Erste deutsche Großstadt dementiert Ende ihres Gasnetzes

Die Stadtwerke Augsburg bezeichnen Medienberichte als irreführend, laut denen sie das Gasnetz der Stadt schrittweise stilllegen wolle.

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Baustelle für eine Fernwärmeleitung in Augsburg.

(Bild: Stadtwerke Augsburg)

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Augsburg hat keine Pläne, das Gasnetz der Stadt zurückzubauen. Zu dieser Stellungnahme gegenüber heise online sehen sich die Stadtwerke der bayerischen Großstadt durch Medienberichte veranlasst. Darin hieß es am heutigen Dienstag unter der Überschrift "Erste Großstadt will Gasnetz abschaffen", bereits "in zehn Jahren sollen viele Haushalte kein Gas mehr erhalten". Eine entsprechende Ankündigung habe die Stadt an hunderte Firmen geschickt, schrieb die "Bild". Damit setze Augsburg das "Heizgesetz" von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorzeitig um.

Möglicherweise hat das Boulevardblatt einen Bericht des Handelsblatts über solche mutmaßlichen Bestrebungen in Augsburg aufgegriffen. Die Wirtschaftszeitung schrieb Ende März ebenfalls, Gaskunden hätten Briefe bekommen, in dem sie über das Ende des Gasnetzes der Stadt in zehn Jahren informiert worden sein sollen.

"Bei den Anschreiben handelt sich nicht um Massenaussendungen an Kunden, sondern um individuelle Schreiben an große Wärmeverbraucher wie Industrie, Gewerbe oder Wohnbaugesellschaften", erklärte nun ein Sprecher der Stadtwerke Augsburg (swa) gegenüber heise online. "Denen kündigen wir den Ausbau der Fernwärme in ihrem Bereich frühzeitig an." Die Gasversorgung in Augsburg bleibe "im Rahmen der gesetzlichen Regelungen auch weiterhin gesichert", erklären die swa weiter. Es sei derzeit auch nicht geplant, das Gasnetz zurückzubauen. Anderslautende Presseberichte seien "irreführend".

In einigen Gebieten, die künftig mit Fernwärme erschlossen würden, bekämen große Wärmeverbraucher wie Industrie, Gewerbe oder große Wohnanlagen seit etwa vier Jahren Anschreiben. Darin werde ihnen angekündigt, dass bei ihnen in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren Fernwärme verfügbar sein wird. "Sollte eine Heizungserneuerung anstehen, sollte dies in die Überlegungen einbezogen werden, vor dem Hintergrund, dass ab 2040 in Bayern nach geltendem Recht keine Heizung mehr mit Erdgas betrieben werden darf", heißt es in einer swa-Mitteilung.

Wenn sich die Verbraucher für die Fernwärme entscheiden, werde in diesem Gebiet nicht weiter in das Erdgasnetz investiert, teilten die swa weiter mit. Dabei stehe noch nicht fest, inwieweit künftig Wasserstoff etwa für Industrie über das Erdgasnetz transportiert werden wird.

Offenbar sorgt ein Diskussionspapier des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) über die Zukunft der Gasnetze weiterhin für Unruhe. Auf dieses hatte das Handelsblatt Ende März in seinem Bericht über die angeblichen Augsburger Pläne verwiesen. Eine Woche zuvor hatte das BMWK gegenüber heise online klargestellt, dass es sich bei diesem Papier keineswegs um konkrete Pläne handele. Es gehe darum, dass sich alle Beteiligten angesichts der künftigen Entwicklung der zunehmenden Wärmeversorgung durch Wärmepumpen oder Fernwärme Gedanken über das Gasnetz machen. Beispielsweise könne es in Teilen unrentabel werden. In dem Papier wird auch erwogen, dass Gasnetzbetreiber einen Anschluss verweigern könnten.

"Wir arbeiten in Augsburg daran, in Zukunft die Wärmeversorgung auch ohne fossile Energieträger sicherzustellen", erläuterte swa-Vertriebsleiter Ulrich Längle. Es sei aber nicht absehbar, wann oder in welchen Mengen alternative Gase wie Wasserstoff oder Biogas für die breite Wärmeversorgung zur Verfügung stehen. Auch wenn bezweifelt werde, dass sich in absehbarer Zeit damit der allgemeine Wärmebedarf decken lässt, bereiteten auch die swa ihr Gasnetz in Teilen auf mögliche alternative Gase vor.

Die swa wollen nach eigenen Angaben bis 2040 rund eine Milliarde Euro investieren, um das Fernwärmenetz der Stadt auszubauen, regenerative Erzeugungsanlagen zu errichten oder Abwärme zu nutzen. Daneben blieben Nahwärmeoptionen wie Wärmepumpen und Pellet-Heizungen ein weiteres Standbein.

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Das BMWK erläuterte auf Nachfrage von heise online, "die Gasverteilernetze müssen im Rahmen der Transformation sicher weiter betrieben werden". Jederzeit müsse eine sichere und vor allem noch wirtschaftliche Versorgung sichergestellt werden, bis Versorgungsalternativen aufgebaut sind. "Genau diesem Ziel dient der Konsultation, die wir in diesen Wochen mit den Stakegoldern, den Kommunen, den VKU, den Stadtwerken führen", teilte eine BMWK-Sprecherin mit.

Für die Zukunft der Gas- und Wasserstoff-Verteilernetze werde es bei den über 700 Gasverteilernetzbetreibern jeweils auf die örtlichen Gegebenheiten ankommen, teilte das BMWK weiter mit. "Die Kommunen arbeiten dazu jetzt im ersten Schnitt an der Wärmeplanung und werden dabei entscheiden, wo sie auf Fernwärme setzen und wo Gasverteilernetze auf Wasserstoffnetze oder Biomethan umgewidmet werden sollen."

Viele Kommunen und Unternehmen wollen nach dem Eindruck des BMWK die Transformationen aus eigenem Antrieb zügig anschieben. Die Kommunen arbeiteten dazu jetzt im ersten Schnitt an der Wärmeplanung und werden dabei entscheiden, wo sie auf Fernwärme setzen und wo Gasverteilernetze auf Wasserstoffnetze oder Biomethan umgewidmet werden sollen.

(anw)