Innenministerium kürzt Budget für Online-Amtswege um 99 Prozent

​Die Mittel für digitale Verwaltungsdienstleistungen sollen um 99% gekürzt werden. Was wird aus der Wende beim E-Government?

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Mehrere große Tresorschließfächer, wovon einige geöffnet und leer sind

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Kaum noch Geld soll es für die Digitalisierung staatlicher Dienstleistungen geben, geht es nach dem Entwurf der Bundesregierung für den "Sparhaushalt" 2024. Er sieht laut einem FAZ-Bericht lediglich 3,3 Millionen Euro beim Bundesinnenministerium für die weitere Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) vor, das Amtswege online bringen soll. 2023 waren es noch 377 Millionen Euro. Das wäre also eine Kürzung von mehr als 99 Prozent.

Die hiesigen Ämter sind längst in Verzug: Eigentlich sah das OZG vor, dass 575 Leistungsbündel Ende 2022 flächendeckend online bereitgestellt sind. Letztlich wurden es nur 33.

Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Onlinezugangsgesetz 2.0, wofür die Länder und die Wirtschaft Druck machen. Angesichts der schlechten Erfahrungen will das zuständige Bundesinnenministerium (BMI) auf "Nachfristen" verzichten, um die Daueraufgabe der Bereitstellung eines elektronischen Zugangs zu Verwaltungsleistungen nicht zu konterkarieren. Geht es nach der FDP-Bundestagsfraktion, sollen Bürger einen mit Zeitvorgaben unterfütterten "Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen" erhalten. Für ein erfolgreiches neues OZG halten die Liberalen zudem digitale Identitäten unabdingbar. Barrieren bei der Nutzung der elektronischen Identifizierungsfunktion (eID) im Ausweis müssten abgebaut werden.

Doch auch hier setzt das BMI laut FAZ den Rotstift an. Das liegt wohl an allgemeinen Sparvorgaben, obwohl die Regierung Online-Identitäten in ihrer Digitalstrategie eine Hebelwirkung bei der geplanten Aufholjagd zuweist. Das Budget für die eID soll von 60 auf 40 Millionen Euro schrumpfen. Für die Registermodernisierung sind nach knapp 83 Millionen Euro in diesem Jahr 2024 nur noch etwa 70 Millionen Euro vorgesehen.

Ann Cathrin Riedel vom liberalen netzpolitischen Verein Load befürchtet, dass ausbleibende Investitionen die Handlungsfähigkeit des Staates massiv beeinträchtigen könnten. Schleswig-Holstein soll schon Konsequenzen gezogen und die Vereinbarungen mit dem Bund zu mehreren OZG-Projekten, darunter das Wohngeld, gekündigt haben.

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"Mit Kleinstaaterei und Behäbigkeit wird Deutschland die digitale Transformation nicht schaffen", moniert auch Jan Oetjen, Geschäftsführer von GMX und Web.de sowie Stiftungsratsvorsitzender der European netID Foundation. "Die Unternehmen müssen ihre Endkundenkommunikation digitalisieren, gleichzeitig muss der Staat seine Verwaltungsprozesse papierlos gestalten." Vielfach gebe es dafür schon die benötigten Standards, die endlich durchgesetzt werden müssten. Ganz schwarz sieht Oetjen daher nicht: "Bei konsequentem Pragmatismus lässt sich die Digitalisierung auch mit leicht verringerten Budgets erreichen."

Das Bundesfinanzministerium verwies gegenüber der FAZ darauf, dass die einzelnen Ressorts grundsätzlich frei darin seien, fachpolitische Prioritäten zu setzen. Das BMI habe bestätigt, 2024 keine neuen Mittel für das OZG vorzusehen. Stattdessen nutze es "Ausgabereste". Anfang Juli hieß es bei dem Ressort, für den Bereich Digitalisierung und moderne Verwaltung würden rund 681 Millionen Euro veranschlagt. Mehr Finanzmittel gebe es etwa für die föderale IT-Kooperation, den Registerzensus sowie das Zentrum für Digitale Souveränität. Höchste Priorität genieße der Schutz der inneren Sicherheit.

Der Digitalexperte der FDP-Fraktion, Maximilian Funke-Kaiser, erklärte: "Mehr Geld bedeutet nicht zwingend mehr Output. Wichtig sind die Hebelprojekte der Digitalstrategie. Die sind ausreichend finanziert."

(ds)