Facebook-Initiative für mehr Astronautinnen-Nachwuchs

Elf deutsche Männer waren bisher im All, aber keine Frau. Das soll sich ändern. Eine Raumfahrtingenieurin hofft auf eine Premiere bis zum Jahr 2020 und hat dafür eine Internet-Initiative auf Facebook eingerichtet.

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Von
  • Yuriko Wahl-Immel
  • dpa

Vor 51 Jahren erreichte mit Valentina Tereschkowa die erste Frau das All.

(Bild: ESA)

Mehr weiblichen Astronauten-Nachwuchs und mehr Frauen in Berufen der Luft- und Raumfahrt: Mit diesem Ziel hat am Montag eine Facebook-Initiative begonnen, die eine Aufholaktion anstoßen will. Alexander Gerst sei derzeit als elfter deutscher Mann im All im Einsatz, eine Frau aus Deutschland habe diese Höhen bisher nicht erreicht, sagte Initiatorin Claudia Kessler, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) gegenüber dpa. Auch aus wissenschaftlicher und medizinischer Sicht sei es wichtig zu untersuchen, wie sich ein weiblicher Organismus im Weltall verhalte.

Die neue Plattform öffnete pünktlich zum 51. Jahrestag der ersten Frau im Weltraum: Am 16. Juni 1963 war die Russin Valentina Tereschkowa ins All geflogen. Auf der Facebook-Seite "Die Astronautin" sollen nun regelmäßig Informationen zur Raumfahrt oder zu Zusatzqualifikationen wie Tauchen oder Fallschirmspringen angeboten, konkrete Fragen beantwortet oder auch aktuelle Ereignisse diskutiert werden, wie Kessler ankündigte. Mehrere Organisationen – darunter das DGLR, das europäische Netzwerk "Women in Aerospace" und frühere Astronauten – unterstützten das Projekt.

Zu dem Projekt äußerte sich Claudia Kessler in einem Interview mit der dpa:

Claudia Kessler, (noch) nur mit einer falschen Astronautin.

(Bild: HE Space)

Haben Frauen in der Luft- und Raumfahrt in Deutschland einen nennenswerten Anteil?

Claudia Kessler: Der Anteil an Ingenieurinnen ist in Deutschland leider sehr gering, in Italien, Frankreich oder auch Spanien sind es viel mehr. Und auf die ISS hat es noch nie eine deutsche Frau geschafft. Alle fünf bis sechs Jahre laufen die Auswahlverfahren. Bei der letzten Runde 2009 hatten es unter europaweit etwa 8300 Bewerbern 50 in die engere Auswahl geschafft, darunter eine Frau aus Deutschland, die aber aus medizinischen Gründen ganz am Ende rausgefallen ist.

Warum ist es denn so wichtig, dass eine Frau fliegt?

Claudia Kessler: Es sollte auf dem Feld der Luft- und Raumfahrt schon mehr Frauen geben, das wäre auch demografisch gesehen von Vorteil. (...) Die Amerikaner, die 50 Prozent Frauen in ihrem Astronautenteam haben, sagen, gemischte Teams funktionieren besser, sind auch kreativer. Außerdem verhält sich ein weiblicher Organismus im Weltraum anders – das zu untersuchen, wäre wichtig. Die deutsche Forschung stützt sich da bei den eigenen Untersuchungen bisher nur auf männliche Daten.

Wann wäre die nächste Chance für eine deutsche Astronautin?

Claudia Kessler: Die europäische Raumfahrtagentur sagt noch nicht, wann die nächste Auswahlrunde startet. Wir sollten aber jetzt schon die Vorbereitungen dafür treffen, dass es zumindest zwei oder drei Frauen in den nächsten Jahren in die enge Auswahl schaffen. Denn im Durchschnitt fliegt etwa alle drei Jahre ein deutscher Astronaut ins All – und jetzt ist es Zeit für eine Astronautin. Der Wunsch wäre, dass wir das bis 2020 schaffen.

Was soll die neue Facebook-Initiative erreichen, die Sie gerade aufbauen?

Claudia Kessler: Wir richten uns mit der Internetplattform an Frauen, die zum Beispiel Luft- und Raumfahrt studieren oder vor dem Studium stehen. Es gibt Infos und praktische Tipps, dass neben Berufen wie Physikerin oder Naturwissenschaftlerin auch Fähigkeiten wie Fliegen, Fallschirmspringen oder Tauchen gefragt sind. Und wir wollen dann auch über Kooperationen mit den entsprechenden Vereinen oder Organisationen konkrete Tipps und Unterstützung geben. Wir werden deutschlandweit Aktionen starten und Frauen und angehende Astronautinnen speziell coachen. Und wir möchten zeigen, was es noch alles für spannende Berufe gibt – rund um die Raumfahrtzentren etwa oder in der Bodenkontrolle. (mho)