Kampf der Latenz: Nokias L4S reduziert Datenverzögerung in Vodafone-Labor​

Nokia und Vodafone drücken in einem Glasfasernetz die Latenz mit dem Buffer-Manager L4S deutlich. Das soll bald Echtzeit-Anwendungen beflügeln.​

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Enden eines Bündels leuchtender Glasfasern
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Geringere Latenz bei Datenübertragungen soll das neue Verfahren L4S (Low Latency Low Loss Scalable) bescheren. Theoretisch. Nokia Bell Labs meldet nun praktischen Fortschritt: Die Nokia-Tochter hat nach eigenen Angaben die weltweit erste Ende-zu-Ende-Demonstration von L4S (Low Latency Low Loss Scalable) durchgeführt. Latenz beschreibt die Laufzeit eines Datenpakets und wird generell in Millisekunden angegeben.

L4S soll durch besseres Management von Warteschlangen (Buffer) die Gesamtlatenz senken. Genutzt wurde ein gängiger Glasfaseranschluss in Form eines passiven optischen Netzwerks (PON) in einem Testzentrum Vodafones im britischen Newbury. Dabei sei es gelungen, die Übertragungsverzögerung deutlich zu verkürzen: "Über eine maximal ausgelastete WLAN-Breitbandverbindung verringerte sich die Zugriffszeit auf eine Internetseite von 550 auf 12 Millisekunden", teilten die Unternehmen am Montag mit. "Die Latenz reduzierte sich auf 1,05 Millisekunden, wenn anstelle von WLAN ein Ethernet-Kabel verwendet wurde."

Bei dem Test sei ein handelsüblicher Laptop samt Glasfaseranschluss genutzt worden. Prinzipiell kann bereits eine Signallaufzeit von 100 Millisekunden bei kritischen bildlastigen Anwendungen zu einer spürbaren Verzögerung führen.

Die Beteiligten werten ihren Versuch daher als vollen Erfolg. Er zeigt für Tanja Richter, Netz-Chefin bei Vodafone Deutschland, "dass Echtzeit-Kommunikation auch unter schwierigen Bedingungen in einem stark belasteten Netz technisch möglich ist". Die Managerin geht davon aus, dass L4S in einigen Jahren in deutschen FTTH-, TV-Kabel- und Mobilfunk-Infrastrukturen verwendbar sein wird. Das mache – bei entsprechender Weiterentwicklung – verzögerungsfreies Online-Gaming, Videokonferenzen sowie Echtzeit-Anwendungen im Bereich der Telemedizin und beim autonomen Fahren realistisch.

L4S ist eine Entwicklung der Nokia Bell Labs. Die Technik wird von der Standardisierungsorganisation Internet Engineering Task Force (IETF) unterstützt und soll künftig unerwünschte Verzögerungen bei der Datenübertragung reduzieren. Der aktuelle Test mit einem optischen PON-Leitungsterminal (OLT), mehreren optischen PON-Netzwerkterminals (ONTs) und WLAN-Zugangspunkten hat den Beteiligten zufolge "extrem niedrige und konsistente Ende-zu-Ende-Latenzen bei der Übertragung durch jedes Element des Netzwerks" veranschaulicht. Dabei habe L4S durchgängig eine "Paketwarteschlangenverzögerung von nahezu null" erreicht, unabhängig von der Verkehrslast im Netzwerk.

L4S kann über jede beliebige Zugangsverbindung zum Internet verwendet werden. Im November haben Nokia Bell Labs und der auf Lösungen für erweiterte Realität (XR) spezialisierte Anbieter Hololight bereits einen Machbarkeitsnachweis erbracht, wonach der Beschleuniger mehrere gleichzeitige XR-Nutzer über dieselbe drahtlose Verbindung ohne Leistungseinbußen unterstützen kann. Das Berliner Start-up Vay hat vor einem guten Jahr mit der Deutschen Telekom und Ericsson über 5G gezeigt, dass L4S die Signallaufzeiten auch bei Netzauslastung prinzipiell niedrig genug zum Fernsteuern von Autos halten kann. Konzerne wie Comcast, Nvidia, Apple und Google setzen ebenfalls auf die Technik.

(ds)