Fotokünstler ausprobiert: Huawei stellt neue Smartphone-Serie P40 vor

Huaweis P40 Pro hat eine verbesserte Kamera, kommt aber ohne Google-Dienste nach Deutschland. c't konnte es bereits ausprobieren.

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Fotokünstler: Huawei stellt neue P40-Serie vor
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Robin Brand
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Das Huawei P30 Pro war eines der interessantesten Smartphones des vergangenen Jahres, noch heute gehört seine Kamera zu den besten Smartphone-Kameras. Jetzt hat Huawei die Nachfolger P40 und P40 Pro vorgestellt – und diese werden es deutlich schwerer haben, verbesserter Kamera zum Trotz. Denn die P40-Serie kommt ohne Google-Dienste nach Deutschland. Wir konnten die Pro-Variante bereits ausprobieren.

Nachdem das Mate 30 Pro hierzulande erst stark verspätet und nur in limitierter Stückzahl auf den Markt kam, ist die P40-Serie Huaweis erster ernstzunehmender Versuch, auf europäischem Boden ohne Google zu punkten. Die Hardware machte beim ersten Ausprobieren einen vielversprechenden Eindruck – und auch bei der Software hat Huawei nachgebessert.

Mächtiges Kameramodul: Die Rückseite des P40 Pro.

Huawei bringt das P40 zunächst in zwei Varianten auf den Markt, eine Pro+-Variante mit Keramikrückseite und zusätzlicher Tele-Kamera ist für das zweite Halbjahr angekündigt. Das kleinere P40 kommt mit 6,1 Zoll großem 60Hz-Display (2340 x 1080 Pixel, 422 dpi), das des Pro ist größer (6,58 Zoll, 2640 x 1200 Pixel, 441 dpi) und stellt Inhalte mit einer Bildwiederholrate von bis zu 90Hz dar. Damit hinkt es den höher auflösenden 120Hz-Displays der Samsung-S20-Serie auf dem Papier ein wenig hinterher.

In der Praxis stellen auch die 90Hz Scrollbewegungen und dafür geeignete Inhalte sehr flüssig dar. Das blickwinkelstabile Panel zeigt die Inhalte OLED-typisch sehr kontraststark mit tiefem Schwarz und kräftigen Farben an. Ungewöhnlich ist die Entscheidung, das Panel zu allen vier Seiten hin leicht abzurunden, um die Illusion eines fast randlosen Geräts zu verstärken. Um das zu realisieren, hat Huawei die Frontkamera als Aussparung im Display untergebracht – und dort ist die mächtige Dual-Cam nicht zu übersehen.

Huawei P40 Pro (23 Bilder)

Das neue Huawei P40 Pro schießt Fotos mit drei verschiedenen Brennweiten. Die optisch stabilisierte Hauptkamera (50 MP, f/1,9) nimmt im Labor bei hellen 1100 Lux farbenfrohe Bilder auf. Der Sensor der Hauptkamera ist satte 1/1,28 Zoll groß. Standardmäßig werden mehrere Pixel zu einem zusammengefasst, sodass 12,6-MP-Fotos entstehen. 

Rückseitig nimmt das P40 Pro Fotos in drei Brennweiten auf, in dieser Hinsicht hat sich gegenüber dem P30 Pro wenig getan: Es bleibt bei einer weitwinkligen Hauptkamera, einem Ultra-Weitwinkel und einer Telekamera mit fünffacher Vergrößerung gegenüber der Hauptkamera. Wie schon beim P30 setzt Huawei auf einen selbst entwickelten Sensor, dieser kommt nicht wie ein klassischer Bayer-Filter mit roten, blauen und grünen Farbfiltern, sondern mit gelben statt grünen. Das soll unter anderem die Lichtempfindlichkeit erhöhen. Neben der Hauptkamera nutzt nun auch die Tele-Kamera des P40 Pro diese Technik.

Die Hauptkamera sammelt Licht auf einem auf 1/1,28 Zoll angewachsenen Sensor (P30: 1/1,7 Zoll), beachtlich für Smartphone-Verhältnisse. Dem 50-Megapixel-Sensor zum Trotz entstehen standardmäßig 12,6-MP-Fotos, da vier Pixel zu einem zusammengefasst werden. Im ersten Kurztest überzeugte die Kamera bei guten Lichtverhältnissen mit knalligen Farben und einem weniger überschärften Bildlook als der Vorgänger. Die Paradedisziplin der Huawei-Kameras bleibt die Fotografie in der Dunkelheit.

Dabei ist das Smartphone nicht auf den speziellen Nachtmodus mit längeren Belichtungen angewiesen. Schon in der normalen Automatik zaubert das P40 mehr Licht ins Dunkel als die meisten anderen Smartphones im Nachtmodus. Neben dem großen, selbst entwickelten RYYB-Sensor realisiert Huawei das, indem die Automatik in der Dunkelheit mit sehr hohen ISO-Werten fotografiert, laut Huawei sind bis zu ISO 51.200 möglich. Die Automatik ging im Kurztest bei 0,5 Lux im Labor aber nicht über ISO 12.800 hinaus. Der Nachtmodus kann bei unbewegten Objekten die bessere Wahl sein, die Gefahr, dass die Fotos verwackeln, ist aber deutlich höher. Nach unserem ersten Eindruck gehören die Fotos in der Dunkelheit zum besten, was derzeit mit einem Smartphone möglich ist. Maßstabsetzend wie das P30 Pro vor einem Jahr sind die Nachtfotos des P40 Pro aber nicht.

Stark verbessert hat Huawei den Ultra-Weitwinkel, der speziell für das Filmen von Videos ausgelegt ist, mit dem sich aber auch hervorragend knipsen lässt. Der 40-MP-Sensor im 3:2-Format (f/1,8) nimmt deutlich schärfere Fotos auf als die meisten Ultra-Weitwinkel der High-End-Konkurrenz. Ein Konkurrent kommt aus dem eigenen Haus: Das Mate 30 Pro schießt mit dem Ultra-Weitwinkel ähnlich gute Fotos. Um wackelfreie Videos zu ermöglichen, ist auch diese Kamera optisch stabilisiert. Auch Aufnahmen mit 4K/60fps gelingen geschmeidig. 4K mit 60 Frames in der Sekunde sind auch mit Haupt- und Frontkamera möglich, der Vorgänger war noch auf 4K-Videos mit 30 fps begrenzt.

Wie gehabt wird die lange Brennweite per Periskop-Bauweise realisiert, das Licht per Prisma um 90 Grad umgelenkt. So können die Kameraoptik und der Sensor-Chip im rechten Winkel zur Kameraöffnung eingebaut werden. Die Brennweite der Kamera (12 MP, f/3,4, OIS) entspricht einer fünffachen Vergrößerung im Vergleich zur Hauptkamera. Dank eines verbesserten Autofokus gelingen die Aufnahmen in dieser Vergrößerungsstufe mit weniger Verwacklern als mit dem Vorgänger.

Ab 10-facher Zoomstufe hatten wir größere Probleme, scharfe Resultate zu erzielen, dennoch ist auch hier ein Fortschritt gegenüber dem Vorgänger erkennbar. Wie auch die Smartphones der Samsung-S20-Reihe erlaubt das P40 Pro auch Fotos über die zehnfache Zoomstufe hinaus. Bei 30-fachem Zoom sind die Resultate allerdings bei beiden Probanden arg matschig, im direkten Vergleich konnten wir die Geräte noch nicht ausprobieren.

Ab 30-facher Vergrößerung wird es doch arg grisselig. Noch hatten wir nicht die Gelegenheit, Huawei P40 Pro (links) und Samsung S20 Ultra (rechts) direkt gegeneinander zu testen. Diese Aufnahmen mit 30-fach-Zoom sind an unterschiedlichen Tagen aus einer ähnlichen Perspektive entstanden.

Im Unterschied zum P40 Pro vergrößert die Telekamera des kleineren P40 nur dreifach (8 MP, f/2,4, OIS) und realisiert das ohne aufwendige Periskopbauweise. Auch der Ultra-Weitwinkel (16 MP, f/2,2) ist technisch abgespeckt. Über die Qualität können wir keine Aussage treffen, da wir das Gerät noch nicht ausprobieren konnten. Noch etwas mehr als das P40 Pro bietet das später erscheinende Pro+ mit gleich zwei Telekameras, einer mit drei- und einer mit zehnfacher optischer Vergrößerung (240mm gemäß Kleinbildäquivalent).

Das verwendete Android 10 basiert auf dem Android Open Source Project und kommt ohne Google-Services. Wie bereits das Mate 30 Pro drängt das P40 Pro schon bei der Einrichtung dazu, per Phone Clone die Apps des alten Geräts auf das P40 zu kopieren. Das funktioniert recht zuverlässig, und auch nicht in Huaweis AppGallery befindliche Apps finden so ihren Weg auf das Gerät.

Jedoch funktionieren auch etliche Nicht-Google-Apps nicht oder nicht vollumfänglich, da kaum ein Entwickler in seinen Apps auf Google-Dienste verzichtet, sei es für Werbung mit dem Mobile Ads SDK, Analytics zur Auswertung der App-Nutzung oder ortsbezogene Dienste wie Maps, Routing und die Umwandlung von GPS-Positionen in Adressen. Je tiefer die Dienste in eine App integriert sind, desto wahrscheinlicher, dass sie nicht problemlos laufen wird.

Populäre Anwendungen wie WhatsApp, Facebook oder Twitter laufen auch auf dem P40 Pro. Selbst Google-Anwendungen wie Maps und YouTube lassen sich über Webverknüpfungen auf dem Startbildschirm benutzen, allerdings nicht als App. Die Suche nach funktionierenden Apps erleichtert die Anwendung "AppSuche", die für zahlreiche beliebte Anwendungen auf alternative Bezugsquellen wie den direkten Download beim Hersteller oder den Amazon Store verlinkt.

Rekordverdächtig fiel der erste Laufzeittest des P40 Pro mit 4200-mAh-Akku aus: Beim Video in der Dauerschleife gingen erst nach 21,9 Stunden die Lichter aus. Das ist ein Topwert. Aufgeladen ist das Smartphone dank beiliegendem 40-Watt-Netzteil in weniger als einer Stunde. Kurios: Während das günstige P40 Lite (4200 mAh) ebenfalls mit 40-Watt-Netzteil ausgeliefert wird, liegt dem teureren P40 (3800 mAh) nur ein 22,5-Watt-Netzteil bei. Wie sich das auf die Ladezeit auswirkt, können wir noch nicht sagen.

Unabhängig von der Variante kommen alle Modelle der P40-Serie mit Huaweis aktuellem Top SoC Kirin 990 5G mit integriertem 5G-Modem. Das P40 unterstützt die Bänder n79, n78, n77, n41, n28, n3 und n1. Das Pro unterstützt zusätzlich n66, n38 und n5. Im Kirin 990 stecken acht Kerne nach Big/Middle/Little-Prinzip: Zwei Hochleistungskerne auf Basis des Cortex-A76 mit 2,86 GHz, zwei A76-Kerne mit 2,36 GHz und vier A55-Kerne mit 1,95 GHz. Dem stehen eine Mali-GPU mit 16 Kernen und jeweils 8 GByte Hauptspeicher zur Seite.

Die DualSIM-fähigen Smartphones nehmen entweder zwei physische SIM-Karten auf oder eine physische SIM-Karte neben einer aktivierten eSIM. Der Speicher (128 GByte beim P40, 256 GByte beim P40 Pro) lässt sich mit der Huawei-eigenen NM-Card erweitern. Auf eine Kopfhörerbuchse hat Huawei verzichtet, gegen Wasser und Staub ist das P40 gemäß IP53, das Pro gemäß IP68 geschützt. Das P40 kostet 800 Euro, für das P40 Pro verlangt Huawei 1000 Euro. Die Geräte sind ab sofort vorbestellbar, die Auslieferung erfolgt ab 2. Mai. Zu Preisen und Verfügbarkeit des P40 Pro+ machte Huawei keine genaueren Angaben.

(rbr)