Literatur-Übersetzer: KI muss stark reguliert werden

Verbände der deutschsprachigen Literatur-Übersetzer fordern eine starke Regulierung Künstlicher Intelligenz. Sie bedrohe Kunst und Demokratie.

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Im Juni 2023 versammelten sich Urheber und Künstler vor dem Brandenburger Tor in Berlin, um eine Regulierung von Künstlicher Intelligenz zu fordern.

(Bild: IU:gezett)

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"Die Kunst, aber auch die Demokratie werden bedroht." Das meinen die deutschsprachigen Verbände der Literaturübersetzenden in Deutschland, Österreich und der Schweiz angesichts der zunehmenden "Automatisierung geistiger Arbeit und menschlicher Sprache". Sie haben sich deshalb zu einem offenen Brief zusammengefunden, in dem sie eine starke Regulierung der Künstlichen Intelligenz fordern.

Regulierung müsse dafür sorgen, dass die Funktionsweise der generativen KI und ihre Trainingsdaten offengelegt werden. Dabei sollten die KI-Anbieter klar angeben, welche urheberrechtlich geschützten Werke sie beim Training verwendet haben. Gegen den Willen der Urheber dürften ihre Werke nicht für KI-Training verwendet werden. Zudem müssten die Urheber angemessen bezahlt werden, wenn KI mit ihren Werken trainiert wird, heißt es in dem offenen Brief (PDF), und es sollte eine Kennzeichnungspflicht für reine KI-Inhalte eingeführt werden.

"Eine Übersetzung ist das Ergebnis eines individuellen Umgangs mit einem Ausgangswerk", schreiben die Übersetzer. Dieser Umgang müsse gewissenhaft verantwortet werden. Wie ein Satz gebaut sei worauf sich die Aufmerksamkeit jeweils richte, lenkt das innere Erleben von Lesern und Leserinnen. Die dafür nötige Sprachkenntnis bilde und schärfe sich im aktiven Schreibprozess. "Die Neuschöpfung eines literarischen Texts in einer anderen Sprache macht Übersetzende zu Urheber:innen eines neuen Werks."

Hingegen können textgenerierende KI-Systeme nach Meinung der Übersetzer menschliche Sprache nur simulieren. "Sie haben weder Gedanken noch Emotionen oder ästhetisches Empfinden, kennen keine Wahrheit, kein Weltwissen und keine Gründe für Übersetzungsentscheidungen." Durch ihre Bauart seien Sprachsimulationen häufig unlogisch und voller Lücken, sie enthielten Ersatzbegriffe und -behauptungen, die nicht immer sofort als falsch erkannt werden.

Werden KI-Produkte beworben, werde suggeriert, die KI könne selbstständig arbeiten, "verstehen" und "lernen", schreiben die Übersetzer weiter. "Damit werden Unmengen an menschlichen Arbeitsleistungen verschwiegen, auf denen die angeblich 'intelligenten' Produkte beruhen." Um Chatbots zu erstellen, seien Millionen von urheberrechtlich geschützten Werken aus illegal angelegten Bibliotheken im Internet "gescrapt" worden.

Diese und andere Argumente fließen in ein "Manifest für menschliche Sprache". Darin schreiben die Übersetzer: "Botsprache reproduziert immer nur den Status quo. Sie vervielfältigt Vorurteile, hemmt die Kreativität, die dynamische Weiterentwicklung von Sprachen und den Erwerb von Sprachfähigkeiten." Textgenerierende KI strebe an, Menschen- und Maschinensprache ununterscheidbar zu machen. Es sei nicht als Werkzeug konzipiert, sondern als Ersatz für menschliche Kompetenz.

Künstliche Intelligenz sei aber keine Intelligenz, denn zu dieser gehöre auch emotionale, moralische, soziale, ästhetische Intelligenz, praktische Vernunft und die Erfahrung, die sich aus Körperlichkeit und Bewegung ergebe. "Insofern ist die technische Entwicklung von Sprachbots auch nicht als 'Fortschritt' zu bezeichnen", heißt es in dem Offenen Brief.

(anw)