Eye in the Sky: Neue Satellitengeneration schürt Big-Brother-Ängste​

Das US-Startup Albedo will Satelliten mit hochauflösenden Kameras in sehr niedrige Umlaufbahnen schicken. Personen könnten so ziemlich genau erkannt werden.​

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Albedo wird untere anderem von Microsoft-Gründer Bill Gates unterstützt.

(Bild: Albedo Space Corp)

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Seit Jahren warnen Datenschützer vor einer zunehmenden Überwachung aus dem Himmel. Sie machen sich Sorgen über Satelliten, die stark genug sind, um an einzelne Personen heranzuzoomen und Nahaufnahmen zu machen. Quasi aus heiterem Himmel baut Analysten zufolge nun mit Albedo Space ein US-Startup eine neue Klasse von Satelliten, deren Kameras genau dafür erstmals geeignet sein sollen. "Das ist eine riesige Kamera am Himmel, die jede Regierung jederzeit ohne unser Wissen nutzen kann", beklagt Jennifer Lynch, Justiziarin der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF). Sie forderte die nationalen Regulierungsbehörden schon 2019 auf, sich mit diesem Problem zu befassen.

Heutzutage können die leistungsstärksten zivilen Bildsatelliten Objekte auf dem Boden unterscheiden, die einen Durchmesser von 30 Zentimeter haben. Das reicht bereits, um etwa Straßenmarkierungen oder Flugzeughecknummern zu erkennen. Albedo wolle durch die Abbildung von Objekten mit einer Größe von nur 10 Zentimetern einen Sprung nach vorne machen, berichtet die New York Times (NYT). Dies sei in den USA prinzipiell zulässig, nachdem die Trump-Regierung 2018 die Vorschriften für die zivile Satellitenauflösung gelockert habe. Aktuell beherrschen eine solche Auflösung nur große und sehr teure Militärsatelliten. Die Macher von Albedo wollen dafür nun einen kommerziellen Markt erschließen. Ihr Ansatz ist es, Satelliten in sehr niedrigen Umlaufbahnen zu platzieren, die vergleichsweise nahe an irdischen Subjekten sind. Dadurch könnte die geplante Satellitenflotte kleinere Kameras und Teleskope verwenden, was die Kosten drastisch senken würde.

Das Stichwort lautet Very Low Earth Orbit (VLEO). Es beschreibt eine Region des Weltraums, die ungefähr doppelt so nah an der Erdoberfläche liegt wie der häufig verwendete LEO (Low Earth Orbit), in der die meisten Unternehmen ihre Satellitenkonstellationen etwa auf einer Höhe von 200 bis 2000 Kilometern aufbauen. Das im VLEO bestehende Antriebs- und Positionierungsproblem will Albedo weitgehend gelöst haben. Das in Austin und Denver sitzende Unternehmen strebt den Start seines ersten Satelliten Anfang 2025 an, weitere sind in Planung. Die anfängliche Konstellation soll sechs Erdtrabanten umfassen, die vollständige Konstellation 24. Letztere wird dem Plan nach fünfmal pro Tag über den gleichen Punkt auf der Erde fliegen (Revisit-Periode).

Gegründet haben Albedo Topher Haddad und AyJay Lasater, die beide vom Rüstungskonzern Lockheed Martin kommen, gemeinsam mit Winston Tri, einem ehemaligen Facebook-Softwareentwickler. Die Firma beschäftigt aktuell 50 Mitarbeiter und hat rund 100 Millionen US-Dollar Startkapital gesammelt. Zu den Investoren gehört Breakthrough Energy Ventures, ein von Bill Gates 2015 gegründetes Finanzierungsunternehmen. Im strategischen Beirat von Albedo sitzen ehemalige Direktoren der CIA und der National Geospatial Agency (NGA), ein dem Pentagon unterstellter Geheimdienst. "Wir sind uns der Auswirkungen auf die Privatsphäre sehr bewusst", beteuert Haddad gegenüber der NYT. Die Technologie von Albedo werde Menschen abbilden, sie aber nicht identifizieren können. Man ergreife zahlreiche administrative Schritte, um Bedenken auszuräumen.

Der Datenschutz sei bei solchen Augen im Himmel "ein echtes Problem", hält die Ex-CIA-Mitarbeiterin Linda Zall dagegen. Dinge, die Menschen in ihren Hinterhöfen zu verbergen suchten, könnten damit klar erkennbar werden. "Es bringt uns einen Schritt näher an eine Welt, in der Big Brother zuschaut", warnt auch der Harvard-Astrophysiker Jonathan McDowell. Befürworter verweisen derweil auf Vorteile etwa im Kampf gegen die Folgen von Naturkatastrophen: "Sie werden wissen, welches Haus brennt und wohin die Menschen fliehen", erklärte James Baker, einstiger Leiter der National Oceanic and Atmospheric Administration, der Zeitung. Ebenfalls 2025 will der Bundesnachrichtendienst (BND) nach langen Verzögerungen erste Teile seines Überwachungssystems Georg ins All bringen, das insgesamt aus drei Spähsatelliten zur weltweiten elektro-optischen Aufklärung bestehen soll.

(mack)