Heftige Proteste gegen geplante Jugendschutzrichtlinien

Die Kommission für Jugendmedienschutz sorgt nach Ansicht von Verbänden mit neuen Vorgaben für Rundfunksender und Mediendienste im Internet für Rechtsunsicherheit und könnte einer weiteren Abmahnwelle Tür und Tor öffnen.

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Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) stößt mit neue Vorgaben für Rundfunksender und Mediendienste im Internet größtenteils auf Ablehnung bei den Betroffenen. Mit dem Entwurf (PDF) für "gemeinsame Richtlinien der Landesmedienanstalten zur Gewährleistung des Schutzes der Menschenwürde und des Jugendschutzes" schießt das noch junge Aufsichtsgremium nach Ansicht von Kritikern weit über den selbst schon umstrittenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) hinaus. Dieser soll die Basis für die im Raum stehenden Bestimmungen bilden. Die Folge wäre laut Wirtschaftsverbänden eine enorme Rechtsunsicherheit im Markt sowie die Behinderung zahlreicher Online-Geschäftsmodelle.

Die Kritik von Verbänden wie dem Bitkom und Einrichtungen wie der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) bezieht sich schwerpunktmäßig auf die geplanten Vorschriften für "Telemedien". Der Bitkom bemängelt hier allgemein eine bevorstehende "undifferenzierte, unangemessene Ausdehnung starrer Rundfunkregelungen auf die neuen Medien". Insbesondere Formulierungen, die schon im Rundfunkbereich zu weit geraten waren, sollten seiner Ansicht nach eher korrigiert als unverändert übernommen werden. So stößt sich der Verband in seiner Stellungnahme (PDF) schon in der Präambel der Richtlinien daran, dass diese "generell die Verantwortlichkeit einschließlich einer scheinbaren Prüfungspflicht aller Telemedienanbieter für die Gewährleistung des Jugendschutzes" erklärt. Dabei werde entgegen der übrigen Gesetzeslage nicht einmal zwischen Tele- und Mediendiensten beziehungsweise zwischen Content-, Host- und Zugangsprovidern und deren unterschiedlichen Verantwortungsstufen unterschieden.

Im Einzelnen stößt dem Bitkom unter anderem sauer auf, dass Telemedienanbieter künftig etwa über ihr Impressum den Namen des Jugendschutzbeauftragten benennen sollen, den sie gemäß den weitgehenden Vorgaben im JMStV zu berufen haben. Der Branchenverband fürchtet, dass damit "fast jede noch so nüchterne Firmen- oder auch Behördenwebseite und jede private Homepage mit Urlaubsfotos einen Jugendschutzbeauftragten namentlich benennen" müsste. Dies sei nicht nur datenschutzrechtlich heikel, sondern würde der Erfahrung nach -- wie bei jeder Impressumspflicht -- auch eine "missbräuchliche Abmahnwelle" auslösen. Die Vorschrift sei zu streichen.

Für nicht praktikabel hält der Bitkom ferner eine geplante Regelung, die eine Kennzeichnung von Telemedien mit einem Signet für die Altersfreigabe analog zu den Etiketten der FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) oder der USK (Unterhaltungssoftware SelbstKontrolle) im Spielebereich vorsieht. Diese Vorschrift wäre laut Bitkom "in ihrer Pauschalität technisch nicht mit zumutbarem Aufwand umsetzbar." Angesichts der geringen graphischen Auflösung auf Webseiten dürfte etwa ein mit integrierter Text schon kaum lesbar sein. Große Schwierigkeiten dürften sich auch bei der Darstellung der Logos auf mobilen Endgeräten ergeben.

Zu strikt sind der Wirtschaft auch Vorschriften, mit denen nur auf Erwachsene zugeschnittene Angebote vor Kindern und Jugendlichen zu schützen sind. Für eine Volljährigkeitsprüfung, die vor einer Freischaltung zu erfolgen hat, verlangt die KJM "die persönliche Identifizierung von natürlichen Personen". Dazu erforderlich sein soll "ein persönlicher Kontakt ("face-to-face-Kontrolle") mit Vergleich von amtlichen Ausweisdaten". Der Bitkom verweist jedoch darauf, dass eine Identifizierung "auch im Rahmen einer persönlichen Kenntnis infolge eines bestehenden Kundenverhältnisses erfolgen" können sollte.

Der Verband schlägt weiter vor, die Möglichkeit sicherer digitaler Identifizierungen ausdrücklich in die Richtlinien aufzunehmen. Schließlich sei etwa die Einführung eines Personalausweises mit digitalen Signaturfunktionen bereits für 2007 geplant. Die FSM erachtet auch den Einsatz von System für geeignet, die biometrische Daten enthalten. Grundsätzlich hält sie die Auswahl von Altersverifikationsverfahren für eine klassische Aufgabe der Selbstkontrolle, die einer staatlichen Regelung nicht bedarf.

Unisono stoßen sich Bitkom und FSM an einer Formulierung, der zufolge Jugendschutzprogramme in Form von Filtersystemen mit der Möglichkeit zur Einstellung verschiedener Altersstufen nicht nur "technisch wirksam", sondern auch "gesellschaftlich akzeptiert" sein müssen. Dies behindere nicht nur die Entwickler neuer Systeme, sondern stelle auch eine Umkehrung der durch den Gesetzgeber definierten Verantwortlichkeiten dar, so die Kritiker. Schließlich belasse der Staatsvertrag beim Einsatz von Filtern durch die Nutzer die Verantwortung letztlich bei den Eltern oder Erziehungsberechtigten.

Ansonsten sieht insbesondere die FSM eine Vielzahl weiterer Probleme etwa bei der Einbindung von Selbstkontrolleinrichtungen in die Überwachung der Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen und bei der Abgrenzung ausschlaggebender Begriffe wie dem der Schwere der Jugendgefährdung, des "Eindrucks eines sexuell anbietenden Verhaltens" oder von Pornografie. Auch bei der Behandlung "virtueller Wesen", also etwa bei der Darstellung von Figuren in Computerspielen, sieht die FSM noch Korrekturbedarf. So müsste etwa noch klargestellt werden, dass virtuelle Darstellungen lediglich "menschenähnlicher Wesen" nicht vom selben Verbotstatbestand für Gewaltszenen wie Menschen erfasst werden. Weiter moniert die FSM, dass der gesetzlich garantierte Vorrang der Meinungs- und Pressefreiheit vor den Belangen des Jugendmedienschutzes mit den Richtlinien teils wieder zurückgenommen würde.

Die KJM selbst hat Ende Januar eine Anhörung zu ihrem Entwurf durchgeführt und versprochen die geäußerten zahlreichen Bedenken angemessen zu berücksichtigen. Aus der Münchner Stabsstelle verlautbarte aber auch, dass man an vielen Punkten festhalten wolle. Am Dienstag in einer Woche sollen die Richtlinien gemeinsam mit Vertretern der Landesmedienanstalten noch einmal besprochen werden. Sollte dabei eine grundsätzliche Einigung erzielt werden, müssen die staatlichen Medienkontrolleure alle einzeln das Papier absegnen. Mit einem Inkrafttreten ist nicht vor dem Frühjahr zu rechnen. (Stefan Krempl) / (tol)