Hintergrund: Die Spendierhosen Microsofts

Microsoft hat in den letzten drei Jahren seine Zurückhaltung in der Politik aufgegeben und betreibt massive Lobbyarbeit.

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Von
  • Christian Rabanus

Hielt sich der Softwarekonzern Microsoft noch Mitte der neunziger Jahre mit Geld- und Sachspenden an politische Institutionen und Organisationen stark zurück, so ist er in den letzten Jahren zu einem der größten Spender in der US-amerikanischen Politik avanciert. Insgesamt gab er seit 1997 rund 16 Millionen US-Dollar für politische Lobbyarbeit aus. Dass der damals noch vollständig unter der Fuchtel von Bill Gates stehende Konzern gerade im Jahr 1997 die Spendierhosen anzog, ist kein Zufall: 1997 begannen die von der US-Regierung angestrengten Kartellverfahren gegen den Redmonder Software-Giganten.

Nach einer Untersuchung der Bürgerrechtsorganisation Common Cause ist Microsoft mit seinen Spenden an politische Initiativen und Lobbygruppen sowie an politische Parteien und einzelne Politiker, so genanntem "Soft money", zwischen dem 1. Januar 1999 und dem 30 Juni 2000 bereits auf Platz fünf der geberfreudigen Unternehmen und Organisationen vorgerückt. Spendete Microsoft in der Legislaturperiode 1991/1992 nur 18.750 US-Dollar, so waren es 1993/1994 42.741 US-Dollar und 1995/1996 schon 120.500 US-Dollar. In der Periode 1997/1998 ging das Spendenvolumen plötzlich auf über eine Million US-Dollar hoch. In der laufenden Periode 1999/2000 hat der Software-Hersteller bereits 2,3 Millionen springen lassen. Mehr als Microsoft geben beispielsweise der Tabakkonzern Philip Morris und der Telekommunikationskonzern AT&T. Scott Harshbarger, Präsident von Common Cause, kommentierte den Sinneswandel Microsofts mit den Worten, dass der Software-Gigant nun auch ein "Soft-money-Gigant" sei.

Nun ist es in den USA den Parteien verboten, Geld von Lobbygruppen oder Unternehmen für Wahlkampfzwecke einzusetzen. Unternehmen und von ihnen unterstützte Lobbygruppen haben aber natürlich ein Interesse daran, mit ihren Spenden Personalentscheidungen in der Politik zu beeinflussen. So laufen dann Werbekampagnen zugunsten bestimmter Personen oftmals nicht im Namen einer Partei, sondern im Namen einer Lobbygruppe.

Jüngstes Beispiel ist der Senatorenwahlkampf im US-Bundesstaat Michigan. Dort tritt gegen Senator Spencer Abraham von den Republikanern die demokratische Herausforderin Debbie Stabenow an. Stabenow wendet sich beispielsweise gegen einen Plan der Republikaner, die Befreiung von der Erbschaftssteuer zu erleichtern. Die Michigan Chamber of Commerce, eine Art Handelskammer, prangerte diese Haltung in einer Werbekampagne als wirtschaftsfeindlich an. Insider meinen zu wissen, dass Microsoft im August der Handelskammer in Michigan 250.000 US-Dollar zusteckte und mittlerweile noch weitere Gelder hat fließen lassen. Senator Abrahams Wiederwahl ist für die Republikaner sehr wichtig. Mehrheitsführer Trent Lott, der im Kartellprozess gegen Microsoft für den Softwarekonzern Partei ergriffen hatte, soll unter anderem den Windows-Hersteller bedrängt haben, seinen Parteifreund zu unterstützen. Auch als Vorsitzender des Unterausschusses für Einwanderung ist Abraham für High-Tech-Unternehmen wichtig: Die kürzlich verabschiedete Genehmigung, 50.000 Greencards auszustellen, geht nicht zuletzt auf die Arbeit von Abraham zurück.

Aber auch Stabenow steht nicht allein da: Während Republikaner vor allem von der Industrie unterstützt werden, können sich Demokraten über großzügige Spenden der amerikanischen Gewerkschaften freuen. So unterstützten beispielsweise die Communication Workers of America (CWA), eine High-Tech-Gewerkschaft in den USA, die demokratische Partei im Jahr 1999 mit rund 2,6 Millionen US-Dollar und war damit zweitgrößter Geldgeber für die gegenwärtige Regierungspartei.

Während die Gewerkschaften nur die Demokraten unterstützen, gehen die Unternehmen immer stärker dazu über, Politiker jeglicher Couleur finanziell unter die Arme zu greifen, wenn es den eigenen Interessen dienlich ist. Nach der Aussage von Microsoft-Sprecher Rick Miller unterstützt der Konzern die Parteien nach einer 60/40-Strategie: "60 Prozent für die Mehrheitspartei, 40 Prozent für die Minderheit." Vor allem in letzter Zeit gibt Microsoft verstärkt auch an Demokraten Geldspenden – was sicherlich nicht zuletzt mit dem Kopf-an-Kopf-Rennen im US-Präsidentschaftswahlkampf zu tun hat. Nur auf das falsche Pferd gesetzt zu haben, will sich auch Microsoft nicht leisten. Während sich der Konzern erklärterweise eine republikanisch geführten Regierung unter George Bush jr. wünscht, unterhält er auch Kontakte zu dem Wahlkampfteam des US-Vizepräsidenten und demokratischen Präsidentschaftskandidaten Al Gore.

Allerdings ruft die Verquickung von Industrie und Politik auch in den USA zunehmend Unmut hervor – und zwar auch aus Wirtschaftskreisen. Nach Aussage Harshbargers gehören zu den Kritikern eines zu einflussreichen Lobbyings auch die Investorlegende Warren Buffett und industrienahe Verbände wie die Campaign for America und das Committee for Economic Development (CED). Harshbarger ist überzeugt davon, dass bei einer Bündelung aller reformwilligen Kräfte der Einfluss der Lobbygruppen auf die Politik zurückgedrängt werden kann. Microsofts Versuche der Einflussnahme könnten dann "so obsolet gemacht werden wie Windows 95". (chr)