenden Augen und Fingerkuppen gilt als erste Chimäre im Primatenreich, erzeugt aus "Alleskönner-Stammzellen".

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 48 Kommentare lesen

(Bild: Cell Cao et al.)

Lesezeit: 3 Min.

Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass dieses Makaken-Baby mehr ist, als nur niedlich: Seine Augen und Fingerkuppen fluoreszieren grün. Das Affenkind gilt als erste Chimäre im Reich der Primaten, wie Forschende im Fachblatt "Cell" berichten.

Mit den Mischwesen der griechischen Mythologie – zum Beispiel eine Kombination aus Ziege, Pferd und Schlange mit drei Köpfen – hat das Affenbaby allerdings kaum etwas gemein. Denn es hat sich aus einer Mischung zweier genetisch verschiedener Embryonen derselben Makaken-Art entwickelt, den "Javaner-Affen".

Das Team um Zhen Liu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai hat dafür im Labor in einen nur wenige Tage alten Affenembryo, der in diesem Stadium eher eine Art brombeerartiger Zellhaufen ist, Stammzellen eines fast ebenso jungen Spenderembryos injiziert. Dessen Stammzellen hatten sie zuvor mithilfe von gentechnischen Methoden umprogrammiert, zu "naiven pluripotenten Stammzellen". Aus diesen Zellen kann sich praktisch alles im Körper entwickeln: Muskeln, Herzgewebe, Nerven oder Eizellen.

Das Team optimierte die Kultivierungsbedingungen und es baute in die Zellen des Spenderembryos den genetischen Bauplan für ein grün leuchtendes Protein ein. Dadurch konnten sie im Verlauf der Entwicklung der Embryonen immer wieder feststellen, in welchen Anteilen die pluripotenten Stammzellen enthalten waren.

Von mehr als 200 manipulierten Primatenembryonen zeigten rund 70 chimäre Eigenschaften, die anschließend Affenweibchen eingepflanzt wurden. Zwölf der tierischen Leihmütter wurden schwanger. Am Ende blieben zwei chimäre Babys übrig, eines wurde lebendig geboren, das andere starb noch im Mutterleib. Der Anteil der fluoreszierenden Biomarker lag zwischen 21 und 92 Prozent. Die Forschenden hatten dazu 26 verschiedene Gewebe getestet.

Gut zu erkennen die grün leuchtenden Fingerkuppen und die grün schimmernden Augen des Affen im Alter von drei Tagen.

(Bild: Cell Cao et al.)

"Diese Forschung ist nicht nur für das Verständnis der naiven Pluripotenz bei anderen Primaten bedeutend, einschließlich des Menschen, sondern auch für die Gentechnik und den Artenschutz. Konkret könnte uns diese Arbeit dabei helfen, präzisere Affenmodelle für die Untersuchung neurologischer Erkrankungen sowie für andere biomedizinische Studien zu entwickeln", sagt Zhen Liu. Dafür gelte es nun, die Methode noch zu optimieren. Unter anderem müssten die Kultivierungsmethoden perfektioniert und jene Mechanismen besser erforscht werden, die für das Überleben der Embryonen im Affenmutterleib wichtig sind.

Rüdiger Behr, Leiter der Abteilung Degenerative Erkrankungen Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) in Göttingen, hält die Publikation aus Shanghai für wichtig. "Die in den Embryo übertragenen Stammzellen haben wesentlich zur Bildung aller überprüften Organe des geborenen Affen einschließlich Gehirn, Herz und Hoden beigetragen", sagt er. "Von pluripotenten Stammzellen der Mäuse weiß man schon seit Jahrzehnten, dass sie chimäre Mäuse produzieren können. Für Primaten ist dies bisher jedoch noch nicht überzeugend gelungen."

Dass die Forschung aus Shanghai einen anderen Zweig der Chimärenforschung befeuern kann, ist Behr zufolge denkbar, nämlich wenn es um die Herstellung von Spenderorganen aus menschlichen Zellen im Schwein geht. Wie solche Pläne ethisch und im Vergleich zu möglichen Nutzen und Gefahren zu bewerten sind, wird immer wieder diskutiert. Der Sozialethiker Michael Coors von der Universität Zürich forderte 2021 in der "Süddeutschen Zeitung", dabei auch die Instrumentalisierung der verwendeten Tiere zu bedenken und "die potentiellen Leiden, die man diesen Chimären möglicherweise zufügen würde." Das Affenbaby mit den fluoreszierenden Augen und Fingerkuppen jedenfalls ist mittlerweile Geschichte. Es kollabierte zehn Tage nach der Geburt und wurde eingeschläfert.

(anh)