IGF: Guterres und Merkel warnen vor Spaltung des Netzes

UN-Generalsekretär Antonio Guterres und Bundeskanzlerin Angela Merkel rufen zur Eröffnung des Internet Governance Forum zu Geschlossenheit auf.

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IGF: Guterres und Merkel warnen vor Spaltung des Netzes

Angela Merkel spricht zur Eröffnung des IGF 2019 in Berlin.

(Bild: igf2019.berlin)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Antonio Guterres und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben zur Eröffnung des 14. Internet Governance Forum (IGF) vor einem Auseinanderbrechen des globalen Netzes gewarnt. In Anspielung auf das Motto des von der Bundesregierung ausgerichteten IGF, "One net, one world, one vision", sagte Guterres, er sei sich angesichts der aktuellen politischen Lage alles andere als sicher, "dass wir in der Zukunft tatsächlich in einem einheitlichen globalen Netz leben werden". Guterres kündigte in seiner Rede die Berufung eines Cyberbotschafters der UN an.

Guterres sprach in seiner Rede in Berlin von mehreren Bruchlinien der Informationsgesellschaft. 3,6 Milliarden Menschen seien nach wie vor ausgeschlossen von der Teilhabe an der Informationsgesellschaft. In den 47 ärmsten Ländern der Welt seien noch 80 Prozent der Bevölkerung offline und die Unterschiede zwischen Männern und Frauen als Akteure in der digitalen Wirtschaft ließen zu wünschen übrig. Gegen diese digitale Kluft setzen die UN auf Projekte wie das von der UNICEF betriebene Projekt GIGA, das bis 2030 weltweit jede einzelne Schule ans Netz bringen soll.

Komplexere Antworten verlange die zweite Kluft, die Spaltung der Gesellschaft durch gezieltes Profiling, Hasspropaganda und Echo-Kammern im Netz. Dringend müssten Antworten auf den Einfluss von kaum regulierten sozialen Medien auf die Menschen, den politischen Diskurs und die Gesellschaft gefunden werden. Obwohl er an das Netz als eine Kraft des Guten glaube, könne etwa KI dazu genutzt werden, Wahlen zu manipulieren, Menschenrechtsaktivisten zu verfolgen und die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken, meinte Guterres.

Ein Problem ist laut dem UN-Generalsekretär, dass Politik und Gesetzgebung hinter dem technischen Fortschritt hinterherhinken. Der private Sektor stürme in der technischen Entwicklung nach dem Trial-and-Error-Prinzip voran. Gesetzgebern, selbst in den Industriestaaten, fehle es aber an technischer Expertise und sie zögerten damit, Regeln zu verabschieden. "Wir haben nicht Schritt gehalten", sagte Guterres.

Merkel sprach sich in ihrer Rede klar für "Leitplanken" für die technische Entwicklung aus: "Bei weitem nicht alles, was machbar ist, ist auch ethisch wünschenswert, gerade bei der Künstlichen Intelligenz. Wir müssen darüber sprechen, was wir wollen, aber auch darüber, was wir nicht wollen." Allerdings diskutiere "die Community" die letzte Frage deutlich weniger gern als die, was alles Tolles machbar ist. Merkel erklärte, dass es eines breiteren Dialogs zum Thema Digitalisierung und Netzpolitik bedürfe.

Die von Deutschland auf dem G20 initiierten Gespräche zu globalen Netzstandards wären ohne Einbeziehung von Wirtschaft und Zivilgesellschaft nicht möglich gewesen. "Allein als Regierungen hätten wir es nicht geschafft", sagte Merkel. In der Digitalpolitik gehe es um Grundsatzfragen, "die jeden einzelnen von uns betreffen. Daher brauchen wir den Multi-Stakeholder-Ansatz, wie es so schön heißt." Der klassische Multi-Lateralismus der UN reiche nicht mehr aus. Deutschland unterstütze daher auch die von Guterres unter anderem mit der Einberufung des Cyberbotschafters gestarteten Reformen in der UN-Digitalpolitik, in deren Zug auch das IGF erneuert werden soll.

Merkel und Guterres sprachen unisono von der Spaltung des Netzes als globales Kommunikationsmedium als der bedenklichsten aktuellen Entwicklung. Zum Ausdruck kommt die Entwicklung in virtuellen Grenzzäunen und in den alltäglichen niedrigschwelligen Cyberattacken zwischen Staaten, sagte Guterres. Eine digitale Entspannungspolitik unter dem Dach der Vereinten Nationen hält der Generalsekretär für unverzichtbar.

Merkel brachte die latente geopolitische Auseinandersetzung auf den Nenner der heiß diskutierten "digitalen Souveränität". Für sie ist es wichtig, dass digitale Souveränität nicht als Abschottung ausgelegt wird. Ihr Verständnis von digitaler Souveränität sei nicht Protektionismus oder Zensur, sondern die Fähigkeit von Bürgern und Gesellschaft, "unsere eigene digitale Entwicklung zu bestimmen". Angriffe auf die globale Konnektivität nannte die Kanzlerin demgegenüber eines der gefährlichsten Instrumente der Politik, die das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit bedrohe und die Grundidee der Internetgründerväter untergrabe.

(anw)