Medienkonzern Vivendi in schweren Turbulenzen

Gerüchte über Bilanz-Manipulationen, hohe Verschuldung und die Auseinandersetzungen um den Firmenchef stürzen Vivendi, als Konkurrent für den Mediengiganten AOL Time Warner angetreten, in die Krise.

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  • dpa

Der hoch verschuldete Medienkonzern Vivendi Universal hat am Dienstag an den Finanzmärkten eine schwere Vertrauenskrise ausgelöst. Angebliche Versuche der Bilanzmanipulation und Überschuldungsängste führten zu Panikverkäufen der Aktie in Paris und trieben auch den Deutschen Aktienindex tiefer ins Minus. Der umstrittene Vivendi-Vorstandschef Jean-Marie Messier hat unterdessen seinen Rücktritt angekündigt. Messier sagte, es gebe Versuche, den weltweit zweitgrößten Medienkonzern zu zerschlagen. "Ich gehe, damit Vivendi fortbestehen kann", beschwor Messier in einem Zeitungsinterview die Aktionäre. Sein Rücktritt soll offiziell am Mittwoch auf einer Sondersitzung des Verwaltungsrats verkündet werden. Messier verlangt nach einem Bericht der französischen Tageszeitung Le Monde unter anderem 12 Millionen Euro Abfindung. Zudem soll der 45-jährige Franzose über juristischen Schutz vor möglichen Schadensersatzforderungen verhandeln.

Die Vivendi-Aktie stürzte an der Pariser Börse rasant, nachdem die Kreditwürdigkeit des Konzerns durch die renommierte US-Rating-Agentur Moody's drastisch herabgestuft wurde. Zwischenzeitlich brach der Kurs um 34,31 Prozent auf 15,70 Euro ein. Der Wertverlust entsprach 8,5 Milliarden Euro, erklärten Händler. Moody's stellte die Schuldtitel des Konzerns auf eine Stufe mit hochspekulativen "Junk bonds". Seit Jahresanfang hat die Aktie mehr als 70 Prozent ihres Wertes verloren. Es werde bezweifelt, dass der Konzern in der Lage sei, die in den nächsten zwölf Monaten fällig werdenden Kredite zu refinanzieren, erklärte die Agentur.

Die Ängste der Anleger wurden zudem durch einen Bericht von Le Monde verstärkt, wonach Vivendi Universal versucht haben soll, in Zusammenhang mit dem Verkauf der Aktien des britischen Abonnenten-Fernsehens BSkyB die Bilanz 2001 zu manipulieren. Die französische Börsenkommission habe dies jedoch verhindert. Für das vergangene Jahr hat Vivendi Universal mit 13,6 Milliarden Euro den höchsten Verlust eines französischen Unternehmens ausgewiesen.

"Es gibt eine unumstößliche Wahrheit: Man kann ein Unternehmen nicht mit einem gespaltenen Verwaltungsrat leiten", begründete Messier in einem Interview der Pariser Tageszeitung "Le Figaro" vom Dienstag seinen Rücktritt. Nach den US-Großaktionären hatten auch wichtige französische Anteilseigner dem Vorstandsvorsitzenden des größten Medienkonzerns nach AOL Time Warner ihr Vertrauen entzogen.

Mediengigant und Gemischtwarenladen

Vivendi Universal ist nach AOL Time Warner der weltweit größte Medienkonzern mit Hollywood-Studios, Fernseh-Sendern und Verlagsgruppen. Zu dem transatlantischen Konzern gehören die zu den größten europäischen Abonnentensendern zählende Gruppe Canal+ sowie in der Telefonbranche die Festnetz-Firma Cégétel und der Mobilfunkanbieter SFR. Die einstige Kernsparte ist die Wasserversorgung, die heute als Vivendi Environnement geführt wird. Als 1996 Jean-Marie Messier an die Spitze des Konzerns rückte, baute er den trägen Wasserlieferanten Compagnie Générale des Eaux umfassend und durch milliardenschwere Übernahmen zu einem Imperium mit etwa 380.000 Beschäftigten aus, das in die Weltspitze der Medien und Telekommunikation aufrückte.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Weltkonzern war die Fusion mit der kanadischen Seagram-Gruppe zum neuen Mischkonzern Vivendi Universal. Seagram steuerte die weltgrößte Musikfirma Universal Music Group und das Hollywoodstudio Universal bei. Erst im vergangenen Jahr kam für etwa elf Milliarden Euro die Film- und Fernsehsparte US-Networks hinzu.

Zugleich musste Vivendi Universal 2001 durch Rekordabschreibungen den höchsten Verlust ausweisen, den jemals ein Unternehmen in Frankreich verbucht hatte: minus 13,6 Milliarden Euro bei einem Jahresumsatz von rund 57 Milliarden Euro. Messier häufte in seiner Amtszeit 19 Milliarden Euro Schulden auf. Insgesamt hat der Konzern etwa 35 Milliarden Euro Schulden. (dpa) / (jk)