Hü und Hott bei Sicherheitstechnik fürs Pfandsystem

Das von der Bundesdruckerei federführend entwickelte UV-Sicherheitsverfahren für das Einwegpfandsystem ist aus dem Rennen; in Herstellerkreisen und bei Verbänden wertet man das Scheitern des UV-Verfahrens als erneuten Anlauf, das Pfand zu demontieren.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Die Deutsche Pfandsystem GmbH (DPG) hat sich gegen das von der Bundesdruckerei federführend entwickelte UV-Sicherheitsverfahren entschieden, das für das im Mai 2006 kommende Einwegpfandsystem getestet wurde. Dies werden noch am heutigen Freitag DPG und Bundesdruckerei in getrennten Pressemitteilungen bekannt geben, nachdem beide sich zu keiner einheitlichen Sprachregelung durchringen konnten. Die DPG will nun, wie heise online bereits berichtete, auf das nach Angaben von Herstellerkreisen noch wesentlich unsicherere Infrarot-Sicherheitsverfahren setzen. Beschlossen wurde dies bereits am 29. November in der Lenkungsgruppe der DPG.

Ab dem 1. Mai 2006 muss jeder Laden, der Getränke in Dosen oder Einwegflaschen aus Kunststoff oder Glas verkauft, alle pfandpflichtigen Verpackungen zurücknehmen. Ausgenommen sind Packungen für Milch, Säfte und Wein. Je Dose oder Flasche bekommen die Kunden 25 Cent ausgezahlt. Eine hochkomplexe Infrastruktur soll dafür sorgen, dass die Auszahlungen korrekt zugeordnet werden können. Sie soll nach Schätzung des Einzelhandels bis zu 1,5 Milliarden Euro kosten. Dafür schloss die DPG bereits im Juli einen Vorvertrag mit der Bundesdruckerei als Generalunternehmerin für ein Sicherheitsverfahren ab. Das System der Bundesdruckerei baut auf der Erkennung einer UV-Sicherheitsfarbe auf, die auf die Verpackungen gedruckt wird.

Weltweit werden derzeit rund dreißig Einwegpfandysteme eingesetzt. Das einzige, das auch Sicherheitstechnik einsetzt, ist seit 2003 das dänische Rücknahmesystem. Es arbeitet mit Infrarot-Farbe. Auch die DPG besteht auf der Sicherheitstechnik auf Grund des angeblich hohen Betrugspotenzials – ein System ohne Sicherheitstechnik kam nie in Frage. Das UV-Sicherheitssystem hatten Lidl-Mitarbeiter in einem Feldtest mit fluoreszierender Farbe überlistet – doch dies war nur eine Frage der Zeit, da die Teilnehmer des Feldtests mit den technischen Spezifika vertraut waren. Ergebnisse der von der DPG geforderten Nachbesserung durch die Bundesdruckerei wurden nicht bekannt.

Der ungleich sicherere elektromagnetische Mikrofaden hingegen hatte nie eine Chance. Der haarfeine, nahezu unzerreißbare Mikrofaden besteht aus einer Legierungsseele aus fünf Metallen. Er ist gegen chemische Einflüsse resistent, da er mit Glas ummantelt ist. Bei gewissen Legierungszusammensetzungen und einem gesteuerten Abkühlprozess nimmt er individuelle Eigenschaften an. Diesen Eigenschaften werden elektromagnetische Kennungen zugeteilt, die wiederum einem Hersteller oder einem Gegenstand zugeordnet werden können. Damit kann ein Auslesegerät feststellen, ob der Faden, und damit das Papier, in der Basis- oder Endversion echt ist. Die elektromagnetischen Kennungen lassen sich nicht "hacken", da sie während der Produktion festgelegt werden. In einer vergleichenden Auswertung nach der von der Harvard Business School entworfenen "Critical Success Factor"-Analyse schneidet der Mikrofaden sogar am besten ab. Untersucht wurden sieben Bereiche wie Label, Hardware, Umfeld, Handling, Logistik, Betrugserkennung und Kommunikation. Verfahren, die sich in der Praxis bewähren sollen, müssen mindestens 70 Prozent erreichen. Der Mikrofaden erreichte 94,5 Prozent – die optische Farberkennung hingegen nur 25 Prozent.

In Herstellerkreisen und bei Verbänden wertet man das Scheitern des UV-Verfahrens als erneuten Anlauf, das Pfand zu demontieren. Das "Scheitern" des Sicherheitsverfahrens zeige, dass das Pfand nicht organisierbar sei. Günther Gunder vom Verband des Getränkefachgroßhandels sagte heise online: "Dies zeigt, dass die Diskussion in Deutschland politisch und nicht sachorientiert ist. Das Scheitern soll der Politik signalisieren, dass man längere Umsetzungsfristen brauche – oder die Sache gar ganz in Frage stellen." Roland Demleitner, Geschäftsführer des Bundesverbandes mittelständischer Privatbrauereien als stärkster Interessensverband der Brauereiwirtschaft erklärte: "Was wir erleben, ist ein erneuter Versuch, die gesetzlichen Regelungen erneut in die Diskussion zu bringen, um letztendlich zu versuchen, sie zu unterlaufen. Es gibt überhaupt keinen sachlichen Grund vom jetzt bestehenden gesetzlichen Rahmen abzuweichen. Es ist ein Popanz, der aufgebaut wird. Es ist zu bestreiten, ob man das Sicherheitssystem überhaupt braucht."

Die Verpackungsverordnung ist seit 1991 in Kraft. Seit 2001 wusste man, dass die Pfandpflicht kommt. Demleitner kommentierte: "Es gab also vier Jahre Zeit, sich auf die Situation einzustellen und vielfältig angebotene technische Möglichkeiten umzusetzen. Wenn man die Zeit verstreichen lässt, ist das ein Zeichen für Unfähigkeit oder Bösartigkeit. Hier merkt man, dass Leute am Zuge sind, die diese Regelungen angeblich nicht umsetzen können. Das entspricht angesichts des technischen Standards in Deutschland nicht der Realität."

Die Zeichen für eine Pfand-Demontage stehen gut: Der neue Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hatte schon als niedersächsischer Ministerpräsident das Pfand abgelehnt. Nun könnte er eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen anstoßen. Schon während der Koalitionsvereinbarungen soll die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Stimmung gegen das Pfand gemacht haben. Danach soll auch der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels HDE in einem Brief an das Bundeswirtschaftsministerium die Abschaffung gefordert haben. Nach der heutigen Bekanntmachung dürften noch mehr Gewerkschaften und Verbände aus der Deckung kommen. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (jk)