"Flächenbrand für Bürgerrechte": Liberale kritisieren KI-Verordnung scharf
Nicht erst seit dem Leak des abgestimmten Textes sorgen die in der KI-Verordnung der EU vorgesehenen Regeln – und eingebaut Hintertüren – für Kritik.
Die Liberalen im Europa-Parlament kritisieren die nun bekannt gewordene endgültige Textfassung der geplanten Verordnung zur Künstlichen Intelligenz ("AI Act") scharf. Auch die Grünen kritisieren einzelne Punkte, wollen die Verordnung aber dennoch mittragen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte fordert von der Bundesregierung nun weitere Schritte – die will sich jedoch erst einmal beraten.
Massive Bedenken gegen den Text der KI-Verordnung äußert die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn. Das Ergebnis sei ein "enttäuschendes Gesetz", sagt Hahn auf Anfrage von heise online. "Uns droht China light." Das aber liege nicht am Parlament: "Wir konnten gegen die Mitgliedsländer kein Verbot biometrischer Echtzeitüberwachung erreichen, aber viele rechtsstaatliche Hürden für die Nutzung biometrischer Echtzeitidentifizierung einziehen."
Schlupflöcher für Massenüberwachung
Vor allem Verweise auf Terrorgefahr oder nationale Sicherheit seien Schlupflöcher, die zu Massenüberwachung führen könnte, warnt Hahn. "Die retrograde biometrische Identifizierung von Personen ist nahezu ohne rechtsstaatliche Hürden wie eine vorherige richterliche Genehmigung und bereits für kleinste Bagatelldelikte möglich." Es drohe ein Flächenbrand für Bürgerrechte.
Deutlich positiver sieht Alexandra Geese, Grünen-Europaabgeordnete den Kompromiss nach dem Vorliegen des finalen Textes. "Die Abweichungen im Text der Ratspräsidentschaft sind problematisch. Wir Grüne haben uns für ein Verbot des Einsatzes biometrischer Identifizierungstechnologien eingesetzt. Dennoch sind sie kein Grund, die KI-Verordnung jetzt als Ganzes abzulehnen", sagt Geese. Es wäre das falsche Signal, die KI-Verordnung scheitern zu lassen. "Sie ist weltweit wegweisend und enthält wichtige Bestimmungen zu generativer KI und zum Schutz von Grundrechten."
Beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz (BfDI) sieht man den AI Act mit gemischten Gefühlen. Die Verordnung stärke den Schutz personenbezogener Daten, insbesondere bei automatisierten Entscheidungen, beim Scraping von Fotos für Gesichtsdatenbanken und beim sogenannten Social Scoring, das noch eindeutiger als bislang verboten werde, erklärt die Behörde und kritisiert zugleich einige Ausnahmen wie etwa für das Predictive Policing.
Datenschützer fürchtet Auswirkungen auf Grundrechte
"So wäre es nicht verboten, dass mittels KI besonders sensible personenbezogene Daten einer unverhältnismäßigen großen Anzahl von Personen unterschiedslos verarbeitet werden", teilt ein Sprecher des BfDI auf Anfrage von heise online mit. "Dies könnte gravierende Auswirkungen auf die Erwartung der Bevölkerung haben, im öffentlichen Raum anonym zu bleiben, womit wiederum direkte negative Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Freizügigkeit einhergehen."
Die Hoffnung des BfDI liegt nun bei der Bundesregierung, so ein Sprecher: "Begrüßenswert ist allerdings, dass es eine Öffnungsklausel für striktere Verbote gibt, die die Bundesregierung nutzen sollte." Die wiederum analysiert derzeit erst einmal den finalen Text. Nachdem die Positionierung des Rats der Mitgliedstaaten in der Vergangenheit hochumstritten war, gilt es keineswegs als ausgemacht, dass der Rat dem finalen Text nun wie vorliegend zustimmen will.
Insbesondere Frankreich hatte sich für noch weitgehendere Aufweichungen zugunsten der "Nationalen Sicherheit" ausgesprochen. Und auch innerhalb der Bundesregierung gab es einige Wünsche, etwa zur Regulierung von Foundation Models, die es nicht in den finalen Text der KI-Verordnung geschafft haben. Entsprechend zurückhaltend klingt die offizielle Stellungnahme eines Sprechers des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr: Noch sei es zu früh für eine finale Einschätzung. "Bei der andauernden Bewertung des Texts stehen für das BMDV die Offenheit für Innovationen, ein geringer bürokratischer Aufwand für kleine und mittlere Unternehmen bei einer möglichen Umsetzung und die internationale Anschlussfähigkeit der Regeln im Mittelpunkt."
(vbr)