Internet-Regulierung: "Ein bisschen wie der Regenwald"

Experten plädierten bei einer Anhörung im Bundestag für eine Stärkung des Multi-Stakeholder-Ansatzes, wonach das Internet unter Beteiligung aller Interessensvertreter am Laufen gehalten werden sollte.

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ICANN, IANA & Co.: Die Verwaltung des Internets

Diverse Organisationen sind für die Verwaltung des Internets zuständig - die ICANN und die ihr zugeordnete IANA etwa verwalten die weltweiten IP-Adressen und die DNS-Rootzone, die IETF ist für die Protokollstandards verantwortlich. Bis vor kurzem noch bedingte sich die USA die letzte Entscheidungsgewalt aus.

Die Internet-Regulierung bleibt eine heikle Sache, waren sich Sachverständige bei einer Befragung des Ausschusses für die Digitale Agenda im Bundestag am Mittwoch einig. Es sei ein bisschen wie im Regenwald mit seinen zehntausenden Spezies, erklärte Wolfgang Kleinwächter, Professor für Netzpolitik an der Universität Aarhus: Keiner könne diesen kontrollieren, es sei aber möglich, ihn zu zerstören. Dazu komme, dass technische und politische Fragen der Internet-Regulierung nur schwer zu trennen seien.

Kleinwächter bemängelte, dass das Thema "Internet Governance" hierzulande nach wie vor unterbelichtet sei. Er empfahl, das nationale einschlägige Forum mit dem IT-Gipfel der Bundesregierung zu verzahnen und eine Plattform im Einklang mit dem Multi-Stakeholder-Modell zu organisieren. Parallel müsse sich Deutschland stärker ins internationale Internet Governance Forum (IGF) einbringen, wo sich Berlin bislang durch "Zurückhaltung profiliert" habe. Um globale Diskussionen über die Ausgestaltung des Internets voranzutreiben, sollte die Bundesregierung auch eine Initiative für das Ausrichten einer zweiten NetMundial-Konferenz 2018 hierzulande nach dem Auftakt im April in Brasilien ergreifen.

Eine "breitere Basis" der Beteiligung deutscher Interessensvertreter in Fragen der Netzregulierung wünschte sich auch der Vorstandsvorsitzende des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco, Michael Rotert. So käme für Deutschland etwa auch die Gastgeberrolle für das IGF von 2016 an in Frage. Länder wie Großbritannien oder Frankreich brächten sich in die Entscheidungsprozesse "ganz anders" ein. Berlin schicke dagegen etwa Kulturpolitiker in ein Technikgremium des Europarates. Zudem treibe die Bundesregierung die Debatte über ein Schengen-Routing oder eine europäische Cloud voran, was zu einer Zersplitterung des Netzes führen könne.

Das 50. Treffen der ICANN

Gegen das Ausspähen von Geheimdiensten wie der NSA helfe am besten eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, ergänzte Dirk Krischenowski im Namen der deutschen Abteilung der Internet Society. Die Netzspionage setze an Telekommunikationsinfrastrukturen an, die von nationalen Akteuren gestaltet würden und staatlich noch stark reguliert seien. Auch der Geschäftsführer der von DotBerlin bezeichnete daher ein Schengen-Routing als verfehlt.

Das Prinzip der offenen Internet Governance unter Beteiligung aller Interessensvertreter hat sich laut Krischenowski "grundsätzlich bewährt". Es habe sich ein "komplexes Wechselspiel ohne feste Hierarchien und klare Verfassungen" herausgebildet, das selbst für Insider zwar teils schwer durchschaubar, aber wesentlich transparenter ablaufe als das Verhandeln über völkerrechtliche Verträge. Da es hierzulande keine großen Netzkonzerne wie Google oder Facebook in den USA gebe, sei eine stärkere politische Förderung im internationalen Kontext nötig, damit sich deutsche Interessen gegen das Lobbying anderer Staaten durchsetzen könnten.

Der Sonderbeauftragte des Auswärtigen Amtes für Cyber-Außenpolitik, Dirk Brengelmann, bezeichnete das Multi-Stakeholder-Modell ebenfalls als "zentral für einen offenen Cyberraum". Die Beteiligten müssten aber noch erkennen, dass dabei "nicht jeder die gleiche Rolle" spielen könne. Es sei nötig, etwa beim Gestalten eines "Völkerrechts des Netzes" die unterschiedlichen Aufgaben noch genauer zu bestimmen. Von einem Durchbruch sei man hier aber noch weit entfernt.

Beim Thema Cyber-Security sei etwa die Zivilgesellschaft weniger prädestiniert, voll mitzusprechen, beim Datenschutz dagegen müsse sie ihre Stimme bekommen, griff Rolf H. Weber, Leiter des Zentrums für Informations- und Kommunikationsrecht der Universität Zürich, die These Brengelmanns auf. Im Bereich der Privatsphäre sei die "atlantische Kluft" aber groß, sodass kurzfristig eine einheitliche Rechtsordnung nicht hinzubekommen sei. Die Suche müsse so nach Kompromissen in geeigneten Foren weitergehen, wobei sich die Internationale Fernmeldunion ITU nach den Streitigkeiten in Dubai über einen einschlägigen Vertrag aber "disqualifiziert" habe. Von anderen internationalen Rechtsgebieten könne man nicht lernen, da die Rahmenbedingungen zu unterschiedlich seien. (jk)