Innovationsgeschehen im High-Tech-Sektor: Aufschwung oder Rückgang?

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat am Mittwoch gemeinsam mit Microsoft neue Zahlen zu Gründeraktivität in der deutschen High-Tech-Branche veröffentlicht. Danach gab es im Jahr 2009 in diesem Bereich rund 14.000 Firmengründungen, eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 3,1 Prozent. Doch die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat am Mittwoch gemeinsam mit Microsoft neue Zahlen zur Gründeraktivität in der deutschen High-Tech-Branche veröffentlicht. Danach habe es in diesem Bereich im Jahr 2009 rund 14.000 Firmengründungen gegeben, eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um genau 3,1 Prozent. Allerdings wurde vor Jahresfrist noch eine Zahl von 15.300 High-Tech-Firmengründungen für 2008 angegeben – was für 2009 also auf einen Rückgang statt auf einen Aufschwung hinweisen würde. Dies hatten die Studienverfasser im vergangenen Jahr auch so zum Ausdruck gebracht: Nach einem elfprozentigen Minus bei den High-Tech-Firmengründungen im Jahr 2008 befürchte man für 2009 einen weiteren Rückgang, hieß es damals.

Doch plötzlich ist der Aufschwung da – und zwar ein gewaltiger: In der am Mittwoch von Microsoft und dem ZEW präsentierten Studie "High-Tech-Gründungen in Deutschland – Hemmnisse für junge Unternehmen" (FTP-Link) ist gar von 20 Prozent mehr High-Tech-Firmengründungen als im Jahr zuvor die Rede. Und für die Software-Branche wurde in einer entsprechenden Pressemitteilung kurzerhand der Begriff "Gründerboom" reanimiert, schließlich habe es 2009 im Vergleich zum Vorjahr ja insgesamt 15 Prozent mehr Gründungen von Softwarefirmen in Deutschland gegeben. Doch damit nicht genug: In der Studie selbst ist bei den Zahlen zu Firmengründungen im Software-Sektor sogar von einem rekordverdächtigen Anstieg um 46 Prozent gegenüber dem Vorjahr die Rede.

Prozentual ein deutlich zweistelliger Zuwachs bei den Firmengründungen und trotzdem sinkt die Gesamtzahl gegenüber dem Vorjahr? Worüber die Pressemitteilung keine Auskunft gibt, lässt sich durch ein Studium der Studie erklären: Das ZEW hat für 2009 "einige Anpassungen bei der Berechnung der Gründungsindikatoren" vorgenommen und zudem die Definitionen geändert, "welche Wirtschaftszweige den High-Tech-Sektoren zuzuordnen sind" und welche nicht. Direkte Vergleiche mit früheren Veröffentlichungen zu High-Tech-Gründungen in Deutschland seien daher "nicht mehr uneingeschränkt möglich", heißt es. Eine weitere Verwässerung ergibt sich dadurch, dass mit der Einführung der sogenannten Mini-GmbH Ende 2008 zwar die Zahl der Kleinunternehmen insbesondere im Software-Segment deutlich gestiegen, ihr Beitrag zum Innovationsgeschehen in Deutschland insgesamt aber sehr gering ist.

Statt also von konkreten "3,1 Prozent" Zuwachs bei Firmengründungen im High-Tech-Sektor zu sprechen, dürften Formulierungen wie "geschätzter Anstieg" oder "sinnvolle Orientierung" wohl eher angebracht sein – nicht zuletzt auch deshalb, weil laut ZEW "bei der Abschätzung der Anzahl der bereits gegründeten und noch zu erfassenden Unternehmen" Hochrechnungen zum Einsatz kommen. Die Schaffung der Mini-GmbH mit einem Mindeststammkapital von einem Euro habe die Rahmenbedingungen für Neugründungen aber deutlich verbessert und neue Impulse gesetzt, attestiert ZEW-Forschungsleiter Georg Licht. "Das zeigt uns, dass mit veränderten Rahmenbedingungen konkret etwas getan werden kann." Viele der Kleinstunternehmer täten sich allerdings wegen fehlender Kenntnisse im Finanzwesen schwer.

Diese Defizite, so Licht, könnten aber zum Beispiel kompensiert werden, würde man für das nötige Know-how die technische und finanzielle Seite bereits im Studium über Kooperationen zusammenbringen. Zu den großen Hürden für Unternehmensgründungen in der Branche zählen nach Erhebungen des ZEW außerdem "zu wenig verfügbare Risikokapitalgeber" und "Schwierigkeiten, an traditionelle Kredite zu kommen". Ralph Haupter, neuer Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, forderte deshalb auch steuerliche Anreize für Investoren, wie es sie im europäischen Ausland bereits gebe. Auch qualifizierte Mitarbeiter zu finden und Auftraggeber zu akquirieren, stelle viele Start-ups vor Probleme. Ob sich die Situation im Jahr 2010 verbessert hat, wird womöglich der nächste ZEW/Microsoft-Bericht zeigen. (pmz)