Kritik an Huaweis Vorschlägen für Nachfolger eines IP-basierten Internets

Seite 2: Kontrollmöglichkeiten für Regierungen

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Beängstigend nannte Harvard-Wissenschaftlerin Shoshona Zubof Huaweis Ideen in der Financial Times. "Natürlich will China eine technische Infrastruktur, die der Regierung die Kontrolle sichert, die sie sich politisch verschafft hat." Sie spricht von einem dem "totalitären Impuls entsprechenden Design".

Nicht nur autoritäre Regierungen könnten stärkere Kontrollmöglichkeiten durchaus begrüßen. Ideen wie die Ausweispflicht im Netz geisterten auch in Deutschland schon mal durch die Köpfe von Politikern und der Ruf nach mehr Kontrolle der großen Plattform-Betreiber gehört aktuell fast zum guten Ton.

Mit dem von unten gewachsenen und von den Endpunkten her fortentwickelten Internet hätte ein solches deterministisches Netz nichts mehr zu tun, meint Marco Hogewoning, der die Arbeiten in den ITU-Arbeitsgruppen für die IP-Adressverwaltung Reseaux IP Eurpéens (RIPE) verfolgt. Innovationsmöglichkeiten und individuelle Freiheiten im Netz würden leiden.

Abgesehen von der Machbarkeit und den möglichen Brüchen würden zudem Entwicklungsarbeiten anderer Standardisierungsorganisationen, allen voran der fürs IP-Netz verantwortlichen Internet Engineering Task Force, aber auch des World Wide Web Consortium, der IEEE und der an 5G arbeitenden 3GPP infrage gestellt oder konterkariert, kritisiert das RIPE NCC in einer aktuellen Stellungnahme.

Die IETF hat Anfang der Woche mit einer klaren Absage reagiert. "Wir halten die Schaffung eines von oben angestoßenen Design-Prozesses mit dem Ziel, den aktuellen IP-Stack komplett abzulösen, für gefährlich", schreibt die IETF an die ITU. Es würden verschiedene, nicht miteinander verbundene Netz-"Inseln" geschaffen, deren Interoperabilität überaus fraglich wäre. Die IETF befürworte demgegenüber die modulare und von Unternehmen und Entwicklern im offenen Standardisierungsprozess gemeinsam vorangetriebene Fortentwicklung.

Viele der Probleme, die nach Lis Ansicht das "alte" Internet plagten, seien überdies längst angegangen, was wachsende Anfragen an Performanz und Sicherheit als auch völlig neue Nutzungsweisen wie etwa die Machine-to-Machine-Kommunikation anbelangt. Am Internet of Things arbeite die IETF bereits seit über einem Jahrzehnt, heißt es in dem Schreiben. Schlichtweg falsch sei daher die Aussage, dass das heutige Internet nur für Computer und Telefone gemacht sei. (anw)