Microsoft rückt in den parlamentarischen Raum vor

Grüne und PDS protestieren gegen eine Lobbyveranstaltung des Softwarekonzerns im Festsaal des Berliner Abgeordnetenhauses.

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Im Berliner Parlament wächst der Widerstand gegen das zunehmend auf Tuchfühlung gehende Lobbying Microsofts in der Hauptstadt. Anlass ist eine Einladung des Softwaregiganten zu einem "Parlamentarischen Abend" am Donnerstag in einer Woche, zu dem der "Direktor Public Sector" bei Microsoft Deutschland, der frühere Berliner Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner, geladen hat. Der Lobbychef aus Unterschleißheim will mit den Volksvertretern im Rahmen eines Büffets insbesondere die "Initiativen Microsofts für Bildung und Innovation" bereden, heißt es in dem heise online vorliegenden Anschreiben. Zugleich möchte er eine neue bundesweite Gründerinitiative vorstellen, mit welcher der Konzern "mittels seines Technologie- und Marketing-Know-hows unternehmerische Ideen zur Marktreife begleiten" will. Das ist prinzipiell legitim, doch Branoner hat dafür just den Festsaal des Abgeordnetenhauses gemietet, sodass die Parlamentarier direkt während oder nach der am gleichen Tag stattfindenden Plenarsitzung zu ihm stoßen können.

"Microsoft will das Parlament für eine großartige Auftrittsmöglichkeit missbrauchen", empört sich Barbara Oesterheld, grünes Mitglied im Verwaltungsreformausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, über die Strategie des Softwarekonzerns. Es könne nicht angehen, dass die Parlamentsverwaltung einer einzelnen Firma eine solche einmalige Plattform für Lobbyzwecke zur Verfügung stelle. Kritik kommt auch vom PDS-Abgeordneten Freke Over. Der Politiker beklagt die zu enge Verwebung von Wirtschaft und Politik. Die Sache habe ein "Gschmäckle", zumal der Präsident des Abgeordnetenhauses, Walter Momper (SPD), den Abend eröffnen und dessen Parteikollege Ehrhart Körting in seiner Funktion als Innensenator sprechen wolle. Laut Freke müsse dringend eine Debatte geführt werden, "wen wir uns alles ins Haus holen". Er moniert in diesem Zusammenhang, dass bereits kürzlich eine Gruppe von Hightech-Unternehmen aus dem Berliner Forschungsstandort Adlershof eine Ausstellung direkt nach einer Plenarsitzung eröffnet habe.

Eine Sprecherin Microsofts verteidigte die Wahl des Ortes gegenüber der taz dagegen mit der Zeitnot der Parlamentarier, denen man die Teilnahme an der Veranstaltung doch nur so einfach wie möglich machen wolle. Auch Momper sieht die Unabhängigkeit der Abgeordneten nicht gefährdet, wenn Konzerne ihre Informationen und Häppchen direkt an Ort und Stelle servieren. Der Hausherr kann Vermietungen derzeit allein absegnen, solange nicht der Plenarsaal selbst mit betroffen ist. Die Grünen fordern hier angesichts des Microsoft-Vorfalls Nachbesserungen. Laut Oesterheld überlege man momentan auch noch, ob man die Geschichte im Präsidium zur Sprache bringen oder eine den parlamentarischen Abend begleitende "Aktion" anberaumen werde.

Generell stößt der Grünen sauer auf, dass sich das Parlament zwar bereits wiederholt dafür ausgesprochen habe, die Vormacht Microsofts in den Computerinfrastrukturen des Landes zu brechen und Alternativen mit Open Source zu testen, "der rot-rote Senat es aber immer genau anders macht". Sie spielt damit vor allem auf an eine von Wirtsschaftssenator Harald Wolf (PDS) unterzeichnete erneute Rahmenvereinbarung des Landes Berlin mit Microsoft an. Die grüne Verwaltungsexpertin will im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen dem Senat auf den Zahn fühlen, welche konkreten Projekte schon entstanden sind und welche Gelder dafür veranschlagt wurden. Oesterheld beklagt zudem, dass die CDU dem Schalten und Walten von Rot-Rot im IT-Bereich tatenlos zusehe, weil Branoner aus ihren Reihen kommt. Der PDS-Politiker Over glaubt dagegen nicht, dass der Einkauf des Ex-Wirtschaftssenator ein Glücksgriff Microsofts war: "Der hat in der Stadt schon soviel ruiniert, dass man fast froh sein kann, dass er nun für andere handelt." (Stefan Krempl) / (jk)