Erstes autonomes E-Frachtschiff in Norwegen vom Stapel gelaufen

Das erste elektrische und selbstfahrende Containerschiff, die Yara Birkeland, beging seine Jungfernfahrt. Die Batterien haben die Kapazität von 100 Teslas.

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(Bild: Kongsberg Maritime)

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Keine direkten CO2-Emissionen und bald auch keine Besatzung mehr: Das erste vollelektrische, autonome Frachtschiff der Welt stach am Freitag im norwegischen Oslofjord in See. Die rund 80 Meter lange Yara Birkeland soll künftig pro Tour bis zu 120 Container mit Düngemitteln in Eigenregie und "sauber" von einer Fabrik in der Stadt Porsgrunn im Südosten Norwegens zum ein Dutzend Kilometer entfernten Hafen von Brevik transportieren.

"Damit werden 1000 Tonnen CO2 eingespart und 40.000 Fahrten von dieselbetriebenen Lkw pro Jahr ersetzt", freute sich Svein Tore Holsether, Chef des Düngemittelproduzent Yara, bei der Präsentation des Frachters. Als Erstes durfte er aus der Politik nach der Jungfernfahrt in Oslo unter anderem den norwegischen Premierminister Jonas Gahr Støre an Bord begrüßen.

Holsether sprach von einem hervorragenden Beispiel für den "grünen Wandel" in der Praxis. Er hofft, dass die Yara Birkeland den Auftakt für "eine neue Art emissionsfreier Containerschiffen" macht: "Es gibt viele Orte auf der Welt mit überlasteten Straßen, die von einer Hightech-Lösung wie dieser profitieren werden."

Der E-Frachter ist ein Gemeinschaftsprojekt zahlreicher Akteure wie Yara und dem Schiffsaurüster Kongsberg. Der staatliche Förderbetrieb für erneuerbare Energien Enova unterstützte den Bau des Schiffes mit umgerechnet rund 13 Millionen Euro. Die norwegische Werft Vard startete im August 2018 mit der Umsetzung des Prestigevorhabens in einer rumänischen Niederlassung. Die Endmontage erfolgte in Brevik. Nach großen Ankündigungen hatten sich die Arbeiten mehrfach verzögert: Ursprünglich hätte das Boot schon Ende 2018 vom Stapel laufen sollen. An Entwicklungskosten waren knapp 25,6 Millionen Euro vorgesehen.

Holsether räumte ein, dass es "Schwierigkeiten und Rückschläge" gegeben habe. Umso schöner sei das Gefühl, "dass wir es geschafft haben". Nun soll eine zweijährige Testphase der Technik mit Besatzung starten, in deren Rahmen das 3200 Tonnen schwere Schiff selbstständig manövrieren lernen soll. Im Anschluss ist eine Zertifizierung geplant.

In "drei, vier oder fünf Jahren", meinte der Yara-Chef, könnte das provisorisch aufgebaute Steuerhaus ganz verschwinden, wenn der Frachter mithilfe von GPS, Radar, Kameras und anderen Sensoren die Touren autonom absolviere. Er soll dann von einer speziellen Überwachungs- und Betriebszentrale in der Küstenstadt Horten kontrolliert werden.

An Bord der Yara Birkeland ersetzten die Ingenieure den traditionellen Maschinenraum durch acht Batteriepakete, die dem Schiff eine Speicherkapazität von 6,8 MWh (6800 kWh) verleihen. Das entspricht der Aufnahmefähigkeit von rund 100 Teslas. Der Strom soll aus erneuerbarer Wasserkraft gewonnen und in den Frachthäfen geladen werden. Mit zwei Elektroantrieben steht eine Leistung von 3200 kW zur Verfügung. Bei voller Fahrt voraus kann die vollautomatisiert be- und entladbare Yara Birkeland eine Höchstgeschwindigkeit von 13 Knoten (rund 24 km/h) erreichen.

"Ein Großteil der Unfälle auf Schiffen ist auf menschliches Versagen zurückzuführen, zum Beispiel auf Ermüdung", erklärte Projektleiter Jostein Braaten laut Medienberichten. Autonomes Fahren könne da Sicherheitsvorteile bieten. Dafür müsse die Yara Birkeland aber noch viele Hindernisse überwinden und ein spezielles Regelset erhalten: Sie werde in einem engen Fjord navigieren, unter zwei Brücken hindurchfahren und dabei Strömungen und den starken Verkehr von Handelsschiffen, Sportbooten und Kajaks zu bewältigen haben, bevor sie an einem der am stärksten frequentierten Häfen Norwegens andocke. Um dies zu meistern, sei es erforderlich, zunächst die Erkennungstechnologien des Systems auszubauen.

Der Schifffahrtssektor ist für knapp drei Prozent aller vom Menschen verursachten Emissionen verantwortlich. Er hat sich zum Ziel gesetzt, seinen Schadstoffausstoß bis 2030 um 40 und bis 2050 um 50 Prozent zu reduzieren. In den vergangenen Jahren verzeichnete er aber einen Anstieg auf die Emission von rund einer Milliarde Tonnen Treibhausgasen. Experten zufolge dürften E-Antriebe in dem Bereich eine untergeordnete Rolle spielen, da der Aufbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur in den Häfen herausfordernd sei. Ozeandampfer müssten sich generell auf andere Technologien wie Flüssigerdgas, E-Methanol und Wasserstoff verlassen, um grün zu werden.

Ein autonom fahrendes Transatlantikschiff ist derweil in Südkorea in Produktion. In Deutschland werkeln Wissenschaftler ebenfalls an selbstfahrenden Booten. Die Bundesregierung rechnete bereits 2018 damit, dass Schiffe künftig ohne menschlichen Steuermann auskommen. Sie plante damals, Testgebiete für autonome Seefahrzeuge auszuweisen.

(tiw)