Schwere Vorwürfe: Meta muss sich wegen Gefährdung Jugendlicher verantworten
Laut einer vom US-Bundesstaat Massachusetts eingereichten Klage habe Meta-CEO Zuckerberg Schutzmaßnahmen für Jugendliche vereitelt – trotz eindeutiger Infos.
Die Social-Media-Plattformen im Besitz von Meta, insbesondere Instagram, hätten Jugendliche bewusst manipuliert, süchtig gemacht und ihnen geschadet, lauten die Anschuldigungen in einer vom US-Bundesstaat Massachusetts eingereichten Klage gegen den Konzern. Die Auswirkungen seien erschütternd. Aus internen Dokumenten Metas – die auch aus den Veröffentlichungen der Whistleblowerin Frances Haugen stammen – gehe hervor, dass Mark Zuckerberg erklärt habe, dass das Design der Plattformen "eine Schwachstelle in der menschlichen Psychologie ausnutzt", um Jugendliche über große Zeiträume auf der Plattform zu halten und immer wieder zurückzuholen.
Unter 13-Jährige besonders betroffen
Auch wisse Meta, dass die übermäßige Nutzung der zum Konzern gehörenden Dienste gerade bei jungen Menschen gefährlich und schädlich für die geistige Gesundheit sei – besonders für noch jüngere Nutzer zwischen acht und zwölf Jahren, deren Gehirne sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden. Jüngere Benutzer seien nicht in der Lage, die Zeit, die sie in den sozialen Medien verbringen, für die eigene Gesundheit und Sicherheit zu regulieren. Außerdem lasse Meta die Nutzung von unter 13-Jährigen auf Instagram entgegen der eigenen Richtlinien wissentlich zu, verberge dies vor der Öffentlichkeit und unternehme nichts dagegen.
Der Direktor des öffentlichen US-Gesundheitsdienstes habe vor den Designentscheidungen Metas gewarnt: "Es ist einfach kein fairer Kampf, wenn ein Kind gegen die weltweit besten Produktdesigner antritt".
Gefahren und Schäden durch Filter bekannt
Laut der Klage ist dem Social-Media-Unternehmen aufgrund interner Untersuchungen durchaus bekannt, welche Auswirkungen die Plattformen auf Kinder und Jugendliche haben. Zumal Meta über mehr als 33 Millionen US-Nutzerdaten verfüge und diese analysiere. Auch treffe man gezielt Designentscheidungen, die bekannte Schäden für junge Nutzer verschlimmern würden, wenn dahinter die Aussicht auf mehr Profit stehe. Das Unternehmen stelle sich bewusst gegen die Ergreifung von Maßnahmen, die Schäden von Jugendlichen mildern und das Wohlbefinden verbessern würden.
Zu den Gefahren zählen laut der Anklage auch Filter, die Nutzer über ihre Bilder legen könnten – darunter etwa Schönheits- und Hautfarben verändernde sowie gewichtsreduzierende Filter. Filter, die kosmetischen Eingriffen entsprechen und insbesondere jungen weiblichen Nutzern schaden würden, seien bewusst nicht entfernt worden, weil das die Nutzerzeit auf der Plattform verringern würde und finanzielle Einbußen bei den Werbeeinnahmen zur Folge hätte.
Bereits 2019 habe Metas Vizepräsidentin für Produktdesign in einer E-Mail an die Meta-Führung um Unterstützung für eine Änderung der Richtlinien gebeten, die "Filter, die plastische Chirurgie imitieren" zu verbieten, einschließlich der Entfernung solcher Filter. Laut einem internen Meta-Dokument haben 21 weltweit unabhängige Experten, Akademiker und Studien "im Allgemeinen darin übereingestimmt, dass die Nutzung kosmetischer und plastischer Filter sowie dessen Auswirkungen sowohl bei den Benutzenden als auch bei den Betrachtern Anlass zur Sorge für die psychische Gesundheit der Bevölkerung sind" – besonders bei Kindern.
Zuckerberg ignoriert alle Warnungen
Im April 2020 habe Zuckerberg per E-Mail sein Veto gegen das von den Mitarbeitern geforderte Verbot der kosmetischen Filter eingelegt und später erklärt, dass es eine "große Nachfrage" nach den Filtern gebe und behauptet, dass er keine Daten gesehen hätte, die auf die schädlichen Auswirkungen der Filter hindeuten. Ein Treffen mit Mitarbeitern, die über eine Beendigung der Zurverfügungstellung solcher Filter abstimmen sollten, habe der Meta-CEO abgesagt.
Der Forschungsleiter des Unternehmens, David Ginsberg, teilte Zuckerberg dem Anklageschreiben zufolge bereits 2019 mit, dass wissenschaftliche Erkenntnisse einen negativen Effekt – durch die Nutzung der Plattformen – auf das Wohlbefinden der Nutzer aufzeigen würden. Ginsberg habe Zuckerberg gewarnt, dass das Unternehmen unzureichend in der Verbesserung des Wohlbefindens seiner Nutzer investiere.
Täuschung über Sicherheit und Wohlergehen
Zusätzlich habe Meta nicht nur sein Wissen über die von Instagram verursachten Schäden verheimlicht, sondern Kampagnen gestartet, um die Öffentlichkeit zu täuschen und ihr vorzugaukeln, dass Sicherheit und Wohlergehen der Jugendlichen dem Social-Media-Riesen am Herzen liege und Priorität habe. Stattdessen bestreite das Unternehmen einfach die intern bekannten negativen Auswirkungen und entscheide sich gegen abmildernde Maßnahmen, die die eigenen Beschäftigten angeführt hätten.
Die Folge seien schwerwiegende und anhaltende psychische Auswirkungen, die junge Menschen in Massachusetts geschadet und Schul- und Sozialdienste belastet hätten. Die unlauteren und irreführenden Praktiken von Meta seien "die Art von skrupellosem, unmoralischem und unethischem Verhalten", die durch Gesetze des Commonwealth of Massachusetts verboten sind. So lauten einige der Vorwürfe in der 102 Seiten langen Ausführung der Generalstaatsanwaltschaft von Massachusetts gegen Meta, die anhand interner Dokumente von mehr als 40 Generalstaatsanwälten erstellt und nun entsiegelt wurden.
Ehemalige rechte Hand von Zuckerberg ebenfalls im Visier
Demnach geht der Kläger, vertreten durch die Generalstaatsanwältin Andrea Joy Campbell, davon aus, dass Meta seine irreführenden Praktiken weiterhin anwenden wird, sofern das Unternehmen nicht gerichtlich gestoppt wird. In der Anklage wird im Zusammenhang mit der Entscheidungsfindung, Entwicklung und Genehmigung der Geschäftsstrategien neben Mark Zuckerberg und weiteren Führungskräften auch die ehemalige COO Sheryl Sandberg erwähnt – Zuckerbergs damalige rechte Hand. Sandberg gab im Juni 2022 ihren Rücktritt bekannt und kurz darauf wurden Meta-interne Untersuchungen gegen sie eingeleitet: Sie habe Firmenressourcen zu privaten Zwecken genutzt, so der Vorwurf.
Sandberg war bereits 2014 Geschäftsführerin bei Facebook, als ein umstrittenes "Psycho-Experiment" mit manipuliertem Nachrichtenstrom für Hunderttausende Nutzer die Ausbreitung von positiven und negativen Emotionen in Netzwerken untersuchte.
(bme)