IFA

Kampf der Digital-Angebote: ZDF stellt Videoportal "Germany's Gold" in Frage

"Wir müssen daran denken, es zu lassen", erklärte ZDF-Chef Thomas Bellut im Blick auf die mit der ARD geplante "Video on Demand"-Plattform. Kartellrechtliche Fragen seien nicht geklärt. Andere Akteure drängen in den Digital-Markt.

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ZDF-Intendant Thomas Bellut hat das gemeinsam mit der ARD geplante Videoportal "Germany's Gold" in Frage gestellt. "Wir müssen daran denken, es zu lassen, wenn es keine realistische Basis gibt", erklärte zur Eröffnung der Medienwoche Berlin-Brandenburg am Rande der IFA. Bellut verwies dabei vor allem auf die noch nicht geklärten kartellrechtlichen Fragen. Das Bundeskartellamt hatte im März zu bedenken gegeben, das vorgesehene digitale Angebot könne dazu führen, dass Preise und Auswahl der Videos miteinander koordiniert würden.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben Bellut zufolge in die kommerzielle "On-Demand"-Plattform bereits viel investiert und mehrere Stellen am geplanten Geschäftssitz in Berlin geschaffen. Sie hätten dabei "nicht an eine Goldader für unsere Kassen gedacht". Zusätzliche Einnahmen würden ohnehin von den Gebühreneinspielungen größtenteils abgezogen. Vielmehr sei die Kernfrage gewesen: "Wie können wir den Schatz der Inhalte der deutschen Produzenten gemeinsam mit der kreativen Szene heben?" Das weitere Vorgehen müsse nun "in den nächsten Monaten entschieden werden". US-Anbieter stünden Schlange, um das Geschäft zu übernehmen.

Zahlreiche andere Akteure drängen bereits in den Digital-Markt. Mattias Hjelmstedt von der Stockholmer Internetfirma Magine etwa kündigte den Start einer eigenen Videoplattform hierzulande für die nächsten Monate an, die Fernsehen "losgelöst von Zeit und Geräten" bieten und so "befreien" wolle. Verbraucher wollten schlicht nur Inhalte sehen, wer sie ihnen biete, sei für sie nicht entscheidend.

"Natürlich arbeiten auch wir an einer 'All-in-One'-Entertainmentlösung mit der Xbox One", erklärte Oliver Kaltner von Microsoft Deutschland. Neben Spielen, sozialen Netzwerken und Skype sollten auch "weitere Inhalte" darauf laufen. Den Öffentlich-Rechtlichen warf Kaltner vor, die "Mediennutzung der ganz Jungen" nicht zu verstehen. Viele unter 15 Jahren schauten praktisch kein TV mehr: "Sie sind eingestiegen in die Welt der Smartphones, lassen sich das Programmdiktat nicht gefallen." Die Reichweite verlagere sich über alle möglichen Bildschirme und insbesondere auf die der "drei Milliarden mobilen Geräte".

Microsoft könne sich auch vorstellen, eigene Inhalte fürs Fernsehen der Zukunft zu produzieren, und setze zudem auf nutzergenerierten Content, führte Kaltner aus: "Wir sind ein grundsätzlich offenes System, in dem wir mit Partnerschaften arbeiten." Bestehende Geschäftsmodelle im TV-Bereich müssten auf jeden Fall "aktiv hinterfragt" werden, um die neuen Nutzungsgewohnheiten bestmöglich "zu monetarisieren".

"Keinen Konflikt mit dem klassischem TV" sieht der YouTube-Manager Matthew Glotzbach derzeit mit den Google-Videoportal im Web. Er würde sich zwar auch darüber freuen, wenn das Finale der Champions League eines Tages auf der Videoseite liefe. Im Moment seien die Lizenzen aber zu teuer. Generell ist sich Glotzbach sicher: "Wir betreten ein neues 'Goldenes Zeitalter' für Content". Das Internet sei ein großartiges Distributionsmedium für alle Endgeräte. Jeder Kreative könne sein Publikum finden.

"Wir suchen uns Talente, die im Internet erfolgreich sind, und bringen sie dann ins Fernsehen", sagte Christian Wegner, Digital-Vorstand von ProSiebenSat.1. Die Hälfte der 220 Minuten, die der Durchschnittsdeutsche mit Fernsehen verbringe, beziehe sich auf neue Contentformen auf allen Bildschirmen. Bei Programmen mit einer jungen Zielgruppe wie "Germany's Next Topmodel" produziere der Sender schon jetzt 25 Prozent der Inhalte auch nur fürs Web.

Lutz Schüler, Geschäftsführer von Unitymedia KabelBW warb für eine stärkere Kooperation aller Beteiligten auf der Content- und Vertriebsseite: "Wir müssen zusammenarbeiten, um den Kuchen zu bereiten, den der Kunde am Ende isst." Es sei wichtig, Inhalte, Pakete und Netze zusammenzubringen, wofür auch dereguliert werden müsse. Der Kabelnetzbetreiber bietet nun die Plattform Horizon an, die laut Schüler "selbstbestimmtes Fernsehen" ermöglichen soll. Dabei würden beispielsweise rund ums Thema Formel Eins kontextbezogen Angebote aus klassischem Fernsehen oder YouTube zusammengestellt.

"Fernsehen bleibt das bedeutendste Massenmedium", konstatierte die Berliner Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU). Das TV behaupte sich aber nicht trotz, sondern "dank des Internets". 76 Prozent der Menschen nutzten das Netz auch zum Fernsehen. So habe sich die mobile Internetnutzung in den vergangenen Jahren fast verdoppelt. Die Hauptstadt liege mittlerweile auf Platz eins der Produktionsstandorte, gleichauf mit München. Sie sei führend bei innovativen Web-Konzepten rund um den "Second Screen". Es gebe hier "viele hungrige Startups voller Ideen, die die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters neu interpretieren". (anw)