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Hass auf Gaming-Plattformen: Warum die aktuellen Gesetze nicht ausreichen

Frauen hätten auf Twitch & Co. "krass mit Sexismus zu kämpfen", monierte die Grüne Emily Büning auf der Gamescom. Die Betreiber müssten gegensteuern.

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SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Emily Büning, Bundesgeschäftsführerin der Grünen, während der Diskussion auf der Gamescom.

(Bild: Screenshot / Krempl)

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Emily Büning, Bundesgeschäftsführerin der Grünen, hat sich für eine stärkere Selbstregulierung von Gaming-Plattformen wie Twitch, Stadia oder Steam ausgesprochen. Frauen hätten auf solchen Portalen "krass mit Sexismus zu kämpfen", beklagte sie am Donnerstag bei der Spitzenpolitiker-Runde auf der Spielemesse Gamescom in Köln. Auch "Hate Speech" sei dort ein großes Problem. Die Betreiber sollten daher stärker aktiv werden und etwa strafbare Hasskommentare löschen.

Die Vorgaben aus dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), die für Plattformen wie Facebook, Twitter und YouTube gelten, hätten für Gaming-Plattformen keine Wirkung, so Büning. Auch dort brauche es aber in Teilen Regeln, "wie wir zusammenleben". Ein großer Vorteil etwa für Menschen mit Behinderungen sei es prinzipiell, sich in Gaming-Räumen vorurteilsfrei bewegen zu können. Die Community sei grundsätzlich ein großer Mehrwert bei Online-Spielen, wo sie auch einst mit dem Aufziehen von Pixel-Hunden angefangen habe. Wer sich aber etwa als Frau zu erkennen gebe, stoße oft auf ein anzügliches Echo.

Für die Grüne stehe daher fest: "Die Branche muss an der Kultur des Umgangs arbeiten. Wenn wir Vielfalt haben wollen, sollten Menschen auch so auftreten können, wie sie sind." Parallel müsse die Polizei geschult werden, gezielt gegen strafbare Äußerungen vorzugehen: Hass im Internet habe massive Folgen und könne zu "Gewalt im Physischen" überspringen. Nutzer sollten einschlägige Kommentare ferner anzeigen oder sich an Hilfseinrichtungen wie HateAid wenden.

Sei eine Beleidigung in der Online-Welt, könne man sie häufig gar nicht mehr "aus dem Kopf rauslöschen", gab SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zu bedenken. Für ihn ist Gaming auch aus dem Grund politisch, "weil dort Gesellschaft geschaffen wird". Deswegen sei zu klären: "Wer ist ausgeschlossen?" Prinzipiell sollte Spielen "im Leben von jedem ein roter Faden sein", betonte der Sozialdemokrat, der früher im Call-Center eines Online-Spielehandels arbeitete.

Games eröffneten "ganz neue Perspektiven für Menschen mit Einschränkungen", hob auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek hervor, der nach eigenen Angaben seine "ganze Jugend verzockt" hat. Darüber ließen sich auch Kindern Inhalte vermitteln, "die mit dem klassischen Textbuch nicht weiterkommen". Faktoren wie Motivation und Emotion über Gamification stärker in der Schule zu nutzen, "würde ganz guttun".

Das neue schwarz-grüne Regierungsbündnis in Nordrhein-Westfalen hat in diesem Sinne laut Jarzombek im Koalitionsvertrag vereinbart, bei offenen Ganztagsschulen über einen Wettbewerb rund 15 Anbieter für Lernsoftware mit Gamification auszuwählen. Nach einer Wirkungsanalyse werde dieser Ansatz aufs ganze Bundesland ausgerollt. Damit entstehe ein Markt, auf dem Schulen nicht nur bei klassischen Verlagen wie Klett und Cornelsen einkauften.

Der Christdemokrat erinnerte sich aber auch noch gut an den "Riesenkulturkampf" rund um Games und frühere Koalitionsvereinbarungen auch auf Bundesebene, mit denen "Killerspiele" verboten werden sollten. Einen solchen Generalverdacht schädlicher Auswirkungen von Games gebe es heute kaum mehr. Die Idee sei daher gewesen, "die guten Dinge" etwa mit dem Computerspielpreis zu fördern. Jarzombek räumte im Nachhinein ein: "Das war auch ein bisschen eine Beruhigungspille für die Älteren." Inzwischen sei klar, dass Spiele "genauso Kultur sind wie andere Dinge".

Der Ampel-Koalition warf der Oppositionspolitiker vor, "keine eigenen Ideen" bei der Games-Förderung zu haben. Nun werde hier finanziell sogar noch gekürzt. Der Game-Verband hatte Anfang Juli gewarnt, dass der Aufschwung Deutschlands als Games-Standort politisch nicht abgewürgt werden dürfe. Laut dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung sollen für die Games-Förderung künftig nur noch 48,8 Millionen Euro zur Verfügung stehen, während es bisher 50 Millionen Euro waren und diese Summe eigentlich "verstetigt" werden sollte. Für Falk ist das Staatsgeld ein wortwörtlicher "Gamechanger".

Die Förderung sei für die Planungssicherheit der Branche wichtig, erkannte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai an. Diese sei weiterhin gegeben. Er zeigte sich aber überzeugt, "dass wir in den nächsten Jahren über eine Zunahme der Mittel sprechen müssen", wenn Deutschland als Games-Standort in die Weltspitze aufrücken wolle. Kanada mache da einiges besser – angefangen vom Geld bis zum strategischen Förderansatz. Hierzulande stünden die Haushaltsbeschlüsse im Bundesrat noch aus, wobei die Politik aber die "derzeitigen Parameter" nicht ignorieren könne.

Büning versicherte, dass der Haushaltstitel gesichert werde. Die Startup-Förderung werde im Games-Bereich ausgebaut. Die Grünen drängten zudem darauf, dass Spiele in der Bildung mehr vorkämen.

Die drei Vertreter der Ampel stellten sich zudem hinter das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Vorhaben, E-Sport gemeinnützig zu machen. Das Verständnis, dass es sich hier um eine Zukunftsbranche handele, sei bei einigen älteren Bundestagskollegen aber noch nicht ganz angekommen. Unter Schwarz-Rot habe die CDU Anträge aus der Opposition immer abgelehnt.

"Wir machen das in dieser Wahlperiode", gab Kühnert als Parole aus. Das Vereinsrecht sei eine wichtige Sache, auch Sponsoring lasse sich darüber ermöglichen. Zudem öffne die Initiative zur Gemeinnützigkeit die Türen in Schulen. Es hingen aber auch steuerliche Fragen daran, die noch geklärt werden müssten. Er mahnte Veranstalter von E-Sport-Großevents zudem, nach einer stärken staatlichen Anerkennung bloß nicht die "völlig durchkommerzialierten" Fußballweltmeisterschaften oder Olympischen Spiele zu kopieren. Es müsse bei Gemeinschaftsveranstaltungen mit "nachhaltigem Impact" bleiben. Kühnert drängte ferner darauf, einen "erklecklichen Teil" der Förderung für eine Recruiting-Strategie zum Anwerben von Fachkräften und Spiele-Entwicklern im Ausland zu reservieren.

(mki)