Enthaltung aus Deutschland: EU-Rat verschiebt​ Lieferkettengesetz-Abstimmung

Eigentlich gab es beim EU-Lieferkettengesetz schon eine Einigung. Doch Widerstand aus der FDP bringt die Nachhaltigkeitsrichtlinie ins Wanken.

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(Bild: Travel mania/Shutterstock.com)

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Die für den heutigen Freitag geplante Abstimmung der EU-Länder über das europäische Lieferkettengesetz ist auf einen noch unbestimmten Termin verschoben worden. Das teilte die belgische EU-Ratspräsidentschaft mit. Wesentlicher Faktor für die Verschiebung dürfte sein, dass Deutschland bereits vorher angekündigt hatte, sich in der Abstimmung zu enthalten. Das hatte eine Mehrheit für den zuvor von Unterhändlern ausgehandelten Kompromiss fraglich gemacht.

Hinter der angekündigten Enthaltung der Bundesregierung steht der Widerstand FDP-geführter Ministerien gegen das Vorhaben. Vor einer Woche hatten sich die Ministerien für Justiz und für Finanzen gegen die Pläne gestellt und damit auch innerhalb der Ampel-Koalition für Streit gesorgt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatten Nachteile für Deutschland als Grund für ihren Widerstand angeführt.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte die FDP laut Bericht der dpa deutlich, Deutschlands Verlässlichkeit in der EU stehe auf dem Spiel. "Wenn wir unser einmal in Brüssel gegebenes Wort brechen, verspielen wir Vertrauen", sagte Baerbock. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte, er habe bis zum Schluss Kompromiss- und Lösungsvorschläge gemacht, aber die Freidemokraten seien nicht bereit gewesen, diesen Lösungsweg mitzugehen. Heil warf dem Koalitionspartner eine "ideologisch motivierte Blockade" vor.

Im Dezember hatten sich Unterhändler des EU-Parlaments, des Ministerrats und der Kommission auf den Entwurf des Lieferkettengesetzes verständigt. Die neue Nachhaltigkeits-Richtlinie soll große Unternehmen verpflichten, ihre negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt wie Kinderarbeit, Sklaverei, Arbeitsausbeutung, Umweltverschmutzung, übermäßigen Wasserverbrauch oder die Schädigung von Ökosystemen abzumildern.

Deutschland hat zwar bereits ein Lieferkettengesetz, das EU-Vorhaben geht aber über die deutschen Vorgaben hinaus. So gilt es für mehr Unternehmen und sieht mehr Möglichkeiten vor, rechtlich gegen Unternehmen vorzugehen, die sich nicht an die Vorgaben halten. Das EU-Gesetz würde prinzipiell für EU-Unternehmen und deren Muttergesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem weltweiten Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro gelten. Auf Drängen des EU-Parlaments wurden auch Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro aufgenommen, wenn mindestens die Hälfte davon in Branchen wie Textil, Land- und Forstwirtschaft, Gewinnung und Großhandel mit Bodenschätzen oder Herstellung verwandter Produkte oder im Bauwesen erzielt.

Aufsichtsbehörden sollen mit dem Gesetz in der Lage sein, Untersuchungen einzuleiten und Sanktionen gegen Firmen zu verhängen, die sich nicht an die Vorschriften halten. Geldstrafen von bis zu 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes und das öffentliche Anprangern unfairer Geschäftspraktiken seien möglich. Unternehmen könnten auch für die Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten haftbar gemacht werden und ihre Opfer Anspruch auf Schadensersatz erhalten. Die Einhaltung der Vorgaben kann ferner als Teil der Vergabekriterien für öffentliche Aufträge herangezogen werden.

Inwieweit es nun nach der Verschiebung noch zu Änderungen an dem Gesetz kommt oder ob sich die Ampel-Koalition doch noch auf eine Zustimmung einigen kann, bleibt abzuwarten. Die FDP betonte jedenfalls, mit ihrer Kritik nicht allein zu sein und forderte Änderungen. Parteichef Christian Lindner schrieb auf der Plattform X, das Lieferkettengesetz würde Betriebe ohne sicheren Fortschritt für Menschenrechte und Umwelt stark belasten. "Die (lange bekannten) Anforderungen der Bundesregierung wurden nicht erfüllt. Und Deutschland ist offensichtlich mit seinen Bedenken alles andere als allein."

Wirtschaftsvertreter begrüßten ebenfalls, dass das Lieferkettengesetz nicht verabschiedet wurde. Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen erklärte, die Ziele seien zwar unbestritten richtig, die Richtlinie sei trotz richtiger Ziele handwerklich schlecht: "Der deutsche Mittelstand ertrinkt auch ohne zusätzliche Belastungen aus Brüssel in Berichtspflichten und einer Flut von Fragebögen." Der Zentralverband des deutschen Handwerks betonte, das Gesetz bedeute "zusätzliche ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Belastungen für die ohnehin von Bürokratie überbordend belasteten Betriebe" und dürfe in der jetzigen Fassung nicht verabschiedet werden.

(axk)