Microsoft wirbt für größere Auswahl bei Dokumentenformaten

Im Endspurt um die Akzeptanz von OOXML als ISO-Standard beklagen die Redmonder zahlreiche Mythen und "FUD" in der Debatte über die künftigen Formate für Bürosoftware.

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Microsoft beklagt im Endspurt vor der Entscheidung über die Akzeptanz der eigenen Spezifikation Office Open XML (OOXML) als Standard der Internationalen Organisation für Normung (ISO) zahlreiche Mythen in der Debatte über die künftigen Dokumentenformate. Es sei wichtig, die Fakten von Fiktion und "FUD" (Fear, Uncertainty and Doubt) zu trennen, heißt es in einem heise online vorliegenden Lobbypapier der Redmonder zur Akzeptanz von OpenXML und des bereits von der ISO zertifizierten Platzhirschen Open Document Format (ODF). Die anstehende Entscheidung in Genf habe schließlich wichtige Auswirkungen auf die Politik und die Kundenbeziehungen.

Am Anfang des an die nationalen Standardisierungsgremien gerichteten neunseitigen Papiers stimmt der verurteilte Monopolist das Hohelied auf die Auswahl bei Formaten für Bürosoftware an. "Wir leben nicht einer Welt von 'entweder/oder', sondern in einer Welt des 'und'", betonen die Redmonder. Darin würden Regierungen und Kunden verschiedene Wahlmöglichkeiten bevorzugen und auch bedienen, um ihre unterschiedlichen Bedürfnisse abzudecken. Die Losung müsse also heißen: "OpenXML und ODF und andere Formate".

Demgegenüber würden einige Unternehmen und Organisationen politische Entscheidungsträger bedrängen, sich auf eine Beschaffungsoption zu beschränken und ODF als Standard verbindlich vorzuschreiben. IBM, Sun Microsystems, die ODF Alliance und die Free Software Foundation (FSF) stellten dem Papier zufolge entsprechende Forderungen auf. Ein solcher Ansatz würde jedoch Verwaltungen und Bürger benachteiligen, die nicht die angeblich erforderliche Software gekauft hätten. Damit würden Steuergelder ineffizient ausgegeben, behaupten die Redmonder. Wenig später schreiben sie allerdings, dass es ausreichend Konvertierungsmöglichkeiten zwischen OOXML und ODF gebe. Dass Pakete für Bürosoftware wie OpenOffice, die ODF standardmäßig unterstützen, zunächst einmal kostenlos sind, wird in der "Faktensammlung" nicht erwähnt.

Weiter schreiben die Redmonder, dass es im IT-Bereich zahlreiche Beispiele für überlappende Standards gebe und damit "Wettbewerb und Innovation" angekurbelt würden. Bei digitalen Bildformaten zählen sie etwa JPEG oder PNG auf, bei E-Mail-Protokollen unter anderem SMTP, POP3 oder IMAP. Die ISO selbst habe OOXML prinzipiell für das Standardisierungsverfahren zugelassen, weil sie die Koexistenz mehrerer Standards in einem Feld akzeptiere. Regierungen hätten zudem schon vor langem die Vorteile technologischer Neutralität erkannt und in entsprechenden Handlungsanweisungen festgeschrieben. Hier wie an vielen anderen Stellen beruft sich das Papier auf die umstrittene Studie der Burton Group, der zufolge ODF und OpenXML aus verschiedenen Designüberlegungen und Prioritäten heraus entwickelt worden, daher nicht austauschbar seien und beide ihre Daseinsberechtigung hätten.

Darüber hinaus enthält das Schreiben bereits bekannte Behauptungen, wonach ODF etwa im Vergleich zu OOXML nur beschränkte Funktionalitäten aufböte und etwa keine Finanzformeln bei der Tabellenkalkulation unterstütze. Dass es für derlei Fälle Erweiterungen für den ISO-Standard gibt, verschweigt das Papier. Zugleich unterstreichen die Redmonder, dass die globale Annahme und Unterstützung für das eigene Dokumentenformat "exponentiell" wachse. Führende Softwarefirmen wie Apple, Corel oder Novell hätten den Standard entweder bereits implementiert oder seinen Einsatz angekündigt. Zu diesem Lager würden auch Konzerne wie IBM, Google oder Sun sowie Open-Source-Firmen zählen, die sich in der Öffentlichkeit gegen den Durchbruch der 6000 Seiten umfassenden Spezifikation bei der ISO positioniert hätten. (Stefan Krempl) / (vbr)