EuGH-Plädoyer: E-Books müssen ausleihbar sein

Geht es nach Maciej Szpunar, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof, fallen elektronische Bücher unter die EU-Richtlinie zum Verleihrecht und können daher von öffentlichen Bibliotheken zeitlich begrenzt verfügbar gemacht werden.

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E-Book

(Bild: dpa, Jens Kalaene)

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Das Angebot für die Online-Ausleihe bei öffentlichen Bibliotheken könnte bald deutlich größer werden. Maciej Szpunar, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), hat sich in seinen Schlussanträgen zu einem niederländischen Rechtsstreit dafür ausgesprochen, dass E-Books genauso wie traditionelle Bücher verliehen werden dürfen.Die Urheber müssen im Gegenzug eine angemessene Vergütung erhalten. Die Stellungnahme ist für die Luxemburger Richter zwar nicht bindend, häufig folgen sie aber dem Plädoyer des Generalanwalts.

Bei öffentlichen Bibliotheken können Interessenten derzeit nur einen geringen Prozentsatz insbesondere neu erschienener E-Books online ausleihen, da es Verlagen oder sonstigen Rechteinhaber freisteht, den kommunalen Einrichtungen dafür eine Genehmigung zu erteilen. Eine Zwangslizenzierung ist bislang nicht vorgesehen. Die Online-Ausleihe sei viel einfacher als ein Bibliotheksbesuch, heißt es dazu beim Börsenverein des deutschen Buchhandels. Dies reduziere die Anreize, sich E-Books zu kaufen.

Szpunar vertritt nun die Ansicht, dass sich öffentliche Bibliotheken auf die EU-Richtlinie zum Vermiet- und Verleihrecht von 1992 berufen können, wenn sie digitale Bücher elektronisch zeitlich begrenzt öffentlich Lesern zur Verfügung stellen. Der Gesetzgeber habe E-Books nur noch nicht konkret in dem Regelwerk genannt, da diese Technik damals erst ganz am Anfang gestanden habe.

Der Rechtsexperte schlägt daher vor, die Richtlinie "dynamisch" oder "evolutiv" auszulegen. Für ihn verhält sich eine Ausleihe von E-Books analog zum Verleihen von Büchern in Papierform. Nur so könne angesichts der "rasanten technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung" sichergestellt werden, dass die Richtlinie prinzipiell wirksam bleibe.

Der Hauptzweck des Urheberrechts sei es, die Interessen der eigentlichen Werkschöpfer zu schützen, betont Szpunar. Mit der derzeitigen Praxis der Online-Ausleihe werde diesem Grundsatz aber gar nicht hinreichend Rechnung getragen. So verliehen Bibliotheken derzeit Bücher in digitaler Form auf Basis von Verträgen mit den Rechteverwertern, was hauptsächlich den Verlagen oder Zwischenhändlern im E-Book-Bereich zugute komme. Mit dem von ihm bevorzugten Ansatz erhielten die Urheber dagegen eine angemessene Vergütung unabhängig von bestehenden Verträgen mit Verlagen.

Eine Hürde baut aber auch das Plädoyer auf. Dem Generalanwalt zufolge könnten die Mitgliedsstaaten zusammen mit einem Recht zur öffentlichen Ausleihe von E-Books verlangen, dass diese Bücher der Öffentlichkeit zuvor durch den Rechteinhaber zur Verfügung gestellt werden oder dieser zumindest zugestimmt hat. Wichtig sei zudem, dass die Werke "aus legalen Quellen stammen".

Geklagt hatte in dem Fall mit der Vereniging Openbare Bibliotheken (VOB) der Verband der öffentlichen Bibliotheken der Niederlande. Er will sicherstellen, dass die Ausnahmerechte für das Verleihen analoger Bücher auch für E-Books gilt. Unzufrieden ist die Vereinigung auch mit dem bisherigen Modell, wonach jedes lizenzierte E-Book während seiner Ausleihe für andere Bibliotheksnutzer gesperrt ist. Antragsgegner ist die Stichting Leenrecht, eine Stiftung, die Urhebervergütungen erhebt. Die mit dem Rechtsstreit befasste Bezirksgericht Den Haag legte mehrere einschlägige Fragen dem EuGH vor, der nun bald darüber entscheiden wird. (jk)