Industriestrategie: Grüne wollen Glasfaser fürs Klima

Die Grünen-Bundestagsfraktion beschließt eine Industriestrategie für die "ökologisch-soziale digitale Transformation". Sie setzt auf klimaneutrale Technologien.

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(Bild: Lisa M Fritz / Shutterstock.com)

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Die Bundestagsfraktion der Grünen fordert, für den Festnetz- und Mobilbereich "den weitreichenden Ausbau eines flächendeckenden Glasfasernetzes als klimafreundlichste und effizienteste Übertragungstechnik zu beschleunigen". Das Breitbandförderprogramm des Bundes soll dafür "ein Update" erhalten, der von der Bundesregierung für 2025 geplante Rechtsanspruch auf schnelles Internet vorzeitig "im Rahmen eines erschwinglichen Universaldienstes zügig umgesetzt" werden.

Das geht aus einer neuen Strategie hervor, mit der die Oppositionsgruppe den Wandel der Industrie nachhaltig im Rahmen einer "ökologisch-sozialen digitalen Transformation" gestalten will. Die Fraktion veröffentlichte den am Dienstag von ihr beschlossenen Antrag am Freitag. Sie will ihn kommende Woche in den Bundestag einbringen.

Zuvor hatte ein Gutachten von Kristof Obermann von der Technischen Hochschule Mittelhessen im Auftrag des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko) voriges Jahr ergeben, dass "echte Glasfasernetze mit Fiber to the home (FTTH) einen wichtigen Beitrag zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit leisten". Der Professor für Elektro- und Informationstechnik verglich dafür den Energiebedarf im laufenden Betrieb und die Nachhaltigkeit von FTTH und kupferbasierten Telekommunikationsnetzen wie Fiber to the curb (FTTC) und dem VDSL-Turbo Vectoring.

Bezogen auf den Stromverbrauch pro Bitrate verbrauchen kupferbasierte Netze bei einer angenommenen Auslastung von 50 bis 100 Prozent demnach "um das Drei- bis Siebzehnfache mehr Strom" als echte Glasfaser. Bei einer deutschlandweiten Versorgung mit FTTH ließen sich so bis zu 1100 Megawatt (MW) an elektrischer Leistung gegenüber kupferbasierten Netzen einsparen. Zum Vergleich: Das siebtgrößte deutsche Kohlekraftwerk "Schwarze Pumpe" erreicht eine Leistung von 1600 MW.

Mit dem Plan wollen die Grünen die Industrie stark aufstellen, damit sie vor allem "den Herausforderungen der Klimakrise begegnen" kann. Deutschland soll "zum Leitmarkt für Material- und Energieeffizienz-Lösungen" sowie für die Kreislaufwirtschaft werden. Dafür nötig sei ein Förderprogramm für Recycling-Anlagen nach dem Stand der Technik, die Ausweitung von Pfand- und Mehrwegsystemen sowie eine "Stärkung von Reparaturdienstleistungen". Gleichzeitig müssten Mindestanforderungen für Recycling-Anlagen kommen.

Die Fraktion drängt darauf, "ökologisch nachhaltige Hard- und Softwarelösungen" sowie Open Source zu fördern etwa bei Beschaffungen der öffentlichen Hand. Die Bundesregierung soll eine Green-IT-Strategie vorlegen, "die nicht nur ambitionierte Ziele und konkrete Umsetzungsmaßnahmen für die Reduktion des Stromverbrauchs der öffentlichen IT definiert, sondern auch konkrete Anreize für die Reduktion des IT-bedingten Stromverbrauchs in Rechenzentren von Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen schafft".

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Bei der Digitalisierung müsse dringend umgesteuert werden, heißt es weiter: IT-Infrastrukturen, Datenzentren sowie Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Blockchain könnten sich zum Treiber von CO2-Emissionen entwickeln, "weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen". Schätzungen zufolge dürfte bis 2030 der Anteil der Digitalisierung zwischen 20 und 50 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs ausmachen. Gleichzeitig seien die Potenziale digitaler Anwendungen gewaltig, etwa bei Ressourcenschonung, "vorausschauender Instandhaltung" oder smarter Stromnutzung bei Industrieprozessen. Verabschiedet werden müsse so "eine kluge Gesamtstrategie".

Die Exekutive soll die europäischen Kräfte bei KI bündeln, indem sie "den einheitlichen europäischen Rechtsrahmen für datengetriebene Geschäftsmodelle stärkt" und die für maschinelles Lernen notwendige Dateninfrastruktur auch und gerade durch Zugänglichmachen von Messwerten aus der Forschung und der öffentlichen Verwaltung forciert. Erforderlich seien Anreize für eine "gemeinsame freiwillige Nutzung nicht personenbezogener Daten zum Beispiel aus Entwicklungs- und Fertigungsprozessen" vor allem im Sinne des Mittelstands. Die EU-Kommission hat hier mit dem Entwurf für einen Data Governance Act bereits Vorschläge gemacht, die die Bundesregierung in ihrer Datenstrategie aufgegriffen hat.

Auch eine grüne Wasserstoffstrategie will die Fraktion voranbringen. Eine solche sei für Industriezweige, "die prozessbedingt Treibhausgase emittieren, unabdingbar". Das Ziel der Regierung an Elektrolyseleistung bis 2030 soll von 5 auf 10 Gigawatt verdoppelt werden. Dafür müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigt werden. Nötig seien auch Investitionen in hochenergieeffiziente Maschinen und Anlagen sowie in CO2-freie Stahlerzeugung.

Die CO2-Bepreisung wollen die Grünen "hinsichtlich der ökologischen und sozial gerechten Lenkungswirkung" gestärkt wissen. Für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und nachweislich hier Nachteilen unterliegen, müsse die Exekutive "nachvollziehbare branchenspezifische Kompensationslösungen" festlegen und dabei entsprechende Ausgleichszahlungen an Klimaschutzmaßnahmen koppeln.

Insgesamt verlangt die Fraktion ein Investitions- und Transformationsprogramm für die nächste Dekade, das 500 Milliarden Euro umfasst "und damit den Standort Deutschland zukunftsfähig aufstellt". Es gehe um Investitionen in Bildung, Digitalisierung, Gesundheit und Pflege, Wohnen, Forschung und Innovation, Klimaschutz sowie Nachhaltigkeit, um Planungssicherheit zu geben.

Industriestaaten wie Deutschland hätten als historisch größte Verursacher von Treibhausgasen eine besondere Verantwortung und müssten deshalb eine Führungsrolle bei der Dekarbonisierung einnehmen, ist dem Papier zu entnehmen. Sie verfügten über das nötige Know-how, und über den nötigen finanziellen und gesellschaftlichen Rückhalt, um beim Klimaschutz Vorreiter zu sein. Der industriepolitische Sprecher der Grünen, Dieter Janecek, betonte: "Die deutsche Industrie braucht verlässliche Rahmenbedingungen, um in klimaneutrale Technologien investieren zu können." Dabei sei keine Zeit mehr zu verlieren.

(tiw)