"Grünes Licht" für noch Essbares

EU-Forschende wollen die Verschwendung von Lebensmitteln eindämmen – mit einer Vorratsbox mit Sensor und einem Messgerät für den Supermarkt.

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Forschen gegen Lebensmittelverschwendung: Professor Andreas Schütze (li.) und Christian Bur von der Universität des Saarlandes.

(Bild: Iris Maurer)

Lesezeit: 4 Min.

Ist das noch gut oder kann das weg? Den Zustand von Wurst, Käse oder Gemüse zu beurteilen, ist gar nicht so einfach. Ästhetik – das ist mittlerweile bekannt – spielt dabei im Grunde keine Rolle. Nase und Gaumen liefern bessere Hinweise, auf welcher Stufe der Essbarkeitsskala ein Lebensmittel gerade steht. In Zukunft könnte die Bewertung eine neue Messtechnik übernehmen. Zumindest, wenn der Plan von Forschenden im EU-Projekt "Serenade" aufgeht. Ihr Ziel ist, die Verschwendung von Lebensmitteln zu bremsen.

"Wir entwickeln Verfahren, um die Qualität von Lebensmitteln zu überwachen", sagt Andreas Schütze, Messtechnikexperte an der Universität des Saarlandes und am Projekt beteiligt. "Konkret sind dies ein intelligenter Vorratsbehälter, der seinen Inhalt kontrolliert, und ein Messgerät für Supermärkte. Allein dadurch, dass es über die Kisten gehalten wird, soll es genau angeben, wie lange unverpacktes Obst und Gemüse noch essbar sind."

Aus einer Luftanalyse über den Lebensmitteln soll das System entsprechende Informationen ziehen, Schlussfolgerungen treffen und dann das Ergebnis auf einem Display anzeigen, zum Beispiel: "noch fünf Tage frisch". Im Supermarkt könnten gefährdete Lebensmittel frühzeitig im Preis reduziert und so noch an den Mann oder die Frau gebracht werden. Die mit Sensoren gespickte Vorratsdose wiederum gebe "grünes Licht", wenn der Inhalt noch bedenkenlos verzehrt werden könne, so Schütze.

Das Projekt wird von der EU mit 1,8 Millionen Euro gefördert. Beteiligt sind zehn Partnerinstitutionen aus Belgien, Deutschland, Italien und Spanien, zudem fünf Unternehmen. Dass soviel Geld, Man- und Womanpower zum Einsatz kommen, ist vermutlich auch der Größe des Problems geschuldet.

Laut dem EU-Amt Eurostat beziffern sich die Lebensmittelverluste in der EU im Jahr 2021 auf 131 Kilogramm Lebensmittelabfälle pro Kopf an. Privathausalte sind mit einem Anteil von 54 Prozent die Hauptverursacher, die Hersteller folgten mit 21 Prozent. Landwirtschaft und Gastronomie sorgen für jeweils neun Prozent der Abfälle und der Handel schlägt mit sieben Prozent zu Buche.

Die Zahlen sind zwar nur bedingt aussagekräftig, da der Begriff Lebensmittelverluste nicht einheitlich definiert und die Datenlage derzeit noch dünn ist. Dass sie zu hoch sind, ist aber unbestritten. Schließlich bedeutet Lebensmittelverschwendung nicht nur wirtschaftliche Einbußen bei Herstellern und Händlern, sondern auch mehr Land- und Energieverbrauch, mehr Düngemittel und Pestizide in der Umwelt.

Die Technologie aus dem EU-Projekt, die dabei helfen soll, die Verschwendung einzudämmen, ist eine Kombination aus Gassensorsystemen und künstlicher Intelligenz, die Muster in den Ausdünstungen der Lebensmittel erkennt. Denn was Menschen etwa als eklig süßlichen oder erdigen Geruch wahrnehmen, wenn Lebensmittel faulen oder gären, sind Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen oder Schimmelpilzen. Beim Zersetzen entstehen gleich eine ganze Reihe flüchtiger, zum Teil übel riechender Stoffe, zum Beispiel Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Ethen oder Essigsäure.

"Gerüche hinterlassen in der Luft eine Art persönlichen Fingerabdruck, der sich aus verschiedenen Konzentrationen verschiedener Stoffe zusammensetzt", sagt Christian Bur. "An den individuellen Geruchs-Abdrücken, sogenannten Smellprints, wollen wir den jeweiligen Zustand der Lebensmittel ablesen. Hierfür ordnen wir die einzelnen Smellprints den verschiedenen Zuständen zu."

Die neuen Gassensorsysteme sollen zudem hoch empflindlich sein, selbst einzelne Abbaumoleküle unter Milliarden Luftmolekülen messen können – und auch Gase wie Ethen oder Kohlenstoffdioxid erfassen, die Menschen nicht riechen können. Wer wissen möchte, wie gut die Ideen für die Praxis taugen, muss sich allerdings noch ein bisschen gedulden. Das Projekt ist noch in der Anfangsphase.

(anh)