Gängige Praxis zur Handy-Datendurchsuchung bei Flüchtlingen ist rechtswidrig​

Bei fehlenden Ausweisen darf das Bundesamt für Migration laut dem Bundesverwaltungsgericht nicht ohne Weiteres die Handys von Asylbewerbern auswerten.

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(Bild: giggsy25/Shutterstock.com)

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Der Ansatz des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Handys und andere Datenträger bei der Registrierung von Asylantragstellern zu durchsuchen und auszuwerten, wenn diese keine Pässe oder Ersatzpapiere vorweisen können, ist nicht rechtmäßig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Donnerstag entschieden. Es gab damit der klagenden Afghanin recht, die im Jahr 2019 ins Bundesgebiet einreiste und mit einem nationalen Ausweisdokument (Tazkira) ohne biometrische Daten und Heiratsurkunde Asyl beantragte (Az.: BVerwG 1 C 19.21).

Das BAMF forderte die Klägerin damals auf, ihr Mobiltelefon herauszugeben sowie dessen Zugangsdaten mitzuteilen. Dem kam die Asylbewerberin nach, die ihr Handy nach der Datenauslesung und -speicherung zurückbekam. Dagegen wehrte sich die Frau im Frühjahr 2020 gerichtlich mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die noch weitere verwaltungsgerichtliche Klagen in ähnlich gelagerten Fällen koordiniert. Laut der Bürgerrechtsorganisation sei die Analyse von Daten aus portablen Datenträgern von Asylantragstellern durch BAMF ein unverhältnismäßig tiefer Eingriff in die Privatsphäre und überdies fehleranfällig.

Das höchste deutsche Verwaltungsgericht bestätigte mit dem Urteil nun die Entscheidung der niederen Instanz und wies die dagegen gerichtete Revision des Bundesamts zurück. Die Auswertung von Mobiltelefonen und anderen Datenträgern sei erst zulässig, wenn die Identitätsfeststellung "nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann". Im konkreten Fall hätte das BAMF etwa noch Tazkira und Heiratsurkunde heranziehen sowie Registerabgleiche durchführen könne. Das Vorgehen der Behörde sei daher unverhältnismäßig gewesen.

Das BAMF darf Handy-Daten prinzipiell seit einer umstrittenen Reform des Asylgesetzes im Jahr 2017 auswerten, um die Ausreisepflicht besser durchzusetzen. Mitarbeiter können auf dieser Basis etwa auch Laptops, Tablets und USB-Sticks von Asylbewerbern ohne richterliche Genehmigung auslesen, um deren Identität und Staatsangehörigkeit festzustellen. Die Regel greift aber nur, wenn ein Migrant Name und Herkunft nicht anderweitig nachweisen kann.

Die GFF-Verfahrenskoordinatorin Lea Beckmann wertete das Urteil als "großen Erfolg". Das BAMF müsse seine Praxis jetzt prinzipiell stoppen. Die GFF sei überzeugt, dass das Auslesen von Handys und die Auswertung der Daten nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. Beim Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber sei dazu noch eine Beschwerde anhängig.

Dessen Vorgängerin Andrea Voßhoff stufte die Befugnis während des Gesetzgebungsverfahrens als potenziell verfassungswidrig ein. Kelber monierte am Freitag als Grundproblem: "Seit vielen Jahren schaffen die Gesetzgeber in EU, Bund und Ländern immer neue Möglichkeiten für die Datenerhebung von Behörden, die sich danach als rechtswidrig herausstellen." Das müsse sich dringend ändern, da sonst die Bürger das Vertrauen in die Politik verlören.

(vbr)