Gesetzentwurf: Arbeitszeit soll in vielen Branchen sofort digital erfasst werden

Das Arbeitsministerium will die bei Minijobbern bestehende Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung deutlich ausweiten. Vor allem das Baugewerbe legt sich quer.

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(Bild: Kovalevich28/Shutterstock.com)

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Arbeitgeber in zahlreichen Branchen sollen künftig die tägliche Arbeitszeit ihrer Beschäftigten stets sofort und digital und "manipulationssicher" dokumentieren müssen. Dies geht aus dem Referentenentwurf für ein Gesetz zu "Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung" hervor, den das Bundesarbeitsministerium an Verbände geschickt hat. Betroffen wären hunderttausende Betriebe, von denen viele gar keine Minijobber beschäftigen.

"Die nach dem Mindestlohngesetz (Milog) bestehende Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung wird modifiziert", heißt es in der Initiative von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Entsprechend der bisherigen Regelung im Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft müssten künftig nach dem Milog der Beginn der täglichen Arbeitszeit "jeweils unmittelbar bei Arbeitsaufnahme sowie Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch und manipulationssicher" aufgezeichnet und für mindestens zwei Jahre digital aufbewahrt werden.

Die geplante Neufassung von Paragraf 17 des Mindestlohngesetzes bezieht sich aber nicht nur auf geringfügig Beschäftigte. Sie erstreckt sich auch auf Arbeitgeber, die Arbeitnehmer nach Paragraf 8 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuches oder in den in Paragraf 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen beschäftigen. Darunter fallen etwa das Bau-, Personenbeförderungs-, Speditions-, Gebäudereinigungs- und Sicherheitsgewerbe. Die Gastwirtschaft wäre ebenfalls umfasst. Laut weiteren Artikeln des Entwurfs soll die Auflage etwa für die Leiharbeitsbranche gelten.

Bisher müssen die vom Milog erfassten Betriebe die täglichen Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten erfassen – allerdings nicht zwingend elektronisch. Sie haben zudem sieben Tage Zeit, um ihre Dokumentationen zu erstellen. Verstöße gegen die ausgeweitete Pflicht sollen als Ordnungswidrigkeit gelten. Damit drohen Bußgelder.

"Die neuen Anforderungen dienen dem Bürokratieabbau durch Digitalisierung", begründet das Arbeitsministerium seine Initiative. "Durch die elektronische Form der Arbeitszeitaufzeichnung können Kontrollen durch den Zoll effektiver gestaltet und Arbeitgeber dauerhaft entlastet werden." Zugleich würden Manipulationen bei der Erfassung besser verhindert. Dieses Kriterium ziele dabei "auf den Schutz vor inhaltlich falschen oder nachträglich geänderten Eingaben durch den Arbeitgeber oder dessen Personal selbst".

Es sei nicht erforderlich, betont das Ressort, dass das verwendete Zeiterfassungssystem beziehungsweise die digitale Anwendung "manipulative Eingriffe von außen durch Dritte, beispielsweise durch einen Hackerangriff, sicher ausschließt". Es müsse lediglich ausgeschlossen sein, "dass die Aufzeichnung aus der Sphäre des Arbeitgebers in einer Weise verändert wird", durch die der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar sei. Erfasste Daten dürften "nicht ohne Kenntlichmachung überschrieben, gelöscht oder geändert werden" können.

Durch die Reform entstehe voraussichtlich ein "einmaliger Erfüllungsaufwand" von rund 465 Millionen Euro, rechnet das Ministerium vor. Diesem stünden laufende Einsparpotenziale der Arbeitgeber von 290 Millionen Euro jährlich durch die mit dem Vorhaben verknüpfte Zeitersparnis gegenüber. Das Ressort schätzt anhand einer von ihm in Auftrag gegebenen Studie, dass von den 1,85 Millionen unter den Geltungsbereich der Dokumentationspflichten fallenden Betrieben noch rund 1,5 Millionen eine elektronische Zeiterfassung einführen müssten.

Betroffen seien vornehmlich kleinere Firmen, "die auf am Markt für sie erhältliche einfachere und mithin günstigere Lösungen zurückgreifen können", heißt es weiter. Daher sei "von einem einmaligen Betrag von im Durchschnitt 300 Euro pro Betrieb für die Einführung" auszugehen.

Vor allem das Baugewerbe läuft gegen die Initiative Sturm, mit der im Kern die Minijob-Obergrenze von 450 auf 520 Euro Lohn im Monat angehoben werden soll. "Die Regelung ist für mobil eingesetzte Arbeiter auf Baustellen oder bei Arbeiten in privaten Haushalten in großen Teilen nicht praktikabel", betonte der Vorsitzende der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, Marcus Nachbauer, am Mittwoch. Auch die Bürokratiekosten für die Betriebe stiegen damit – entgegen eines Versprechens der Ampel-Koalition – deutlich an, was "nicht hinnehmbar" sei.

Nach heutigem Stand der Technik kämen nur zwei Möglichkeiten in Frage, nämlich fest installierte Terminals zur Zeiterfassung oder vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellende mobile Geräte, erläutert Nachbauer. Beides sei zumindest mit "einem hohen Kostenaufwand und bei Fehlbuchungen und den dann notwendigen Korrekturen mit weiterem Verwaltungsaufwand verbunden". Er rechnet mit einer finanziellen Belastung von hunderten Millionen Euro plus laufenden Kosten allein für die 370.000 Mitgliedsbetriebe.

Auch der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen warnt vor einem drohenden zusätzlichen Aufbau von Bürokratie, der erhebliche Kosten für die Branche verursache. Der Bundesverband Taxi und Mietwagen hält die vorgesehene Pflicht zwar für "nachvollziehbar". Ihr könne aber nicht flächendeckend bis zum geplanten Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Oktober nachgekommen werden. Er fordert eine Übergangsfrist bis 2024.

Auch innerhalb des neuen Regierungsbündnisses ist das Vorhaben umstritten. Der FDP-Arbeitsmarktexperte Pascal Kober etwa twitterte: "Eine Idee des Ministers muss erst noch durch ein parlamentarische Verfahren. Schauen wir mal, ob sich der Sprengsatz nicht entschärfen lässt." Der Sozialverband Deutschland begrüßt dagegen die vorgesehenen "Verbesserungen bei der Dokumentationspflicht". Diese könnten dazu beitragen, "dass die vereinbarte Arbeitszeit eingehalten und entsprechend entlohnt wird". Auch das Kompetenzzentrum Jugend-Check hofft, dass mit der Novelle mehr junge Menschen sicher sein können, "den Mindestlohn zu erhalten und nicht etwa unbezahlte Überstunden" leisten zu müssen.

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(bme)