Kartellrecht vs. Online-Giganten: Wider das drohende Datenschutzprekariat

Experten wälzen zahlreiche Strategien, um die Datenmacht in der digitalen Wirtschaft zu begrenzen. Sie fordern, Facebook zu zerschlagen, Plattformen interoperabel zu machen oder Kommunikationsinfrastrukturen zu regulieren.

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(Bild: dpa, Jens Büttner)

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Juristen haben sich bei einem Fachgespräch der Grünen im Bundestag am Mittwoch ihre Köpfe darüber zerbrochen, wie die Datenkraken und der Plattform-Kapitalismus im Netz eingehegt werden könnten. Auf den Tisch kamen zahlreiche Vorschläge, die von einem geschärften Schwert des Kartellrechts über strengere Regeln für die Betreiber der essenziellen Kommunikationsinfrastrukturen im Netz bis hin zur Interpretation persönlicher Daten als "Eigentum" der Nutzer reichten. Gemeinsame Nenner fanden sich aber nur wenige.

Das Bundeswirtschaftsministerium setzt bereits auf bessere kartellrechtliche Instrumente , um die Datenmacht in der digitalen Wirtschaft zu beschränken. Es hat dazu im Juli einen Referentenentwurf für eine weitere Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgelegt, der demnächst durchs Bundeskabinett soll. Die Initiative sieht unter anderem vor, dass bei der Fusionskontrolle auch datengetriebene "Gratisgeschäfte", Netzwerkeffekte sowie Kaufpreise statt nur Umsatzerlöse von Firmen berücksichtigt werden können.

Nicola Jentzsch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) begrüßte das Vorhaben prinzipiell, sieht aber noch Nachbesserungsbedarf. Klargestellt werden sollte ihr zufolge, dass etwa auch mögliche "Portfoliovorteile bei personalisierten Diensten" durch den vereinten Zugriff auf Datenbanken etwa zum Such- oder Videonutzungsverhalten oder durch den mit Hilfe von Patenten eingeschränkten Zugang zu Analyseverfahren untersucht werden sollten. Es müsse stärker mit einbezogen werden, dass Online-Portale teils "sehr klebrig sind" und die Nutzer durch Personalisierung "eingeschlossen" würden.

Das GWB ermögliche es schon jetzt, solche Netzwerkeffekte zu erfassen und an Lieferregeln, Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) oder "übermäßige Datenforderungen" anzuknüpfen, hielt Christian Bongard, Koordinator Digitale Wirtschaft beim Bundeskartellamt, dem entgegen. Es sei besser, den Prüfkatalog relativ allgemein zu belassen, um ausreichend Spielraum für die Kartellbehörden zu erhalten.

Jan Schallaböck, Rechtsanwalt bei iRights.law, kommt die geplante Novelle dagegen "zehn Jahre zu spät". In dieser Zeit sei der Zug bei den Plattformen schon deutlich in die falsche Richtung gefahren. Er habe Zweifel daran, ob die Initiative nun ausreiche, um Monopole zu knacken. Erstrebenswerter ist es laut dem Netzaktivisten, Facebook zu zerschlagen, da die Markt- und Datenkonzentration bei dem sozialen Netzwerk zu groß geworden sei: "Hier ist einseitig ein Akteur in der Lage, Verhaltensweisen in einer Form zu prognostizieren, wie wir es uns als Demokratie nicht leisten können."

Schallaböck empfahl weiter, über das neue Recht auf Datenportabilität in der EU-Datenschutzverordnung hinaus über eines auf Interoperabilität nachzudenken. Derzeit würben sogar öffentlich-rechtliche Sender dafür, Feedback am besten über Facebook zu geben. Demgegenüber sollte es Nutzern möglich sein, mit einem anderen Social-Media-Anbieter unabhängig vom eigenen Betreiber zu interagieren.

Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kann sich ebenfalls gut vorstellen, mit dem Hebel Interoperabilität "gegen gewollte, systematische Lock-in-Effekte" vorzugehen. Wenn mit vernetzten Autos und dem Internet der Dinge "Daten technisch bedingt in unglaublicher Anzahl anfallen", seien zudem ergänzende Mechanismen nötig, die der eigentlichen Bestimmung des Persönlichkeitsrechts besser gerecht würden. "Dabei müssen wir auch die Eigentumsdimension mitdenken", meinte der Vertreter der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz. Schon die Begriffe "Datensparsamkeit und -reichtum" suggerieren ihm zufolge, "dass es eine Eigentumsanaloge gibt".

"Die Eigentumsdebatte verwirrt nur", gab dagegen Alexander Roßnagel, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Kassel, zu bedenken. Es gehe nicht um den Umgang mit Sachen, sondern um gesellschaftliche Kommunikation. Für die Weitergabe persönlicher Daten an Dritte müsste aber eine Lizenz erforderlich sein, um die Betroffenen etwa an einer Wertsteigerung algorithmisch angereicherter Informationen zu beteiligen oder bei einem ungerechtfertigten Einsatz Schadenersatz zu erstreiten. Um derlei Ansprüche durchzusetzen und die Marktmacht der Datenspender zu bündeln, kämen Verwertungsgesellschaften in Frage.

Sollte eine solche "Monetarisierung" der eigenen Daten kommen, könnte man mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nur schlecht gegenhalten, räumte Roßnagel ein. Wer Angaben über sich verkaufen wolle, sei ja in der Regel in der Lage, selbst darüber zu entscheiden. Ausnahmen gebe es nur, wenn die Menschenwürde verletzt werde. Der Rechtswissenschaftler warnte daher: "Es würde ein Datenschutzprekariat geben." Um solche ungesicherten Verhältnisse zu vermeiden, sprach sich Roßnagel daher letztlich dafür aus, Kommunikationsinfrastrukturen zu regulieren und dabei auf "Privacy by Design" zu setzen.

(kbe)