Frankreich will Tiktok verbieten – "kognitive Kriegsführung"

Ein Untersuchungsausschuss des französischen Senats beklagt bei TikTok "Undurchsichtigkeit, Sucht und chinesische Schatten". Er bringt einen Bann ins Spiel.

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Tiktok-App auf Smartphone

(Bild: Primakov/Shutterstock.com)

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Französische Senatoren machen sich für ein weitgehendes Verbot von TikTok stark. Dies geht aus einem über 180 Seiten langen Bericht zur Taktik des chinesischen Betreibers der Social-Media-App eines Untersuchungsausschusses des parlamentarischen Gremiums hervor, die schon im Titel mit den Stichpunkten "Undurchsichtigkeit, Sucht und chinesische Schatten" beschrieben wird. Die Verfasser warnen darin, dass die Plattform eine "Bedrohung für die nationale Sicherheit" darstellen könnte. Sie verweisen auf offensichtliche Risiken, die durch die Einflussnahme der chinesischen Regierung entstünden. Diese reichten bis zur "kognitiven Kriegsführung" etwa durch Propagandamaßnahmen der Kommunistischen Partei Chinas.

Die TikTok-Muttergesellschaft ByteDance ist offiziell auf den Cayman-Inseln ansässig. Dies ist dem Bericht zufolge aber nur ein Trick, um sie unabhängig erscheinen zu lassen. Ein Fünftel des Kapitals von ByteDance halte mit Zhang Yiming ein chinesischer Staatsbürger. Dieser leite trotz einer Minderheitsbeteiligung offenbar die gesamte Geschäftstätigkeit des Konzerns, was durch dessen Struktur begünstigt werde. Zudem würden alle Patente über den chinesischen Zweig von ByteDance angemeldet, der letztlich unter der Fuchtel Pekings stehe. TikTok Frankreich benötige für technische Operationen auch Know-how und Anweisungen aus China.

Dem Bericht zufolge fügt sich außerdem TikTok nahtlos in die umfassenderen Bemühungen der chinesischen Regierung ein, Wahrnehmungen im Westen zu beeinflussen. Das Unternehmen horte persönliche Informationen der Nutzer, deren Verarbeitung intransparent bleibe. Dies sei mit der Datenschutz-Grundverordnung nicht vereinbar. Die Fähigkeit des chinesischen Staates, der Kommunistischen Partei und der nationalen Geheimdienste, auf die gesammelten Datenberge zuzugreifen, sei erwiesen.

"Soziale Netzwerke sind zu einer der größten Bedrohungen für die Demokratie geworden", halten es die Autoren mit Ex-US-Präsident Barack Obama. Fake News, Hassreden, Belästigung, Desinformation, groß angelegte Wahlmanipulationen, Trollfarmen sind ihnen zufolge "nur einige Beispiele für die Ausrutscher einer Technologie, die weltweit Erfolg hat, allerdings oft aus den falschen Gründen". Bei TikTko sei dafür etwa ein "Interessengraph" verantwortlich, der die nutzergenerierten Inhalte – und nicht "Freundschaftsbeziehungen" – über die App bevorzuge. Dazu komme ein "extrem süchtig machender Algorithmus", der die meist aus Kindern und Jugendlichen bestehenden Anwender "stundenlang am Bildschirm hält".

Aus all diesen Gründen sei TikTok mittlerweile in mehreren Ländern wie Indien, Indonesien und Pakistan vollständig verboten. Die EU-Kommission habe es zumindest Mitarbeitern ihrer Behörden untersagt, die App zu verwenden. Dies gelte in Frankreich ähnlich. Die Senatoren werfen aber die Frage auf: "Sollten wir noch weiter gehen und bedenken, dass TikTok wie Huawei auf die schwarze Liste gesetzt werden sollte, als eine der Bedrohungen für die Demokratien eines chinesischen Regimes, das sich weiter verhärtet?" Die geringste Vorsichtsmaßnahme bestehe auf jeden Fall darin, "unsere verwirrende Naivität gegenüber den Risiken aufzugeben, die für Demokratien durch die immer ausgefeilteren Methoden der Diktaturen und das, was sie ihre hybriden Kriege nennen, entstehen".

Konkret fordern die Verfasser eine Ausweitung des Verbots der TikTok-Anwendung auf Personal, das im Krisenfall bei Betreibern von kritischen Infrastrukturen und Versorgern eine wichtige Rolle spiele. An die französische Regierung geht der Appell, dass TikTok die neuen Transparenz- und Moderationsmaßnahmen öffentlich darlegen sollte, die die nationale Regulierungsbehörde Arcom angefordert habe. Unbedingt müsse eine proaktive Entfernung von Desinformationen genauso sichergestellt werden wie die Kennzeichnung von Inhalten staatlicher Medien sowie von durch Künstliche Intelligenz (KI) generierter oder veränderter Inhalte. Der Betreiber soll den Algorithmus hinter der App zudem transparent machen.

Vorschriften aus dem Digital Services Act(DSA) der EU müssen den Senatoren zufolge zudem gezielt auf sehr große Plattformen wie TikTok angewendet und durchgesetzt werden. Die EU-Kommission sollte hier gegebenenfalls den Mechanismus der "abgestuften Reaktion" angesichts nicht kooperativer Anbieter nutzen.

ByteDance soll laut den Empfehlungen zudem eine "zufriedenstellende und faire Vereinbarung" mit französischen Verwertungsgesellschaft SACD aushandeln, "um audiovisuelle Piraterie und alltägliche Urheberrechtsverletzungen auf der Plattform wirksamer zu bekämpfen". Musikverleger, deren Originalwerke zum Erfolg der App beitrügen, sollten "gerechter" vergütet werden. Die DSGVO müsse durch vereinfachte Kooperationsverfahren der Aufsichtsbehörden ferner stringenter durchgesetzt werden. Zudem sollten die Regulierer künftig die Einhaltung der geplanten E-Privacy-Verordnung und der darin enthaltenen Vorschriften für die Datenverarbeitung mithilfe von Cookies genau überwachen und streng sanktionieren.

TikTok erklärte gegenüber dem Online-Magazin "Euractiv", man sei mit den Ergebnissen des Berichts nicht einverstanden. Es handle sich um "Fehleinschätzungen" der Senatoren.

(emw)