HP Software: Via Cloud und ausgewählte Partner in den Mittelstand

Im "gehobenen" Mittelstand sieht HPs Software-Sparte bisher nicht erschlossenes Geschäftspotenzial. Mit einem dedizierten Channel-Programm, der Initiative "ten.to.one" und einer fokussierten Business Unit will der Hersteller diesen Markt nun erobern.

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(Bild: HP)

Ein weitestgehend unerschlossenes Marktsegment haben die Verantwortlichen der Software-Sparte von Hewlett-Packard ausgemacht: Mid-Size Enterprises (MSE) – zu deutsch: Unternehmen des gehobenen Mittelstandes. Die Initiative "ten.to.one", ein dediziertes Channel-Programm und ein eigens eingerichteter Geschäftsbereich "HP Commercial Solutions" markieren den Auftakt zur Erschließung des brachliegenden Potenzials. Die anvisierte Zielkundschaft umfasst nach Definition von HP Firmen mit 1000 bis 10 000 Beschäftigten und erstreckt sich über sämtliche Branchen hinweg. Das Geschäftspotenzial in diesem Marktsegment taxiert der Hersteller auf gut 7,5 Milliarden US-Dollar und beruft sich dabei auf Einschätzungen der Analysten von Forrester.

Im Rahmen einer von HP in Auftrag gegebenen Studie hatte Forrester außerdem die IT-spezifischen Anforderungen von MSE ermittelt. Diese weichen zum Teil erheblich von den Bedingungen ab, die HP aus dem Großkundengeschäft gewohnt ist: Die mittelständische Klientel orientiert sich bei IT-Investitionen stärker an den ökonomischen Anforderungen des Geschäftsbetriebs, zeigt sich aber gleichzeitig deutlich aufgeschlossener gegenüber innovativen neuen Ansätzen. Und MSE bevorzugen die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern – eine direkte Geschäftsbeziehung zum Hersteller spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Software-Investitionen im Mittelstand müssen zur Kostenreduktion beitragen...

(Bild: HP - Forrester)

Angesichts dieser Erkenntnisse erscheint es nur konsequent, wenn Hewlett-Packard sein Netzwerk von Vertriebspartnern nun auch für die Erschließung des Mittelstandes mobilisieren will. Rund 1200 Partner kann der Hersteller in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA) vorweisen. Im ersten Schritt sollen gut 300 davon – die sogenannte Business Class – HP aktiv beim Vorstoß in das MSE-Segment begleiten, wie Sabby Gill, Vice President Commercial Sales EMEA bei HP Software & Solutions, erklärt. Knapp 180 ausgewählte Partner haben sich bereits für das Channel-Programm registriert. Darunter finden sich keineswegs nur Unternehmen, die HP proaktiv für eine Zusammenarbeit gewinnen wollte, sondern auch IT-Dienstleister, Systemhäuser und Integratoren, die in HP Software den geeigneten Herstellerpartner sehen.

...aber auch bei der Einführung von SaaS spielen geringere Kosten die entscheidende Rolle.

(Bild: HP - Forrester)

So nutzt beispielsweise die Materna GmbH seit gut einem Jahr die Anwendungen aus HPs Business Technology Optimization-Portfolio, um maßgeschneiderte IT-Management-Lösungen für ihre Kunden zu konfigurieren, wie Uwe Scariot, Prokurist und Leiter der Business Unit Information bei Materna, erläutert. Der IT-Dienstleister zählt derzeit zwar noch nicht zum engeren Kreis der Business-Class-Partner, ist aber durchaus an einer engeren Zusammenarbeit mit HP im Mittelstandsmarkt interessiert. "Die von HP eingeleitete Neuausrichtung und die aktuelle Mittelstandsinitiative begrüßen wir durchaus – sie deuten in die richtige Richtung", ergänzt Ludger Koslowski, Geschäftsstellenleiter Business Division IT Management bei Materna, und spielt dabei auf die Verstärkung im Partnervertrieb des Herstellers an. Im ersten Quartal 2010 hatte HP hierzulande unter anderem ein dediziertes Team für das MSE-Geschäft aufgestellt. Auf EMEA-Ebene sieht HP eine Verdreifachung der Pre-Sales-Organisation sowie eine Verdopplung des Inside-Sales vor, wie Vertriebschef Gill betont.

Genau wie HP sieht auch IT-Dienstleister Materna wachsendes Potenzial im Kundensegment der mittelständischen Unternehmen. "Im Zuge der Risikominimierung denken immer mehr Unternehmen darüber nach, IT-Aufgaben, die nicht zu ihren Kernkompetenzen gehören, von IT-Dienstleistern betreiben zu lassen", erklärt Scariot. Cloud Computing werde vor diesem Hintergrund zunehmend an Bedeutung gewinnen, sind die Materna-Manager überzeugt und treiben die Entwicklung eigener Cloud-Lösungen – insbesondere auf Basis von HP-Software – voran. Im Rahmen eines Pilotprojektes hat Materna beispielsweise eine Cloud-Anwendungen für das Management von Trainingszentren aufgesetzt. Der Kunde – ein mittelständischer Schulungsanbieter – wird dadurch in die Lage versetzt, die komplette IT-Ausstattung in den Trainingsräumen weitestgehend automatisiert stets neu für die unterschiedlichen Schulungseinheiten einzurichten.

Per Cloud-Service will Hewlett-Packard der mittelständischen Kundschaft ab sofort auch Last- und Performance-Tests zur Verfügung stellen: die neue Anwendung HP LoadRunner startet zunächst noch als kostenlose Betaversion in den USA, soll im weiteren Verlauf dann aber weltweit über Amazons Elastic Compute Cloud (Amazon EC2) für Belastungstests von Applikationen und Websites parat stehen. In der paketierten Bereitstellung von kompletten Lösungen sieht auch Ralph Gillessen von der SQS Software Quality Systems AG den bevorzugten Weg, um insbesondere Kunden aus dem Mittelstand zu erreichen. Die auf Software-Test- und Qualitätsmanagement-Dienstleistungen spezialisierte Unternehmensberatung ist zwar primär auf Großkonzerne wie beispielsweise Allianz, die Deutsche Telekom oder Volkswagen fokussiert, "wir sehen aber auch in mittelständischen Unternehmen eine wachsende Nachfrage – getrieben von den Bemühungen um eine höhere Wertschöpfung", erläutert Gillessen, der als Mitglied der SQS-Geschäftsleitung unter anderem für den Vertrieb im deutschsprachigen Raum verantwortlich zeichnet.

"Komplettanbieter werden sich durchsetzen"; Joerg Limberg, Director HP Software & Solutions

"Kein CIO trifft Entscheidungen, die nicht aus Sicht des Business gerechtfertigt werden können", konstatiert Renee Knee, Vice President & General Manager, HP Commercial Sales & Growth Initiatives, und beruft sich dabei auf ihre persönliche Erfahrung aus der Vergangenheit als CIO beim Bekleidungsanbieter Gap. Um mittelständische Kunden erfolgreich für neue IT-Projekte gewinnen zu können, müssen HP und seine Partner Lösungen offerieren können, die dem Kunden eine Reduktion seiner Kosten verschaffen und zudem mittel- bis langfristig einen Beitrag zum Wachstum des Unternehmens leisten. "Diese Anforderungen werden über kurz oder lang nur Anbieter erfüllen, die dem Kunden alles aus einer Hand bieten können – Hardware, Software und Services", ist Joerg Limberg überzeugt, der erst im April den Chef-Posten bei HP Software & Solutions in Deutschland übernommen hat.

Bei den, grob geschätzt, rund 1600 MSE hierzulande ist jedoch auch spezifisches Know-how gefragt: "Hier kommen dann unsere Partner mit ihrer Branchen- und Lösungskompetenz ins Spiel", erläutert Limberg. So wie etwa im Fall von SQS, die als langjähriger Partner von Mercury Interactive seit der Übernahme durch HP in den Channel des Herstellers gerückt sind und nun neben Partnern wie Computacenter, insotec Software & Consulting, IT unlimited, msg Systems, NetAge Solution oder der sd&m AG zur exklusiven Business Class für das MSE-Geschäft gehören. Während HP noch vor zwei Jahren gut die Hälfte dieses Geschäftes direkt abgewickelt hat, kletterte der Channel-Anteil 2009 hierzulande schon auf 85 Prozent, wie Limberg betont. Erklärtes Ziel ist es aber, über 90 Prozent auf die Partner zu verlagern. "Dazu braucht es klare Spielregeln in der Zusammenarbeit", unterstreicht der HP-Software-Chef, "auf Exklusivität in der Partnerschaft bestehen wir jedoch nicht." Eine gewisse Unabhängigkeit im Hinblick auf ihr Portfolio behalten sich auch die Partner vor: "In der Positionierung beim Kunden kommt es darauf an, dass wir unsere Kompetenzen, Stärken und Mehrwerte klar herausstellen, um im Projekt dann auch den Zuschlag zu erhalten", erklärt Materna-Manager Scariot. Dabei will der IT-Dienstleister auch nicht auf die Freiheit und Flexibilität verzichten, Produkte und Services verschiedener Anbieter offerieren zu können. (map)