Forscher sieht "dritten Weg" bei Datenverkehrspriorisierung

Gegner und Befürworter einer strikten Netzneutralität könnten mit technischen Mitteln versöhnt werden, hofft Princeton-Wissenschaftler Mung Chiang.

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Provider und Inhalteanbieter stehen sich im Streit um die strikte Einhaltung der Netzneutralität weitgehend unversöhnlich gegenüber: Während die Netzbetreiber versuchen, mit der Datenverkehrspriorisierung neue Geldquellen zu erschließen oder eigene Multimedia-Inhalte zu pushen, sieht die Gegenseite die Grundfesten des Internets in Gefahr. Es gibt allerdings Experten, die nach einer flexibleren Lösung rufen, berichtet das Technologiemagazin Technology Review in seiner Online-Ausgabe. Mung Chiang, Juniorprofessor für Elektrotechnik an der Princeton University, glaubt, dass sowohl Netzwerkbetreiber als auch Online-Inhalteanbieter derzeit noch eine gemeinschaftliche Ignoranz umtreibe, die das Internet massiv an Effizienz koste. Versuche die eine Gruppe, die Geschwindigkeit zu erhöhen, könne dies unbeabsichtigt dazu führen, dass entsprechende Maßnahmen der anderen Seite gestört würden.

Ein wenig mehr Informationen über die Daten, die durch ihre Netze fließen, könne den Betreibern helfen, Staus besser zu umgehen, meint Chiang daher. Beispielsweise sind die Bittorrent-Dateien, die am meisten Bandbreite benötigten, oft Videofiles. Doch nicht alle Einzelbilder dieser Filme sind gleich. Einige enthalten Informationen, die eine Szene hindurch stets unverändert bleiben, andere beschreiben hingegen kaum sichtbare Veränderungen, die über einen längeren Zeitraum erfolgen. Doch genau die könne man auch ab und zu weglassen, ohne dass der Sehgenuss getrübt werde, meint Chiang. Er und seine Kollegen haben bereits Prototyp-Videos geschaffen, die das beweisen sollen.

Wenn man Internet-Pakete jedoch derart unterschiedlich behandelt, also einigen gegenüber anderen mehr Priorität einräumt, verstößt man bereits gegen die strengsten Formen der Netzneutralität. Doch interessanterweise gibt es an ungewöhnlichen Orten sanfte Sympathie für Chiangs Vorschlag. Eric Klinker, Technologiechef bei Bittorrent, der Firma, die vom Erfinder des bekannten Tauschnetzes, Bram Cohen, gegründet wurde, glaubt, dass man ab und an bei Datenstaus Videotransfers beschneide, sei womöglich harmlos. Wenn beispielsweise jemand einen Film schaue, seien die nächsten 10 Minuten an Datenmaterial wichtiger als die letzten 10 Minuten.

"Ich mag aber die Idee nicht, dass Provider Videos dann anders behandeln würden als beispielsweise Software-Downloads. Deshalb müsste man solche Mechanismen in jede Anwendung implementieren", meint Klinker. Damit das funktioniert, muss der Netzbetreiber laut Klinker aber die volle Garantie leisten, dass bei genügend Kapazität auch tatsächlich die volle Bandbreite für diese Daten eingeräumt wird. "Allerdings gibt es derzeit ein berechtigtes Maß an Misstrauen gegenüber den Netzbetreibern." Immerhin: Bittorrent und der Provider Comcast, der als besonders aktiver Blockierer von Dateitauschdiensten in seinen Netzen gilt, haben inzwischen einen Burgfrieden geschlossen.

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(bsc)