Medienstaatsvertrag: EU-Kommission legt sich bei Plattform-Regeln quer

Der Medienstaatsvertrag und zugehörige Satzungen beschränken die Dienstleistungsfreiheit in der Informationsgesellschaft zu sehr, moniert die EU-Kommission.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen

(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Die Bundesregierung hat einen Blauen Brief von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton erhalten, in dem er den Medienstaatsvertrag der Länder und einen Umsetzungsentwurf für Satzungen der Landesmedienanstalten scharf kritisiert. Breton sieht in den neuen Vorgaben für Online-Plattformen wie Suchmaschinen und Streaming- sowie Videoportale einen Verstoß gegen die E-Commerce-Richtlinie und das damit verknüpfte Herkunftslandprinzip. Demnach gilt für Anbieter das Recht des Mitgliedsstaats, in dem sie ihren EU-Sitz haben.

Der Medienstaatsvertrag ist bereits seit über einem halben Jahr in Kraft, obwohl die Kommission schon 2020 schwere Bedenken geäußert hatte. Breton nutzt die Notifizierung des Satzungsentwurfs der Regulierungsbehörden, in deren Rahmen andere EU-Länder und die Kommission Stellung nehmen können, nun zu einer zehnseitigen Protestnote zur gesamten Initiative. Einige der enthaltenen Maßnahmen drohen laut dem Mahnschreiben, das Netzpolitik.org veröffentlicht hat, die "im Binnenmarkt geschützte Freiheit zur Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft unzulässig einzuschränken". Sie dienten auch nicht dem "Ziel des Schutzes der Medienvielfalt".

Die Kritik richtet sich vor allem gegen die Auflage für Plattformen, die Kriterien zu benennen, mit denen sie Inhalte von Nachrichtenmedien etwa in ihren Newsfeeds sortieren. Empfehlungsalgorithmen sollen die Betroffenen ebenfalls dabei transparent machen. Auch die Vorgabe für Anbieter mit mehr als einer Million Nutzer in Deutschland, rechtlich verantwortliche Zustellungsbevollmächtigte zu benennen, geht der Kommission zu weit. Ähnliche Einwände hatte sie zuvor etwa schon beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz und den darauf aufbauenden verschärften Anti-Hass-Regeln vorgebracht.

Breton befürchtet zudem eine "Fragmentierung des Binnenmarkts" aufgrund nationaler Alleingänge, wie sie derzeit auch Frankreich plant. Er verweist auf den geplanten Digital Services Act (DSA), mit dem die Kommission EU-weite Pflichten für Plattformen aufstellen will. Den Bundesländern gibt die Brüsseler Regierungseinrichtung noch einen Monat Zeit, um die Anmerkungen bei der Umsetzung des Staatsvertrags zu berücksichtigen. Sollte sich nichts tun, könnte sie ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Mittelfristig wäre der als Verordnung angelegte DSA aber ebenfalls unmittelbar in Deutschland anwendbar.

Eine Sprecherin der Gemeinschaft der 14 Landesmedienanstalten hatte im Juni auf Anfrage von heise online noch erklärt, dass Juristen des Gremiums die Eingabe der Kommission zunächst prüfen müssten und sie sich zunächst nicht konkret dazu äußern könne. Große Steine würden den Regulierern damit aber wohl nicht in den Weg gelegt. Heike Raab (SPD), Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, hatte die Kommission bereits im April 2020 "inständig" gebeten, ihre Positionierung" zu überdenken. Es gelte, den Plattformen ein eigenes europäisches Verständnis einer demokratischen Medienordnung entgegenzustellen, unterstrich damals die Landesmedienanstalt NRW.

(olb)