Kommissar Trojaner und die Anti-Terrordatei

Mit den Stimmen von Schwarz-Rot hat der Bundestag Anfang Dezember den Weg für die Zusammenführung von Informationen von Polizeien und Geheimdiensten in der umstrittenen Anti-Terrordatei beim Bundeskriminalamt (BKA) frei gemacht. Zugleich segnete das Parlament das „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ ab. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble will darüber hinaus einen Freibrief für das BKA für „Online-Durchsuchungen“ mit Hilfe von Schadsoftware.

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Anfang Januar kann das BKA mit dem Segen des Parlaments beginnen, die auf polizeilicher Seite bereits knapp 1,5 Millionen Einträge in der „Datei innere Sicherheit“ mit den nicht weniger umfangreichen Datenbanken auf Geheimdienstseite in der gesetzlich gestatteten Selektion zur Anti-Terrordatei zusammenzuführen. Gleichzeitig verlängert und erweitert das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG) die nach dem 11. September 2001 geschaffenen Befugnisse für Geheimdienste. Neben dem Verfassungsschutz können künftig auch Bundesnachrichtendienst (BND) und Militärischer Abschirmdienst (MAD) Auskünfte bei Luftfahrtunternehmen, Banken, Post-, Telekommunikations- und Telediensteunternehmen einholen. Dies gilt nicht mehr nur bei Terrorverdacht, sondern auch im Rahmen der Aufklärung „verfassungsfeindlicher Bestrebungen“ im Inland. Entsprechend ausgedehnt wird die Ermächtigung zum Einsatz des IMSI-Catchers für die Mobilfunküberwachung. Verdeckt fahnden dürfen Geheimdienste ferner im Schengener Informationssystem.

Vertreter der Regierungskoalition wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble betonten, dass mit den Vorhaben „in einer Zeit großer Bedrohungen und Gefahren das Menschenmögliche an Sicherheit“ getan werde. Die Regelungen stehen dem CDU-Politiker zufolge im Einklang mit der Verfassung und bewegten sich auf rechtsstaatlichem Boden. Oppositionspolitiker beklagen dagegen einen Verfassungsbruch und lehnen die Vorlagen ab. „Beide Gesetze atmen den Geist des Überwachungsstaates“, kritisierte Wolfgang Wieland, Innenexperte der Grünen. Die Bedenken gegen die Anti-Terrordatei brachte er auf die Formel: „Viel zu viele Daten über viel zu viele Personen aus viel zu vielen Quellen mit viel zu vielen Zugriffsberechtigen.“ Wer dort drinstehe, „wird als Terrorist gelten“. Sein Kollege von der Linkspartei, Jan Korte, sprach von einem „traurigen Tag für die Grund- und Freiheitsrechte“. Der FDP-Rechtspolitiker Max Stadler stellte der Koalition ein schlechtes Zeugnis aus, da sie die Geheimdienstkontrolle weiter gestutzt habe.

Die Opposition bemängelt vor allem, dass selbst rein rhetorisch geäußerte Gewaltbefürwortungen und vergleichsweise flüchtige Kontakte zu Terrorverdächtigen zum Eintrag in die Datei führen und damit zu einer Stigmatisierung der Betroffenen. In einem „Freitextfeld“ könnten zudem Fakten und Vermutungen aus den unterschiedlichen Erkenntniswelten der Sicherheitsbehörden zusammengerührt werden. Es gehe um eine „Verdachtsspeicherdatei“, in die auch „Früchte der Folter“ gelangen könnten. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz machte dagegen eine „verdammte Pflicht“ aus, die Bürger in Zeiten großer Bedrohungen zu schützen. An die „rote Linie“ rund um „Angriffskrieg, Guantanamo, Folter und Menschen verschwinden lassen“ sei die Koalition nicht herangekommen.

Was Wiefelspütz allerdings nicht erwähnte: Laut Paragraph 6 des Gemeinsame-Dateien-Gesetzes berechtigte Stellen dürfen auch bei besonders schweren Straftaten - und nicht nur bei Terrorverdacht - auf die Basisdaten zugreifen. Im Eilfall soll dies sogar für die „erweiterten Grunddaten“, also die komplette „Akte“ gelten. Angesichts einer solch weiten Öffnungsklausel hatte bei einer Anhörung selbst Ex-BND-Chef Hansjörg Geiger schwere Bedenken vorgebracht. Er hatte gefordert, aufgrund der hohen „Informationsverdichtung“ in der Datei den Kreis der Zugriffsberechtigten zu begrenzen und die Volldateien ganz außen vor zu lassen. Unions-Vize Wolfgang Bosbach forderte derweil den Aufbau einer zusätzlichen Visa-Datei.

Auch Schäuble verlangt nach weiteren Befugnissen fürs BKA. Er will „Online-Durchsuchungen“ im Rahmen seines umstrittenen, zunächst 132 Millionen Euro teuren „Programms zur Stärkung der Inneren Sicherheit“ (siehe dazu c't 24/06, S. 214) einen deutlich höheren Stellenwert zuerkennen. Bei dieser Form legalisierter staatlicher Cyberangriffe mit Spyware in Form von „Govware“ wird über die zahlreichen bekannten Sicherheitslücken gängiger Betriebssysteme Schadsoftware auf die Rechner Verdächtiger eingeschleust, um in den dort gespeicherten Daten unbemerkt zu schnüffeln. Inspiriert durch das Modell „Kommissar Trojaner“ der Schweizer hat das BKA mit richterlicher Genehmigung eine derart weitgehende verdeckte Maßnahme nach Angaben des Innenministeriums bereits in einigen Fällen durchgeführt. Künftig will Schäuble das polizeiliche Knacken von Rechnern unter dem Aufhänger der Terrorabwehr gleichsam zu einem Standard-Ermittlungsinstrument erheben.

Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) hat den Spuk aber zunächst gestoppt. Anträge der Bundesanwaltschaft auf Online-Durchsuchungen seien nicht genehmigungsfähig, weil dem schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung „die notwendige gesetzliche Gestattung“ fehle. Die ins Feld geführten Vorschriften zur Überwachung von E-Mails würden angesichts bereits abgeschlossener Kommunikationsvorgänge nicht zutreffen. Hinzu käme, dass bei dem Trojaner-Angriff nicht nur die E-Mail, sondern auch alle anderen gespeicherten Daten ausgespäht würden. Das passe nicht zu den Vorschriften über Hausdurchsuchungen, die eine auf Offenheit angelegte Maßnahme mit Zeugen seien.

Neben Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, den Grünen, der FDP und den Linken hat auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar solche Beschnüffelungsmaßnahmen durch Polizei oder Verfassungsschutz scharf kritisiert. Das Verfahren widerspreche dem von der Verfassung geschützten Kernbereich der Privatsphäre. Schäuble will trotzdem notfalls auf eine Änderung des BKA-Gesetzes hinarbeiten, um die „modernen“ Ermittlungsmethoden zu legalisieren. (jk)