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ICRA: Roboterwettbewerbe im Keller versteckt

Hans-Arthur Marsiske

Zur Konferenz International Conference on Robotics and Automation in Karlsruhe finden auch vier Roboterwettbewerbe statt.

Im Rahmen der Roboterkonferenz ICRA [1] (International Conference on Robotics and Automation), die noch bis Freitag in Karlsruhe stattfindet, sind auch vier Roboterwettbewerbe [2] angekündigt. Allerdings wird ihnen von den Veranstaltern offenbar keine große Bedeutung eingeräumt: Weder Zeiten noch Orte der Veranstaltungen lassen sich über die Homepage in Erfahrung bringen. Lediglich von der DARwin-OP Humanoid Application Challenge [3] findet sich nach einigen Klicks immerhin ein Zeitplan. Er bestätigt den ersten Eindruck: Der Wettbewerb beginnt ausgerechnet, während im großen Brahms-Saal des Kongresszentrums Yasuo Kuniyoshi in einem Plenarvortrag über die Grundlagen menschlicher Intelligenz spricht. Deutlicher lassen sich die Wettbewerbe kaum ins Abseits manövrieren.

Schade, denn nirgendwo lässt sich der Entwicklungsstand der Robotik besser einschätzen, als wenn Forschungsteams zu einem festgelegten Zeitpunkt unter für alle gleichen Bedingungen zeigen, wozu ihre Roboter fähig sind. Im Wettbewerb für den humanoiden Roboter DARwin war es den Teams weitgehend freigestellt, was sie vorführen wollen. So hat das Team Snobots [4] von der University of Manitoba ihren DARwin so programmiert, das er auf einem Brett, das auf einem rollenden Zylinder liegt, die Balance hält. "Dafür war es erforderlich, mit Vorhersagen zu arbeiten", sagt Teamleiter Jacky Baltes. "Mit Feedback-Informationen von den Sensoren allein wäre der Roboter zu langsam."

ICRA: Roboterwettbewerbe im Keller versteckt (0 Bilder) [5]

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Die Bowlers [7] von der Purdue University dagegen haben ihrem Roboter Bowling beigebracht. Für den Einsatz im richtigen Bowling-Zentrum reicht das natürlich noch nicht, da der DARwin kaum größer ist als eine Original-Bowlingkugel. Aber bei einem Test mit kleinen Kegeln war zu sehen, wie der Roboter den ebenfalls kleinen Ball greift und in die richtige Richtung rollt. Es fiel zwar kein Kegel um, aber das ist bei dem auf DARwins Körperkraft abgestimmten leichten Ball auch kaum zu erwarten.

Mit einem witzigen Video [8] stellt sich das Team Angry DARWIn vom Georgia Institute of Technology vor: Da wird eine junge Frau nachts von seltsamen Geräuschen geweckt. Es ist aber kein Einbrecher ins Haus eingedrungen. Vielmehr probiert der Roboter ein Videospiel aus, das er tagsüber am Tablet-PC gelernt hat. Am Nachmittag will das Team zeigen, wie gut DARwin wirklich lernen kann – rechtzeitig, bevor der zweite Plenarvortrag, diesmal von Rodney Brooks, wieder die Aufmerksamkeit der Konferenzteilnehmer auf sich zieht.

Der Saal dürfte voll werden, immerhin verspricht Brooks mit seiner neuen Firma Rethinking Robotics und dem vor wenigen Monaten präsentierten zweiarmigen Roboter Baxter die Industrierobotik neu zu definieren. Wer keinen Platz mehr findet, kann dem Vortrag aber auch im Internet [9] folgen, wo alle Plenarvorträge (jeweils um 10.30 und 16.00 Uhr) übertragen werden.

Brooks war in den 1980er-Jahren einer der Vorreiter des Ansatzes, dass Intelligenz einen Körper braucht und künstliche Intelligenz daher nur über die Konstruktion von Robotern erzeugt werden kann, die sich in einer realen Umgebung behaupten müssen. Yasuo Kuniyoshi (University of Tokyo) hat diesen Gedanken, der inzwischen auch als "embodied intelligence" bezeichnet wird, in seinem Vormittagsvortrag noch weiter getrieben: Wenn man das Zusammenspiel von Geist und Körper wirklich verstehen wolle, so Kuniyoshi, müsse man im Mutterleib beginnen. Mit eindrucksvollen Videoaufnahmen konnte er zeigen, wie bei einem menschlichen Fötus aus unkoordinierten Armbewegungen nach etwa 26 Wochen koordinierte Bewegungen werden und das Kind einige Wochen später das eigene Gesicht berührt. In der Simulation ließ sich diese Entwicklung reproduzieren, wenn sich die taktilen Sensoren ähnlich wie beim Menschen in Händen und Gesicht konzentrierten. "Der Körper formt das Gehirn", sagt Kuniyoshi. "Eine Karte vom eigenen Körper ist die Grundlage für alle höheren kognitiven Funktionen."

Mit seinen Forschungen hofft Kuniyoshi zu einem besseren Verständnis psychischer Störungen wie den seit einigen Jahren zunehmenden autistischen Erkrankungen zu gelangen. Im einem fünfjährigen Forschungsprojekt sollen Ingenieure mit Humanwissenschaftlern und Betroffenen zusammenwirken. Letztere, die in Japan als "Tojisha Kenkyu" bezeichnet werden, können insbesondere durch die genaue Beobachtung ihrer internen Zustände viel dazu beitragen.

Neben solchen grundlegenden Fragen geht es auf der ICRA natürlich auch um profane, aber gelegentlich auch recht verblüffende Anwendungen. So stellten etwa Forscher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) den IkeaBot vor. Dabei handelt es sich um zwei youBots, die im Video [10] gemeinsam einen Ikea-Tisch montieren. Einer der Roboter ist dafür mit einem speziellen Werkzeug ausgestattet, das es ermöglicht, das Tischbein in die Platte zu drehen.

Ob sich die MIT-Wissenschaftler damit auch um den KUKA Innovation in Mobile Manipulation Award [11] beworben haben, war nicht zu erfahren. Der Wettbewerb, mit dem nach Apps für mobile Roboter gesucht wird, war bereits im vergangenen Herbst angekündigt worden [12], musste wegen ungeklärter rechtlicher Fragen aber zunächst verschoben werden. Nun hätten die Erfinder des IkeaBots also noch bis 15. Juni 2013 Gelegenheit, sich um das Preisgeld von 20.000 Euro zu bewerben. Die von einer Jury ausgewählten Finalisten sollen ihre Ergebnisse dann im Jahr 2014 auf der Robotikmesse Automatica präsentieren – aber wohl kaum versteckt im Keller wie die Wettbewerbe auf der ICRA. (anw [13])


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[1] http://www.icra2013.org
[2] http://www.icra2013.org/?page_id=116
[3] http://robotsource.org/bs/bd.php?bt=forum_Darwin&bt_id=618
[4] http://www.youtube.com/watch?v=f0Yr-VwPaIQ
[5] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_1859416.html?back=1859395;back=1859395
[6] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_1859416.html?back=1859395;back=1859395
[7] http://www.youtube.com/watch?v=UyHTnh4xdlw
[8] http://www.youtube.com/watch?v=eCKInnYDB2E
[9] http://techtalks.tv/events/300/live/
[10] http://www.youtube.com/watch?v=B9sYogRVF8Q
[11] http://www.kuka-labs.com/en/innovationaward
[12] https://www.heise.de/news/IROS-Job-Perspektiven-fuer-Serviceroboter-1727277.html
[13] mailto:anw@heise.de