Intel baut eine Halbleiterfabrik für 17 Milliarden Euro in Magdeburg

Es ist die größte jemals getätigte Investition in Sachsen-Anhalt: Am Stadtrand von Magdeburg entsteht ab 2023 eine Intel-Fab.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Intel

(Bild: Intel)

Lesezeit: 8 Min.
Inhaltsverzeichnis

Auf einem mehr als drei Quadratkilometer großen Grundstück am südwestlichen Stadtrand von Magdeburg baut Intel zwei sogenannte Megafabs, die ab 2027 jeweils rund 20.000 Wafer monatlich verarbeiten sollen. Die 17 Milliarden Euro teuren Fabs profitieren von hohen Zuschüssen aus dem European Chips Act. Weitere 12 Milliarden Euro steckt Intel in den Ausbau des bestehenden Standorts Irland; dort soll schon vor 2027 eine neue Fab für die Fertigungstechnik "Intel 4" entstehen, also für 7-Nanometer-Strukturen.

Auch in Italien ist eine Intel-Chipfabrik geplant, die aber nicht etwa Wafer verarbeitet, sondern moderne "Packaging"-Methoden bereitstellt. Immer mehr Halbleiterbauelemente enthalten nicht bloß ein einziges Silizium-Die, sondern mehrere neben- und übereinander angeordnete "Chiplets". Laut Intel laufen bereits Verhandlungen über den Bau einer solchen "Back End"-Fab; die Wafer-Verarbeitung wie in Magdeburg nennt man Front End.

Intel baut zwei "Megafabs" an der Magdeburger Stadtgrenze, direkt an der Autobahn A14. Sie sollen ab 2027 auch viele Chips für Autos fertigen.

(Bild: Intel)

In Italien will Intel außerdem durch den bereits angekündigten Kauf des israelischen Auftragsfertigers Tower Semiconductor in die Kooperation mit STMicroelectronics (STMicro) einsteigen. STMicro und Tower bauen derzeit gemeinsam das Werk R3 in Agrate Brianza bei Mailand, das genau wie Intels Fabs 300-Millimeter-Wafer verarbeiten wird. Gröbere Strukturen entstehen oft noch auf Siliziumscheiben mit 200 Millimeter Durchmesser oder weniger.

Intel investiert noch in weiteren EU-Ländern: In Frankreich soll ein Entwicklungszentrum entstehen und das bestehende im polnischen Danzig will Intel deutlich erweitern. Beide sollen als Dienstleistung für europäische Firmen Chips für die Fertigung bei Intel optimieren.

Die Fabs in Magdeburg werden vor allem für die Auftragsfertigungssparte Intel Foundry Services (IFS) produzieren. Laut Intel-CEO Pat Gelsinger und Dr. Randhir Thakur, der die Sparte IFS leitet, gibt es schon jetzt große Nachfrage seitens der europäischen Automobilindustrie und ihrer Zulieferer. Firmen wie Infineon und STMicro lassen Bauelemente, die sie nicht selbst fertigen können, beispielsweise von TSMC produzieren. Im Vorfeld der Standortentscheidung hat Intel laut Thakur konkrete Gespräche mit Autoherstellern wie BMW und Volkswagen geführt.

Kommende Autos brauchen sehr viel leistungsfähigere und teurere Prozessoren als heutige. Man schätzt, dass der Anteil von Halbleitern an den Gesamtkosten der Autofertigung von heute rund 4 Prozent bis 2030 auf 20 Prozent anwächst, zumindest bei teuren Autos. Einige Autohersteller haben sich unter dem Eindruck der anhaltenden Chipkrise bereits künftige Fertigungskapazitäten vertraglich gesichert. Solche Deals wurden etwa zwischen BMW und GF (früher Globalfoundries) bekannt sowie zwischen Ford und GF.

Die 22-Nanometer-Fertigungstechnik "Intel 16" und die Technik der zugekauften Firma Tower können Intel-Kunden schon früher nutzen als Intel 3 und Intel 18A.

(Bild: Intel)

Intel baut die Megafabs in Sachsen-Anhalt unter dem Projektnamen "Silicon Junction" im Industriegebiet Eulenberg. Es liegt an der Stadtgrenze von Magdeburg zwischen dem Ortsteil Ottersleben und der Gemeinde Sülzetal, direkt an der Kreuzung der Autobahn A14 mit der Bundesstraße B81.

Vorteilhaft für Intel war laut dem sachsen-anhaltinischen Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff die sehr große zusammenhängende Fläche, die derzeit noch Ackerland ist. Magdeburg hatte es vor Jahren schon BMW angeboten, weshalb es Vorplanungen für die Erschließung mit Nahverkehr, Strom und Wasser gab. Intel will Ökostrom nutzen – Sachsen-Anhalt kann angeblich schon jetzt ausreichend lokalen Windstrom liefern – und nach einigen Jahren wasserneutral arbeiten.

Intel selbst verspricht rund 3000 Arbeitsplätze und erwartet mehrere zehntausend neue Jobs bei Zulieferern und Dienstleistern. Magdeburg mit derzeit knapp 236.000 Einwohnern rechnet langfristig mit einem Bevölkerungswachstum um 12 bis 17 Prozent und wäre dann wieder größer als Halle. Man hofft auch auf einen Anschluss ans ICE-Netz der Bahn. Für Intel wichtig ist die Nähe zu Hochschulen (Magdeburg, Halle, Leipzig, Braunschweig) und zu Kunden wie Volkswagen – Wolfsburg ist 80 Kilometer entfernt, Tesla in Grünheide ebenso wie Berlin etwa 160 Kilometer. Auch der Verbund Silicon Saxony aus dem 230 Kilometer entfernten Dresden begrüßt die Standortwahl.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff und mehrere Teams in Ministerien und im Magdeburger Rathaus haben zehn Monate lang an Intels Ansiedlungsplänen gearbeitet.

(Bild: Landesregierung Sachsen-Anhalt)

Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck betont die Vorteile des Standorts Magdeburg in Bezug auf Fachkräfte und Versorgungssicherheit. Das vergleichsweise strukturschwache Bundesland Sachsen-Anhalt hat sich sehr um die Ansiedelung bemüht; in einer Pressekonferenz zog Intel-Fertigungschef Keyvan Esfarjani Vergleiche zu Ohio, wo Intel ebenfalls ein neues 20-Milliarden-Dollar-Werk auf die sprichwörtliche grüne Wiese baut.

Intel Silicon Junction wird die Fertigungsverfahren Intel 16, Intel 3 und Intel 18A bereitstellen. Hinter Intel 16 verbirgt sich eine sparsame Variante der elf Jahre alten 22-Nanometer-Technik. Intel 3 ist ein optimiertes 7-Nanometer-Verfahren und das nach 2025 erwartete Intel 18A – das steht für 18 Ångström, also 1,8 Nanometer – dürfte mit 2-Nanometer-Verfahren von TSMC und Samsung konkurrieren. Für Intel 18A kommt Lithografietechnik mit extrem ultraviolettem Licht und hoher numerischer Apertur (High-NA EUV) zum Einsatz. Die dazu nötigen Maschinen liefert die niederländische Firma ASML (die auch in Berlin produziert) und nutzt darin unter anderem Laser und Optiken der deutschen Firmen Trumpf und Zeiss.

Mit der zugekauften Firma Tower kommt Intel in direkten Kontakt mit Kunden aus der Automobilelektronik; schon bisher – also noch vor der Kooperation mit STMicro – erzielt Tower rund 12 Prozent seines Umsatzes in Höhe von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro mit Automotive-Halbleitern für Fahrzeuge. Tower offeriert relativ grobe Fertigungsverfahren von 500 bis 45 Nanometer, wie sie für viele Autochips nötig sind, etwa für Mikrocontroller, Sensoren und Leistungselektronik.

Schon bevor die Magdeburger Fab läuft, können Auftraggeber das Fertigungsverfahren Intel 16 nutzen, nämlich im irischen Werk. Dort will Intel einen Teil der Kapazität für Autochips reservieren. Als Dienstleistung soll ein "Foundry Services Accelerator" dabei helfen, Chipdesigns für die Fertigung durch Intel zu optimieren oder umzustellen. Derartige Dienstleistungen bieten auch Unternehmen wie Capgemini Engineering an, zu der die ehemalige Firma Altran aus Frankreich gehört, die jahrelange Erfahrungen im Outsourcing von Electronic Design Automation (EDA) hat.

Intel ermöglicht es fremden Firmen mittlerweile, auch x86-Rechenkerne in ihre eigenen Systems-on-Chip (SoC) einzubauen. Alternativ steht ARM- und RISC-V-Technik zur Wahl.

Die EU will den europäischen Anteil an der weltweiten Chipfertigung von heute rund 10 Prozent bis 2030 verdoppeln. Dazu muss die Fertigungskapazität in der EU auf das Vierfache des heutigen Stands anwachsen. So gesehen ist die Fab in Magdeburg nur ein Teilschritt: Zwei Werke mit je 20.000 Wafern pro Monat liefern zusammen etwa halb so viel wie GF Dresden (80.000). Aber Intel hat ja auch noch die irische Fab und ist nicht alleine in Europa – alleine in Deutschland laufen 21 Chipfabs, die meisten sind allerdings ziemlich klein und verarbeiten Wafer mit höchstens 200 Millimetern.

Zu den europäischen Riesen zählen Werke von Infineon (Dresden, Kärnten), STMicro (Italien, Frankreich) und Bosch (Dresden, Reutlingen). Viele EU-Hersteller planen erhebliche Erweiterungen ihrer Kapazität, etwa Infineon, STMicro und Bosch, aber etwa auch Vishay Siliconix in Itzehoe.

Außer Versorgungssicherheit durch lokale Fertigung erhofft sich die EU auch stärkere digitale Souveränität. Daher stuft der European Chips Act die Ansiedelung von Chipherstellern als essenziell ein, was wiederum höhere Förderquoten rechtfertigt. Ausdrücklich wünscht die EU, dass 2030 auch 2-Nanometer-Technik lokal bereitsteht, etwa Intel 18A.

Über die nun angekündigten Investitionen im Umfang von 33 Milliarden Euro hinaus will Intel bis 2030 noch weitere 47 Milliarden Euro in der EU investieren. Je nach Geschäftsentwicklung sollen die Fertigungsstandorte Irland, Deutschland und Italien noch weiter wachsen. Pat Gelsinger hob aber auch bereits bestehende Kooperationen mit dem belgischen Halbleiterforschungszentrum IMEC, der niederländischen TU Delft (Quantenrechner) und dem Barcelona Supercomputing Center (BSC) hervor. Die EU ist für Intel kein Neuland.

c’t – Europas größtes IT- und Tech-Magazin

Alle 14 Tage präsentiert Ihnen Deutschlands größte IT-Redaktion aktuelle Tipps, kritische Berichte, aufwendige Tests und tiefgehende Reportagen zu IT-Sicherheit & Datenschutz, Hardware, Software- und App-Entwicklungen, Smart Home und vielem mehr. Unabhängiger Journalismus ist bei c't das A und O.

(ciw)