Globale Netzregulierung am Scheideweg

Nichtregierungsorganisationen, Industrievertreter und westliche Regierungen befürchten, dass bei Verhandlungen über die Zukunft des Internet Governance Forum neu erkämpfte Mitspracherechte für nicht-staatliche Akteure auf dem Spiel stehen.

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Von
  • Monika Ermert

In den Büros der Vereinten Nationen wird derzeit über die Zukunft des Internet Governance Forum (IGF) verhandelt. Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Industrievertreter und einige westliche Regierungen befürchten, dass dabei auch neu erkämpfte Mitspracherechte für nicht-staatliche Akteure auf dem Spiel stehen. Wolfgang Kleinwächter, IGF-Experte und Sonderberater des IGF-Vorsitzenden, sagte gegenüber heise online, die globale Internetpolitik der kommenden Jahre stehe an einem Scheideweg – ob sie nun allein von Regierungen oder unter Beteiligung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen betrieben wird.

Zu einem ersten offenen Schlagabtausch zwischen Vertretern europäischer Regierungen, NGOs und Vertretern der Internationalen Industrie- und Handelskammer (ICC) sowie einem Vertreter des UN Department of Economic and Social Affairs (UNDESA) war es im Verlauf eines Vorbereitungstreffens für das IGF 2010 gekommen. Vertreter Frankreichs, Spaniens und Finnlands zeigten sich wenig erfreut über die UNDESA-Ankündigung, die Empfehlung des UN-Generalsekretärs zur potenziellen Fortsetzung des IGF direkt an den Economic and Social Council (ECOSOC) weiterzuleiten und die bislang mit den Netzregulierungs- und IGF-Fragen betraute Commission on Science and Technology for Development (CSTD) zu übergehen.

Was von außen wie ein Kompetenzstreit in einer großen Bürokratie wirkt – die CSTD gehört administrativ nicht zum UNDESA, sondern zur United Nation Conference on Trade and Development (UNCTAD) –, hat für Kleinwächter Methode. Die CSTD lässt im Gegensatz zum ECOSOC offene Konsultationen zu. Das unterstrich auch der aktuelle CSTD-Vorsitzende, der Vizedirektor des Schweizer Telekommunikationsregulierers BAKOM, Frédéric Riehl. Er verwies auch darauf, dass ECOSOC bislang Fachfragen in der Regel an die CSTD verwiesen habe. Wenn die CSTD übergangen werde, riskiere man einen Zeitverlust von einem Jahr, dann gäbe es für 2011 kein Mandat für das IGF.

Der dringende Bedarf an Fachwissen über das Internet und dessen Betrieb habe die Regierungen überhaupt erst dazu veranlasst, private Player zu den Beratungen beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) zuzulassen, meinen Experten. Die aus diesem Prozess resultierende Teilhabe aller Interessengruppen, das sogenannte Multi-Stakeholder-Prinzip, wird als größter konzeptioneller Fortschritt des WSIS betrachtet. Genau diesem Fortschritt wollten Regierungen wie China jetzt einen Riegel vorschieben. Fragen globaler Netzpolitik würden damit wieder alleinige Angelegenheit der Regierungen, die Zivilgesellschaft müsste draußen bleiben.

Kleinwächter hat sich mit einem Weckruf an die Öffentlichkeit gewandt. Die erkämpften Mitspracherechte sollten nicht für Versprechungen zu einer besseren "Effektivität" des IGF, ein festes Budget und eine "engere Anbindung an die UN" zurückgenommen werden. Die im Internet Governance Caucus zusammengeschlossenen NGOs bereiten aktuell eine Stellungnahme an UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon vor, in der sie auf das Mandat der CSTD hinweisen. Mehr Gewicht dürften aber am Ende die kritischen Stellungnahmen europäischer Regierungen haben. (anw)