"Lotteriespiel" um Softwarepatente im EU-Rat [Update]

Softwarepatentgegner hoffen noch darauf, dass Polen erneut die offizielle Verabschiedung der Ratsposition zur Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" verhindern könnte.

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Der erneute Vorstoß des EU-Rates, seine umstrittene Position zur EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" im Agrar- und Fischereirat in einem hektischen Manöver schon Anfang nächster Woche abnicken zu lassen, hat bei Bundestagsabgeordneten aus der Opposition Erstaunen ausgelöst. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries gebe kein gutes Bild ab, kritisiert Günter Krings, Softwarepatentexperte der CDU/CSU-Fraktion, die rein abwartende Haltung der Bundesregierung. Während die SPD-Politikerin nach der überraschenden Vertagung der Ratsentscheidung im letzten Jahr noch davon gesprochen habe, sich nun auf die Suche nach einer neuen, auch die Position des Bundestag berücksichtigende Lösung zu machen, spreche das "Vorgehen mit einer Verabschiedung der Richtlinie am Montag eine andere Sprache", betont Krings. Die Bundesregierung hätte sich seiner Ansicht nach "konstruktiver an den Beratungen im Ministerrat beteiligen müssen". Dagegen mache sie kräftig mit beim aktuellen "Lotteriespiel".

Nach den von Kommissions- und Ratsmitgliedern angekündigten Planungen soll Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Renate Künast Anfang nächster Woche gemeinsam mit ihren Fachkollegen den Ratsstandpunkt vom Mai ohne weitere Debatte mit durchwinken. Um die offizielle Verabschiedung des "Gemeinsamen Standpunkts" zu verhindern, hat der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) seine Homepage mit dem Aufruf zu einer Webdemo ganz ins Zeichen einer kurzfristigen Gegenaktion gestellt. Schon auf der Startseite finden Besucher einen vorgefertigten Brief, mit dem sie Künast nachdrücklich auf die nach wie vor mögliche Verhinderung der Absegnung der Richtlinienposition aufmerksam machen können. Die Softwarepatentgegner weisen dabei vor allem darauf hin, dass "der vorgeschlagene Text keine qualifizierte Mehrheit im Rat genießt". Mit dieser Ansage befinden sie sich im Einklang mit Ministern von Mitgliedsstaaten.

Ob sich die luxemburgische Ratspräsidentschaft mit dem Plan, die Ratsposition trotz des Widerstands in den eigenen Reihen doch noch unter Dach und Fach zu bringen, tatsächlich durchsetzen kann, ist allerdings noch nicht hundertprozentig ausgemacht. So will die polnische Regierung, die sich bereits wiederholt gegen den Standpunkt des Rats ausgesprochen hat und sich vor Weihnachten quer gelegt hatte, für den Fall der Verabschiedung des Papiers eine abweichende Erklärung abgeben. Diese ist laut diplomatischen Kreisen aber noch nicht fertig. Es ist eher unwahrscheinlich, dass das Statement bis zum Montag noch beim Rat eintrifft.

"Noch ist Polen nicht verloren", meint auch Krings zur Hoffnung auf eine erneute Verschiebung. "Es wäre wirklich vernünftig, das Thema im Rat neu zu verhandeln, und nicht die Polen zu zwingen, um jeden Preis dem Ratsentwurf zuzustimmen." Bislang taucht die Richtlinie noch nicht auf der Tagesordnung für den Agrarrat auf. Solche Tagesordnungen ändern sich teilweise aber noch kurzfristig. Angeblich aber ist mittlerweile die Abstimmung auf Anforderung Polens auf den 31. Januar verschoben worden; einer längeren Frist wollte die luxemburgische Ratspräsidentschaft nicht zustimmen, hieß es aus EU-Kreisen.

Mit einem erneuten polnischen Manöver hätte das Europaparlament mehr Zeit, sich über einen Antrag für einen kompletten Neustart des Verfahrens abzustimmen. Die Koordinatoren des Rechtsausschuss haben bei einem Treffen am gestrigen Donnerstag zunächst der Bitte des für die Richtlinie hauptsächlich zuständigen Binnenmarktskommissars Charlie McCreevy stattgegeben, sich vor einer Entscheidung zunächst am 2. Februar mit ihm zu besprechen. Danach steht auch nach Auffassung bisheriger Bedenkenträger einer kurzfristigen Debatte über einen Neuanfang prinzipiell nichts mehr im Weg. Sollte der Rat seine Position am Montag aber durchwinken, gäbe es kaum noch eine Chance für einen Neustart.

Den Grund für die Eile im Rat sehen Softwarepatentgegner derweil in alt-neuen internationalen Absprachen, im Interesse von Konzernen den Patentschutz auch in Europa nach dem Vorbild der USA und Japans entgegen des Europäischen Patentübereinkommens auf Computerprogramme "als solche" auszudehnen. Vor allem die Patentämter der USA, Japans und ihr Europäisches Pendant sollen hier Druck machen. Neue Nahrung für diese Sorgen gibt ein jetzt aufgetauchtes Dokument des japanischen Patentamtes aus dem Jahr 2000, wonach die entsprechenden Bestrebungen schon seit längerer Zeit laufen. Im Februar ist nun erneut eine umfangreiche Besprechung zum Stand der "Harmonisierung" der Patenterteilung der internationalen Patentjuristen geplant. Das Vorbereitungstreffen wird am 26. Januar in Brüssel stattfinden. (Stefan Krempl) / (jk)