CES

General Motors präsentiert "Zukunft der Fortbewegung"

Erstmals hat ein Vertreter der Autoindustrie einen Keynote-Vortrag auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas gehalten. Für die Übel des automobilen Zeitalters hatte GM-Chef Rick Wagoner immer die richtigen Rezepte parat - zumindest auf dem Papier.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Erich Bonnert

SUV mit Brennstoffzelle: Der Cadillac Provoq von General Motors

Standesgemäß wurde Rick Wagoner in einem Chevrolet Volt auf die Bühne chauffiert. GMs Elektroauto gilt in Detroit als großer Hoffnungsträger der kränkelnden US-Automobilindustrie. "Heutige Autos sind geradezu Zwitter aus Fahrzeug und Konsumelektronik," begann der Vorstandsvorsitzende von General Motors seinen Keynote-Vortrag – die erste Rede eines Vertreters der Autoindustrie in der 41-jährigen Geschichte der CES.

Würde das Auto gerade erst erfunden, müsste man es passenderweise zuerst auf der CES präsentieren, schmeichelte Wagoner seinem Gastgeber. "Wir bringen Ihnen die Zukunft der Fortbewegung," sagte der Chef des neben Toyota größten Autokonzerns weltweit und begann mit einem lang gewundenen Referat, wie GM die Digitalisierung und Vernetzung des Autos vorantreiben will.

Wagoner – das Produkt einer 30-jährigen GM-Laufbahn und ein typischer Vertreter der konservativen, etwas steifen US-Autobranche – las seine gesamte Rede vom Blatt ab und verlies keinen Moment sein Rednerpult. Die deutlichste Verbindung von Elektronik und Auto sei lange Zeit das Autoradio gewesen – heute sei es die Telematik. Onstar, GMs funknetzgestütztes Notruf- und Diagnosesystem, ist laut Wagoner deren erster und erfolgreichster Vertreter.

Mit einer Fülle von Zahlen und Statistiken suchte er die Vorreiterrolle des US-Traditionskonzerns zu untermauern. So hat GM seit Einführung von Onstar vor fast zwölf Jahren mehr als eine Million Unfallnotrufe sowie 800 gestohlene Fahrzeuge registriert und bearbeitet monatlich 35.000 Pannenmeldungen online. Die Onstar-Ferndiagnose habe dazu beigetragen, die Wartungskosten der GM-Flotte drastisch zu senken.

Schon bald wird Onstar bei den Unfallmeldungen automatisch die Aufprallstelle am Auto sowie die Intensität des Zusammenstoßes diagnostizieren und feststellen, ob sich das Fahrzeug überschlagen hat. So können sofort die geeigneten Hilfsdienste losgeschickt werden.

Gestohlene Autos, die schon jetzt per GPS geortet und der Polizei gemeldet werden, lassen sich künftig per Fernsteuerung abbremsen, sobald die Polizei Sichtkontakt meldet. Ein Funkruf ins Auto fordert dann mit sanfter weiblicher Stimme den Fahrer zum Anhalten auf. Die zirka 30.000 jährlichen Verfolgungsjagden auf amerikanischen Straßen, die durchschnittlich 300 Todesopfer fordern, könnten so drastisch verringert werden. Auch in China hat GM vor wenigen Monaten mit der Einführung von Onstar begonnen.

Nach der Vernetzung des Autos mit stationären Basisstationen bringt der nächste Schritt in der Telematik die direkte Kommunikation zwischen den Fahrzeugen. Die Verbindung von Transpondersystemen und GPS ermöglicht ein von GM "V2V" (Vehicle to Vehicle) getauftes dynamisches Netzwerk mit Reichweiten von rund 400 Metern. Bremsmanöver eines Vorausfahrenden leiten so in Echtzeit bei allen nachfolgenden Autos mit Onstar-Ausrüstung in der Umgebung das Abbremsen ein.

Auch das ultimative Ziel – selbstständig fahrende Autos – seien nicht mehr allzu weit weg, versprach Wagoner und verwies auf den von Caterpillar, Continental und GM mitentwickelten Roboterwagen "Boss" von der Carnegie Mellon University. Der autonom steuernde Geländewagen hatte im November die Urban Challenge, eine Wettfahrt für Roboterautos, gewonnen.

Danach kam Wagoner auf die Umwelt- und Energieproblematik seiner Branche zu sprechen. Von derzeit 70 Millionen Neufahrzeugen pro Jahr werde sich der Automarkt schon in fünf Jahren auf 83 Millionen vergrößern – überwiegend in Ländern wie China und Indien. Saubere Motoren und alternative Treibstoffe stünden jedoch – auch durch die Mithilfe der Elektronikbranche – in der Autoindustrie parat, versprach der Konzernlenker, sodass sogar existierende Fahrzeuge sauberer fahren könnten und der Schadstoffausstoß neuer Motoren um 50 Prozent verringert werde.

GM plant bis 2012 insgesamt 16 neue Modelle mit Hybridantrieb, deren Verbrennungsmotoren mit Benzin oder Äthanol 85 laufen können. Das langfristige Ziel von GM sind jedoch Serienautos mit Brennstoffzelle und Wasserstoffreaktion. Damit kam Wagoner zum Höhepunkt seiner Präsentation – dem Prototyp Cadillac Provoq. Lautlos fuhr der gewaltige SUV mit Wasserstoff-Elektromotor auf die Bühne.

Mit einer Tankfüllung Wasserstoff soll der Provoq eine Reichweite von 480 Kilometern haben. Dabei lade der E-Flex-Motor noch eine Lithium-Ionen-Batterie auf, die Energie für weitere 65 Kilometer liefere, so Wagoner. Der Kühlergrill schließt sich selbsttätig bei hohem Tempo, um den Luftwiderstand zu verbessern. Auf dem Dach sind Solarzellen integriert, die die Stereoanlage und andere elektrische Systeme versorgen können.

Hohe Unfallzahlen, Verkehrsinfarkte, globale Luftverpestung bei galoppierendem Ressourcenverbrauch und explodierenden Energiepreisen, peinliche Pannen- und Zuverlässigkeitsstatistiken – GM scheint für alle Übel des automobilen Zeitalters die richtigen Rezepte parat zu haben. So mancher der über 1.000 Zuhörer mag sich dann aber doch noch gefragt haben, wie es dazu kommen konnte, dass ein solch innovativer und vorausschauender Konzern in den Abglanz früherer Jahre geraten konnte.

GM hat in den vergangenen Jahren unter dem Druck fallender Verkaufszahlen und hoher Fixkosten schmerzhafte Einschnitte hinter sich. Die letzten beiden Jahre brachten Nettoverluste von zehn Milliarden (2006) und knapp zwei Milliarden (2007) US-Dollar. Seit 2005 hat das einstige Aushängeschild der US-Wirtschaft über 25.000 Mitarbeiter (17 Prozent der Belegschaft) entlassen und produziert eine Million Fahrzeuge weniger als noch vor drei Jahren. Im vergangenen Jahr musste GM die Finanztochter GMAC als Sicherheit verpfänden, um sich eine Kreditzusage von rund 4,3 Milliarden US-Dollar zu sichern. (Erich Bonnert) / (pmz)