Kritik an Ungarn wegen Zensur durch neues Mediengesetz

Anfang des Jahres übernimmt Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft. Derweil werden die Medien des Landes der Kontrolle des Staates unterworfen. Das Wort "Zensur" macht die Runde.

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Von
  • Kathrin Lauer
  • dpa

Das EU-Land Ungarn schränkt die Pressefreiheit ein. In der Nacht zum Dienstag beschloss das Parlament in Budapest ein Mediengesetz, das Kritiker im In- und Ausland als Instrument der Zensur bezeichnen. Damit nimmt die neue Medienbehörde NMHH jetzt auch private Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Internetportale unter ihre Kontrolle. Seit dem Sommer überwacht die Behörde bereits die öffentlich-rechtlichen Medien. Hohe Bußgelder bei Verstößen gegen das neue Gesetz könnten private Medien in den Ruin treiben. Die Macht der Medienbehörde wurde zudem in der Verfassung verankert.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) forderte die EU und die Bundesregierung auf, für eine Rücknahme des Gesetzes auf Ungarn einzuwirken. Das Gesetz sei zutiefst undemokratisch und hebe die Pressefreiheit in Ungarn auf, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Volker Beck befürchtet, dass die Einschränkung der Pressefreiheit "verheerende Folgen für den Schutz anderer Menschenrechte" in Ungarn haben werde. Zwei Moderatoren des öffentlich-rechtlichen Senders Radio Kossuth, Attila Mong und Zsolt Bogar, wurden am Dienstag vorläufig vom Dienst suspendiert, weil sie ihre Morgensendung aus Protest gegen das Gesetz für eine Schweigeminute unterbrochen hatten.

Der Vorstand der Medienbehörde NMHH besteht ausschließlich aus Vertretern der rechtsnationalen Regierungspartei FIDESZ. Die NMHH- Präsidentin Annamaria Szalai wurde vom Ministerpräsidenten Viktor Orban persönlich für neun Jahre ernannt. Orban, der zugleich FIDESZ-Vorsitzender ist, war bei der Parlamentswahl im April an die Macht gekommen. Das Parlament verankerte die Macht der umstrittenen Medienbehörde zusätzlich in der Verfassung. Demnach darf der NMHH-Präsident ohne parlamentarische Kontrolle Verordnungen und Vorschriften erlassen. Beide Beschlüsse fielen mit der Zweidrittelmehrheit der regierenden rechtsnationalen Partei FIDESZ.

Die privaten Medien können von der NMHH mit hohen Geldstrafen belegt werden, wenn sie mit ihren redaktionellen Inhalten gegen nur vage definierte Vorschriften verstoßen. Quotenstarke Fernsehsender können mit bis zu 200 Millionen Forint (730.000 Euro) belangt werden, weniger verbreitete Sender mit 50 Millionen Forint, Tageszeitungen und Internetportale mit 25 Millionen Forint und Wochenzeitungen mit 10 Millionen Forint. Zudem kann die Kontrollbehörde gegen die Geschäftsführer der jeweiligen Medien persönlich Bußgelder von 2 Millionen Forint verhängen. Die Betroffenen können anschließend vor Gericht gegen die Bußgeldbescheide Einspruch erheben.

Ferner sieht das Gesetz vor, dass die Medienbehörde in Redaktionen ermitteln und dabei auch als Betriebsgeheimnis geltende Dokumente einsehen und kopieren kann. Nach Ansicht von Kritikern ist dadurch der Informantenschutz in Gefahr. Das Mediengesetz enthält auch Richtlinien zu Programminhalten: So ist "politische Propaganda" außerhalb der Wahlkampfzeiten nur sehr beschränkt erlaubt. (jk)