IT-Gipfel: IT-Sicherheit als Daueraufgabe [Update]

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle will mehr für den Schutz der Informationsinfrastruktur und die Datensicherheit tun. Die jüngsten Enthüllungen von Wikileaks erinnern ihn ein wenig an die Staatssicherheit der DDR.

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Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle eröffnet den IT-Gipfel

(Bild: Stefan Krempl)

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle will mehr für den Schutz der Informationsinfrastruktur und die Datensicherheit tun. Die Gewährleistung der IT-Sicherheit sei eine "gewaltige Herausforderung" und eine "Daueraufgabe", erklärte der FDP-Politiker zur Eröffnung des 5. Nationalen IT-Gipfels in Dresden am heutigen Dienstag. Durch Cyberangriffe entstünden der Wirtschaft hierzulande jährlich Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Politik und Unternehmen müssten sich daher stärker gegen Computerviren und auch den "Cyberwar" wappnen. Er werde daher im Wirtschaftsressort demnächst eine eigene "Taskforce IT-Sicherheit" einrichten, auch die Bundesregierung habe dazu eine Arbeitsgruppe eingerichtet.

Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich

(Bild: Stefan Krempl)

Deutschland sieht Brüderle wegen seiner Geschichte und der daraus erwachsenen "Sensibilität" prädestiniert für die Entwicklung von Sicherheitslösungen und technischen Ansätzen zum Datenschutz: "Wir hatten totalitäre Systeme, in denen Daten gesammelt und missbraucht wurden." Heute könnten geheime Unternehmensinformationen und vertrauliche Behördendaten "blitzschnell geknackt und übers Internet verbreitet werden. Wir haben das bei Wikileaks gesehen." Manches,was er der Enthüllungsplattform entnehme, erinnere ihn an die Stasi, fügte der Minister an. Auch die Whistleblower-Seite zeige, dass ohne entsprechende Schutzmaßnahmen das Vertrauen in neue Online-Dienste leide. [Update: Später bezeichnete Brüderle den Vergleich vor Journalisten als "vielleicht etwas überpointiert". Ein System, das "so viel sammelt", löse bei ihm aber Unbehagen aus.]

Tillich, Brüderle, Bundesjustizminsterin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

(Bild: Stefan Krempl)

Brüderle freute sich, dass Deutschland mithilfe der Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) "mit Schwung aus der Wirtschaftskrise herausgekommen sei". IKT seien "Treiber in allen Industrien". Der Minister konnte sich dabei auf eine Studie des ZEW Mannheim berufen, wonach die Hardware-Industrie in diesem Jahr 13 Prozent ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung (F&E) ausgegeben habe, die Gesamtwirtschaft im Vergleich dazu 3 Prozent. Trends wie Cloud Computing, mobiles Internet und Breitband eröffneten Chancen für neue Geschäftsmodelle und böten Lösungen für gesellschaftliche Zukunftsaufgaben wie E-Government. Besonders stark sei Deutschland bei der Integration in industrielle Anwendungen etwa zum Aufbau intelligenter Netze zur besseren Nutzung knapper Ressourcen wie Energie und Verkehr.

Brüderle, Leutheusser-Schnarrenberger, IBM-Chef Martin Jetter

(Bild: Stefan Krempl)

In einer bereits vorab vorgestellten Untersuchung zu IKT-Standorten des Marktforschungsinstituts TNS Infratest nimmt Deutschland den siebten Platz ein. Brüderle forderte daher einen "engen Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft", um weiter nach vorn zu kommen. Der IT-Gipfel sei dafür die richtige Plattform. Dresden und der Freistaat Sachsen könnten zugleich ein gutes Vorbild als "starker Standort für die Mikroelektronik und Informationstechnologie". Hier habe sich mit "Silicon Saxony" ein "echtes Cluster" herausgebildet. Als weiteren Schwerpunkt für verstärkte Bemühungen nannte Brüderle neben der IT-Sicherheit den Ausbau superschneller Datennetze: "Wir brauchen auch in ländlichen Räumen leistungsfähiges Breitband, überall in Deutschland." In diesem Jahr verfehlte die Bundesregierung ihr Ziel knapp, eine hundertprozentige Versorgung hiesiger Haushalte mit Bandbreiten von über 1 MBit/s zu erreichen.

Hans-Joachim Otto, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, EU-Kommissarin Neelie Kroes, Brüderle

(Bild: Stefan Krempl)

Im Blickpunkt der rund 600 Teilnehmer, zu denen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gehören, stehen Fragen wie der Schutz der persönlichen Daten, der IT-Standort Deutschland, die Breitbandversorgung auf dem Land, Online-Angebote der Verwaltung und E-Government oder die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner meldete sich aus Berlin zu Wort. "Für die IT-Branche ist Datenschutz eine Schicksalsfrage", sagte die CSU-Politikerin dem Hamburger Abendblatt. Ohne Vertrauen der Nutzer seien Innovationen wertlos. Ähnlich wie Leutheusser-Schnarrenberger erklärte sie den Vorschlag für einen Datenschutz-Kodex der Internetwirtschaft für wichtig, die von de Maizière aufgezeigte "rote Linie" aber für nicht ganz ausreichend. Es handle sich um einen "wichtigen Schritt, dem weitere folgen müssen". Letztlich seien aber die Verbraucher gefordert, selbst sparsam mit ihren Daten im Netz umzugehen.

Gegenüber der Rheinischen Post machte sich Aigner zudem für ein Verfallsdatum für private Daten im Netz stark: "Es gibt ein Recht auf Vergessen, auch im Internet." Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag meinte, der IT-Gipfel, der über ein Blog des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts live übers Netz verfolgt werden kann, sei auch in diesem Jahr eine "reine Leistungsschau der IT-Wirtschaft und medienwirksame Bühne für Mitglieder der Bundesregierung". Der notwendige gesellschaftliche Diskurs über die Zukunft der digitalen Gesellschaft finde dagegen kaum statt. (anw)