Kripo-Verbandschef: Sorge über geschlossene Chats bei der Polizei

Dass sich Ordnungshüter verstärkt dienstlich in privaten Messenger-Gruppen austauschen, ist für einen Gewerkschaftler ein Stück weit "Going Dark".

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Kripo-Verbandschef: Sorge über geschlossene Chats bei der Polizei

(Bild: deepadesigns/Shutterstock.com)

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Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bunds deutscher Kriminalbeamter (BDK), ist die zunehmende Kommunikation innerhalb sozialer Gruppen der Polizei in privaten, geschlossenen Chats nicht geheuer. Damit seien die teilnehmenden Beamten "den klassischen Führungsinstrumenten nicht mehr zugänglich", erklärte der Chef des gewerkschaftlichen Berufsverbands am Freitag auf dem "Grünen Polizeikongress" in Berlin. Damit könne es "zu Eskapaden" kommen.

Der Austausch etwa über Einsätze via geschlossene Gruppen in WhatsApp & Co. sei ein "Stück weit Going Dark", bezog sich Fiedler bei der Tagung im Bundestag auf die allgemeine Kritik von Sicherheitsbehörden, aufgrund verstärkter Verschlüsselung bei Messenger-Diensten nicht mehr mitlesen zu können. Früher hätten sich Ordnungshüter über Erlebnisse des Tages auf der Wache unterhalten, "jetzt tauscht man sich außerhalb des Korrektivs aus". Dabei blieben unerwünschte Strukturen leichter unentdeckt. Zudem könnten sich "vorurteilsgetriebene Handlungsmuster" in einem kleinen, als Echokammer fungierenden Insider-Raum rascher verbreiten.

In Hessen war jüngst bekannt geworden, dass ein späterer Dienstgruppenleiter fünf weiteren Polizisten in einem geschlossenen Chatforum einen "deutschen Weihnachtsgruß" mit Eisernem Kreuz sowie ein Foto von "etwas braun gewordenen" Plätzchen in Form von Hakenkreuzen geschickt hatte. Der Fall zeigt laut Fiedler, dass ein solcher Online-Austausch nicht immer "positive Auswirkungen" habe und sich darüber ein Gegenmodell zum Polizeibeauftragten als erstem Ansprechpartner bei Problemen zu etablieren drohe.

Der auf die Verfassung geschworene Eid werde in solchen digitalen Hinterzimmern offenbar leicht mal vergessen, monierte der 47-Jährige. Es existiere aber auch ein "breites Problem" bei der Polizei, dass die Ausbildung für den vielschichtigen Beruf teils unzureichend sei. Schon die Grundqualifikation müsse "auf ein völlig anderes Niveau gehoben werden".

Sein Bauch grummele angesichts der Tatsache, dass die Justiz den hessischen Fall wegen fehlender Öffentlichkeit gerade eingestellt habe, berichtete Oliver Malchow, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Auch wenn die Vorgänge "rufschädigend" für die gesamte staatliche Ordnungsmacht seien, würden diese so vermutlich nur disziplinarrechtliche Folgen haben. Dabei bleibe es wohl bei einem Verweis oder einer Geldbuße.

Einen zweiten hessischen Fall, in dem die Adresse für "NSU 2.0"-Drohschreiben durch Neonazis an eine Frankfurter Anwältin aus einem Polizeirechner kam, stufte Malchow als noch gravierender ein: "Solche Leute gehören nicht in die Polizei." Derartiges Handeln sei nicht mit dem geschworenen Eid vereinbar. "Wir wollen einen sauberen Laden haben", betonte der Gewerkschaftler. Er rede aber von Einzelfällen, da die Polizei insgesamt nicht so sei. Die Institution bringe niemand dazu, nationalsozialistisch oder rassistisch zu denken.

Bislang fehlten wissenschaftliche Untersuchungen, ob es sich um ein "strukturelles Problem" handle, gab die grüne Innenpolitikerin Irene Mihalic zu bedenken. Es gebe durchaus "rassistische Tendenzen unter Polizeibeamten", meinte Maria Scharlau von Amnesty International: "Persons of Color, Muslime und andere Minderheiten fühlen sich nicht von der Polizei geschützt." Sie vermisste klare Zeichen, dass die Beamten "die Menschenrechte für alle durchsetzen". Der Arm des Staates müsse eine "Nulltoleranzpolitik gegen Rechtsextremismus und Rassismus in den eigenen Reihen führen". Schon der NSU-Untersuchungsausschuss habe hier "strukturelle Defizite ganz klar benannt" und Sensibilisierungsmaßnahmen empfohlen, die aber nie durchgeführt worden seien.

Der Mainzer Staatsrechtler Matthias Bäcker riet dazu, bei einer Nutzung von WhatsApp im Dienst "einfach mal das Datenschutzrecht anzuwenden". Über einen externen Dienstleister dürften nicht ohne Weiteres einsatzbezogene Inhalte ausgetauscht werden. (bme)